Radatz: "Schweinerei" in der Fleischbranche

Schweinebauern wollen gegen Radatz protestieren
Die Fleisch- und Wurstwaren-Firma Radatz will von Lieferanten insgesamt acht Prozent Sonder-Rabatt. Bauern verärgert.

Der Wiener Familienbetrieb Radatz (890 Mitarbeiter, fast 183 Millionen Euro Umsatz) zählt zu den großen Playern in der heimischen Fleisch- und Wurstwaren-Branche. Das Unternehmen, zu dem auch die Firma Stastnik gehört, will die "partnerschaftliche Zusammenarbeit" mit seinen Lieferanten in Form der schriftlichen "Vermarktungsvereinbarung 2016" auf eine überaus fragwürdige Art und Weise vertiefen. Indes halten Betroffene das Vorgehen für eine "Sauerei".

Aber der Reihe nach. Laut Radatz leidet die gesamte Branche unter der schwierigen Wirtschaftslage, den sinkenden Preisen und dem Ausfall einer wichtigen Handelskette (Zielpunkt).

"Ganz im Gegensatz dazu waren wir auch im vergangenen Jahr expansiv", heißt es in dem Radatz-Schreiben an die Lieferanten. "Um unser Einkaufsvolumen weiter halten und ausbauen zu können, sind auch entsprechende Investitionen in die Ausstattung und die Vermarktung notwendig." So soll "die für alle Seiten notwendige Belebung des Marktes forciert" werden.

"Gesundes Wachstum"

Um ein gesundes Wachstum garantieren zu können, teilt Radatz den Lieferanten mit, "erfordert es auch Ihre Anstrengungen und die Bereitschaft, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen". So verlangt Radatz von ihnen "rückwirkend für das Jahr 2015 einen Expansionsrabatt von drei Prozent auf den Nettoumsatz, drei Prozent Treue-Rabatt für das Jahr 2016 und zwei Prozent Steigerungsbonus bei Erreichen einer Umsatzsteigerung" (siehe unten). Bis 29. Februar 2016 sollten die Lieferanten die Vereinbarung unterzeichnen. Am Schluss des Schreibens heißt es: "Betrachten Sie diese Vereinbarung als Impuls für die weitere Zusammenarbeit mit einem langjährigen, verlässlichen Partner."

Radatz: "Schweinerei" in der Fleischbranche

Unfaires Druckmittel

"Das ist so ähnlich, als wenn sie jemandem die Finger abhacken und dann sagen, gib mir jetzt die Hand", sagt Helmut Öller, Bundesobmann des Vieh- und Fleisch-Großhandels (Schlachthöfe), zum KURIER. "Das ist ein unfaires Druckmittel und eine Sauerei. Radatz versucht, sich ein Körberlgeld zu sichern." Die Schlachtbetriebe könnten nicht acht Prozent Rabatt schultern, so Öller, weil sie nur ein bis zwei Prozent netto im Jahr verdienen.

"Ich befürchte, dass einige Schlachtbetriebe die Vereinbarungen unterschreiben oder schon unterschrieben haben, weil es sich fast keiner leisten kann, einen Großabnehmer zu verlieren", sagt der Branchensprecher. Radatz kopiere angeblich aber nur ein System, das seit vielen Jahren von Lebensmittel-Handelsketten vorgelebt werde. "Die Ketten verlangen 3,5 bis vier Prozent Rückvergütung im Jahr von den Schlachthöfen", behauptet Öller.

Bauern aufgebracht

Völlig aufgebracht sind die Schweinebauern, die am Ende des Tages die Zeche zahlen werden. "Das Ganze ist eine Frechheit. Wenn sich nichts ändert, werden wir die Konsumenten aufrufen, die Produkte von Radatz und Stastnik nicht mehr zu kaufen", sagt Johann Nolz, Chef der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf, sprich der niederösterreichischen Schweinebörse, zum KURIER. "Die Schlachtbetriebe haben die Hosen gestrichen voll. Sie haben zu uns gesagt, helft uns, sonst müssen wir euch das Geld abziehen." Nachsatz: "Uns Schweinebauern steht das Wasser bis zu den Nasenlöchern. Wir sehen keinen Ausweg mehr und werden auf die Barrikaden gehen." Dabei denken die Schweinbauern laut Nolz schon ganz laut über eine groß angelegte Demonstration mit ihren Traktoren nach - unter anderem vor Firmenzentralen.

Zur Erklärung: Für ein Schwein (115 bis 120 Kilo) erhält ein Bauer derzeit 130 bis 135 Euro, davon könne aber kein Bauer leben. Das Russland-Embargo hat die Lage der Schlachthöfe und Schweinemäster zusätzlich verschärft. Ein Beispiel: Heute erhält ein Schweinebauer statt 1,5 bis 1,8 Euro pro Kilo Speck derzeit nur noch 50 bis 60 Cent. Lediglich durch die Belieferung von Tierfutter-Herstellern (Hunde- und Katzenfutter) können sich viele Schweinebauern noch etwas über Wasser halten.

Starker Tobak

"Die Schlachthöfe fürchten, dass sie ausgelistet werden", sagt Raimund Tschiggerl, Chef der steirischen Schweinebauern. "Wer sich als erster rührt, hat schon verloren." Die Lebenmittelhandelskonzerne seien "auch nicht viel besser". Laut Tschiggerl haben die steirischen Schweinebauern in der vergangenen zwei Jahren richtig bluten müssen. "In den vergangenen zwei Jahren haben wir rund 40 Millionen Euro Umsatz verloren", sagt Tschiggerl zum KURIER. "Die Gretchenfrage ist, wo sind die 40 Millionen geblieben." Nachsatz: "Die 40 Millionen Euro sind in der Wurst und im Handel geblieben." Seine Schweine-Bauern hätten damit im Endeffekt indirekt die Kartellstrafen der Lebenmittel-Konzerne bezahlt, behauptet Tschiggerl.

"Bitte um Verständnis"

"Wir bitten um Verständnis, dass wir mit langjährigen Partnern nicht über die Medien kommunizieren und laufende Verhandlungen nicht kommentieren, wobei ohnehin schon fast alle abgeschlossen sind", schreibt Firmenchef Franz Radatz an den KURIER. "Wir sind dank unserer langfristigen Investitionen in die modernsten Anlagen und in die Mitarbeiterausbildung in der glücklichen Situation, dass uns der heimische Handel und unsere Konsumenten seit Jahrzehnten die Treue halten."

Deftiger Seitenhieb

Erklärungsbedarf sieht Firmenchef Franz Radatz aber in Sachen Lage der Fleisch- und Wurstwaren-Branche: "Sehr wohl möchte ich aber auf unsere Branchensituation, in die Sie sich ja bestens eingearbeitet haben, eingehen", teilt Radatz. "Die Mehrzahl der Betriebe bemüht sich Tag für Tag und Jahr für Jahr um das Wohl der Firma, der Mitarbeiter - 900 in unserem Fall - und der Kunden. Eine andere erfindet im Quartals-Takt neue Geschäftsmodelle, um Geldgeber und Politik bei Laune zu halten und wird jetzt auf Kosten der Allgemeinheit weiter geführt." Nachsatz: "Klarerweise führt diese Wettbewerbsverzerrung zu einer künstlichen Verschärfung im Markt. Erfreulich nur, dass die Geschichte zeigt, dass diese Kalkulation trotzdem auf Dauer nicht aufgeht."

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