Ohne Kapital kein Medizin-Fortschritt

Ohne Kapital kein Medizin-Fortschritt
Forscher als Unternehmer – eine besonders gefährdete Spezies in Österreich. Was Betroffene sagen.

Krebs heilen, Schnupfen besiegen, schnellere Diagnosemethoden: Daran forschen Zigtausende Forscher weltweit. Aber wer schafft den Durchbruch? Wer verdient am Ende vielleicht sogar Millionen damit?

In Österreich gibt es nur wenige Forscher, die so wie Josef Penninger den Kampf um Geld öffentlich führen. Penninger drohte kürzlich sogar mit Abwanderung nach Berlin. Der Kollegenkreis betrachtet ihn mit gemischten Gefühlen. Manche halten ihn für völlig überschätzt und ärgern sich, dass sich der Wissenschaftsminister erpressen ließ. Andere meinen, Penninger sei eine wirklich große Nummer in der Biotechnologie und es sei gut, dass er in Österreich bleibe.

Kostenlawine

Ohne Kapital kein Medizin-Fortschritt
Aposcience
Faktum ist: Laien unterschätzen nicht nur den finanziellen und bürokratischen Aufwand, sondern auch das persönliche Finanzrisiko, das so mancher Forscher eingeht, wenn er seine Erfindung in die Praxis umsetzen will. Die staatliche Forschungsförderung ist gut, aber kaum mehr als eine Anschubfinanzierung. Ein neues Medikament bis zur weltweiten Marktreife zu entwickeln kostet letztlich im Schnitt zwei Milliarden Euro.

Das Ziel für den Forscher ist erreicht, wenn ein Pharmariese das Start-up um viel Geld kauft (und sich damit selbst jahrelange Forschungsarbeit erspart.)

Daran arbeitet Hendrik Jan Ankersmit. Der Chirurg an der Wiener Medizinuni, hat bis jetzt in sieben Jahren 4,8 Millionen Euro für sein Präparat Aposec aufgetrieben, das offene Wunden am "diabetischen Fuß" heilt.

Wundheilung

Der Markt dafür ist theoretisch riesig: In der westlichen Welt erkranken acht Prozent der Bevölkerung an Diabetes. Davon wiederum zwei Prozent am "diabetischen Fuß". Gewonnen wird das Mittel aus weißen Blutkörperchen. Das Patent für den europäischen Markt hat Ankersmit (wie fünf weitere Patente) bereits in der Tasche. Er selbst ist Geschäftsführer der dafür gegründeten Firma Aposcience AG und hat einen Investor. Der große Rubel ist noch nicht gerollt.

Von der heimischen Gesundheitsbehörde hat der Arzt seit einem Jahr die Erlaubnis, das Medikament in einem standardisierten Verfahren an gesunden Menschen zu testen. Freiwilligen wird (gegen Geld) eine kleine Wunde zugefügt und der Heilungsprozess mit dem Medikament beobachtet.

Um die Entwicklung weiterzutreiben, braucht Ankersmit nun aber weitere acht Millionen Euro. Kürzlich machte er sich daher – unterstützt von der Wiener Wirtschaftskammer – zur größten chinesischen Medizintechnik-Messe nach Schanghai auf. Grundlagenforschung werde in Österreich gut gefördert, doch sobald man einen Mehrwert daraus international lukrieren könnte, werde es schwierig, kritisiert er. Und findet es "verstörend", dass man nach China fahren müsse, um Investoren zu finden.

Schlafforschung

Ohne Kapital kein Medizin-Fortschritt
Dorffner
Auch der Wiener Informatik-Professor Georg Dorffner besuchte die Messe. Seine Firma Siesta Group ist auf Schlafanalyse spezialisiert. Dorffner sucht nach weiteren Auftraggebern für eine von ihm mitentwickelte Software, die Daten (etwa Hirnaktivität und Wachphasen) aus dem Schlaflabor auswertet. Das geht deutlich schneller als bisherige Verfahren. Damit können nicht nur Schlafstörungen untersucht, sondern zum Beispiel auch die Wirkung neuer Medikamente – etwa Psychopharmaka – abgetestet werden. Die 2002 gegründete Firma mit ursprünglich 13 (!) Gesellschaftern gewann schon 2003 den "Best of Biotech"-Wettbewerb. 2010 stieg Philips ein – doch das war zu wenig, um die Investoren auszuzahlen. Dorffner fungierte zehn Jahre als Geschäftsführer der Firma, ließ sich dafür an der Uni teilkarenzieren und hält fünf Prozent an der Firma, die mittlerweile 10 Angestellte beschäftigt. "Unser Geschäft funktioniert, wenn wir eine möglichst gut gefüllte Liste an Auftraggebern haben", sagt er.

Der Professor findet ebenfalls, dass Österreich ein schwieriges Pflaster ist, wenn man ein Unternehmen gründen und Kapital auftreiben will. Dorffner hat Risikokapital über einen Fonds bekommen. Die Bank hingegen, bei der er ein Geschäftskonto eröffnen wollte, habe ihn gleich in die Sanierungsabteilung geschickt. Dort habe man das Geschäftsmodell gar nicht verstanden. Das Geld stecke ja in der Entwicklung. Allerdings: Von zehn genial aussehenden Businessplänen in der Medizin sind nur ein bis zwei so erfolgreich, dass eine Firma eine Zeit lang davon existieren kann.

"Kapitalisten schauen"

Auch an den heimischen Universitäten ist die Unterstützung für Start-ups oft eher enden wollend. Als er die Firma gründete, schaute ein Kollege mit der scherzhaften Bemerkung vorbei, er wolle "nachschauen, wie es einem Kapitalisten geht", erzählt Dorffner. Aber reich geworden sei er mit der Firma nicht und werde es wohl auch in Zukunft nicht. Er hätte sich gewünscht, "dass mein Engagement an der Uni positiver aufgenommen wird". Schließlich fließe diese Erfahrung in seine Lehrtätigkeit ein, nutze nicht nur den Studenten, sondern auch seiner Stamm-Uni, die bei Studien auch finanziell profitiert.

Wer den Durchbruch schaffe, habe eine Menge Neider. Doch wer so einen Schritt wage, müsse auch ein Scheitern einkalkulieren, und es sei völlig falsch, dafür gebrandmarkt zu werden.

Die Steuerbegünstigung für Investments in Start-up-Firmen, wie sie der Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck fordert, stößt auf positives Echo. „Wenn es eine steuerliche Begünstigung gebe, würden mehr Private in Start-ups investieren“, sagt Steuerexpertin Monika Seywald von TPA Horwath. Start-ups erhalten von Banken im ersten Jahr kein Geld. Grund sind u.a. die strengen Risikovorschriften. So sind Neugründer meist auf alternative Finanzierungen angewiesen. „Es gibt viele Start-ups mit guten Ideen, die aber scheitern, weil ihnen das Kapital fehlt“, sagt Verena Trenkwalder von Wirtschaftsprüfer KPMG. „Eine Steuerbegünstigung würde vielen Start-ups helfen, in die Gänge zu kommen.“ Auch der Linzer Ökonomie-Professor Friedrich Schneider ortet Handlungsbedarf. „Wenn wir diesen Investitionsanreiz setzen, selbst wenn wir davon ausgehen, dass von fünf Start-ups drei den Bach hinuntergehen, zwei aber glücken, wäre das noch immer in Riesen-Erfolg“, sagt Schneider. So können in Großbritannien Investoren 50 Prozent des eingesetzten Risikokapitals unter bestimmten Bedingungen von der Steuer abgesetzt werden. Obergrenze sind 137.750 Euro pro Jahr.

Laut Schneider sollten die Start-ups selbst entlastet werden. So könnte man den Firmen u.a. Räume kostenlos zur Verfügung stellen. „Ich halte auch eine Steuerentlastung für sehr sinnvoll, weil wir viel zu wenig Risikokapital bereitstellen“, sagt Schneider. „Das ist auch der Grund, warum viele gute Leute nach Amerika gehen, um dort ihre Start-ups zu gründen.“

Forschung und Wissenschaft, aber auch Sozial- oder Bildungsprojekten soll bald eine neue, private Geldquelle in Österreich offen stehen: Über gemeinnützige Stiftungen soll es reichen Privatpersonen erlaubt werden, größere Geldsummen steuerbegünstigt in solche Projekte zu stecken.

Der Entwurf, mit dem das Bundesstiftungsgesetz novelliert werden soll, wird demnächst in kurze Begutachtung gehen. Noch im Juli soll er im Nationalrat beschlossen werden. Bis zu 1,2 Milliarden Euro im Jahr sollen in zehn bis 15 Jahren aus gemeinnützigen Stiftungen in gemeinnützige Tätigkeiten fließen, lautet die Hoffnung von Staatssekretär Harald Mahrer, der das neue Gesetz federführend gestaltet hat. Er rechnet mit der Gründung von 70 bis 100 solchen Stiftungen pro Jahr. Allerdings ist das Gesetz zunächst auf fünf Jahre beschränkt. Dann wird evaluiert und eventuell verlängert.

Steuervorteil

Höchstens 500.000 Euro, mindestens aber 50.000 Euro, dürfen Privatpersonen in Form von Cash oder auch Immobilien in eine gemeinnützige Stiftung einbringen. Die Summe soll über fünf Jahre von der Steuer abgesetzt werden können.

Die Gründung einer solchen Stiftung soll so einfach sein wie die Errichtung eines Vereins. Statuten sind an das Innenministerium zu senden, das per Bescheid eine „Nicht-Untersagung“ der gemeinnützigen Tätigkeit erteilt. Dann darf die Stiftung starten.

„Wir erwarten, dass mit dem Gesetz so viel Bewegung in die Forschungs- und Soziallandschaft kommt, dass die Steuerbegünstigung nach fünf Jahren verlängert wird“, sagt Michael Fembek, Vizepräsident des Vereins der gemeinnützigen Stiftungen. Er geht auch davon aus, dass sich die Spenden nicht auf die Summe der Steuerbegünstigung beschränken. „Reiche, die gemeinnützige Stiftungen gründen, sind nicht nur Steueroptimierer, sondern sie wollen etwas bewegen“, betont Fembek.

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