Reformbereitschaft und Unternehmergeist: Wie Irland die Wirtschaftskrise meisterte
Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2011 beschloss die irische Regierung gleichsam über Nacht, das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren schrittweise über mehrere Jahre auf 68 anzuheben. Den meisten irischen Zeitungen war das damals nicht mehr als eine Kurzmeldung wert. "Das hat kaum jemanden gekümmert", sagt der in Dublin lebende deutschstämmige Ökonom Edgar Morgenroth. "Die Iren sitzen nicht gern herum. Sie denken sich, wenn die Lebenserwartung steigt, dann ist es nur normal, dass sie auch länger arbeiten."
Von dieser Reformbereitschaft hat das Land profitiert. Der Beitrag aus dem Bundesbudget zu den staatlichen Pensionen ist in Irland nicht einmal halb so groß wie in Österreich.
Ohne Proteste
Nicht nur beim Thema Pensionen erwies sich die Bevölkerung als flexibel. Nach dem Platzen einer riesigen Immobilienblase und der Notverstaatlichung von Banken war das Budgetdefizit bis 2011 dramatisch gestiegen. Die Regierung kürzte die Beamtengehälter um bis zu 14 Prozent. Arbeitslosen- und Kindergeld wurden reduziert. Dafür wurde die Mehrwertsteuer erhöht, eine Vermögens- und eine Sozialabgabe wurden eingeführt. Die Iren trugen die Einschnitte ohne größere Proteste mit.
"Diese Flexibilität war extrem wichtig, um den Umschwung zu schaffen"
"Diese Flexibilität war extrem wichtig, um den Umschwung zu schaffen", sagt Ökonom Morgenroth. Heute sind die Aussichten für die irische Wirtschaft besser als für jede andere europäische: Das Wachstum betrug 2015 bis zu sieben Prozent. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich eine Wirtschaft, die so tief gefallen ist, auf beinahe spektakuläre Weise erholt", erklärte kürzlich der für die öffentlichen Ausgaben zuständige Minister Brendan Howlin. Aber warum hat Irland den Umschwung schneller geschafft als Griechenland, Portugal oder Italien?
"Irland hatte vor der Krise ein funktionierendes, unternehmerfreundliches Wirtschaftsmodell", sagt Kieran McQuinn vom Wirtschaftsforschungsinstitut Esri in Dublin. Der Kündigungsschutz ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern rudimentär. Hunderttausende verloren ihren Job. Doch nach dem Umschwung begannen die Unternehmen schnell, neue Arbeitskräfte einzustellen.
Boom hat auch Schattenseiten
Irland hatte außerdem bereits Krisenerfahrung aus den Achtzigerjahren. "Jetzt erholte sich das Land viel schneller, weil es die Staatsfinanzen viel rascher sanierte", sagt Ökonom McQuinn. Doch der derzeitige Boom hat auch Schattenseiten: In Dublin sind die Mieten in den vergangenen zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen. Die Zahl der Obdachlosen hat sich deshalb verdoppelt. Und weil im kommenden März Wahlen anstehen, hat die Regierung im Budget für 2016 Wahlzuckerl im Wert von 1,5 Milliarden versprochen. "Es besteht die Gefahr, dass wir alte Fehler wiederholen und – wie vor der Krise – über unsere Verhältnisse leben", warnt Wirtschaftsexperte McQuinn.
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