Pensionsvorsorge: Sammeln für kargere Zeiten

Sciurus vulgaris handelt vorausschauend, homo sapiens nicht immer
Experten-Tenor: Staatliche Pension bleibt zentral, Eigenvorsorge wird aber wichtiger.

Staatliche, betriebliche und private Vorsorge: Das sind die drei Säulen, die jedes Pensionssystem tragen. Die Gretchenfrage lautet: Wie viel trägt jede Säule bei? Und: Sind die Pensionen dauerhaft gesichert und reichen sie für einen vernünftigen Lebensstandard im Alter? Je nachdem, wen man im Politspektrum befragt, fallen die Antworten unterschiedlich aus. Und der Fondsbranche, den Versicherungen und Pensionskassen wird in der Debatte ohnehin ein Eigeninteresse unterstellt – sie wittern natürlich neue Geschäftschancen.

Zentrale staatliche Säule

Die staatliche Säule bleibe das zentrale tragende Element, die betriebliche und private Eigenvorsorge müssten in Österreich aber gestärkt werden: So lautete am Mittwoch der Tenor jener Experten, die am Altersvorsorge- und Investorengipfel 2016 in Wien teilnehmen.

"Jede Säule hat ihre Stärken", übte sich Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen und Chef der VBV-Gruppe, in Zurückhaltung. Das Schlagwort der drohenden Altersarmut sei ihm "zu schreierisch", sagte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete. Er wünscht sich stattdessen einen "ernsthaften Diskurs, ohne ideologische Scheuklappen". Eigentlich sei im Regierungsprogramm formuliert, dass sich die Pensionsreformkommission auch mit Säule zwei und drei beschäftigen soll. Passiert sei das nicht.

Wichtig wären aus Branchensicht vier Punkte, sagte Zakostelsky: Die Eigenvorsorge sollte steuerlich absetzbar sein. Bei der "Abfertigung Neu" wäre eine längere Haltedauer sinnvoll – vorzeitige Entnahmen des Geldes seien aus Vorsorgesicht kontraproduktiv. Und bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge sollte die Wahl einer garantiefreien Variante sowie eine Verwendung für die Pflegevorsorge möglich sein.

KMU-Manko

In Österreich stammen 90 Prozent der Alterseinkommen aus der staatlichen Pension – diese Abhängigkeit sei nirgendwo höher, warnte Neos-Chef Matthias Strolz. In Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden ist es nur die Hälfte. Strolz wünscht sich eine Steuerbefreiung (Versicherungssteuer, KESt) für alle Pensionsvorsorgeprodukte; bei vorzeitiger Entnahme sollte die volle Nachversteuerung greifen.

Der geringe Wissensstand sei daran schuld, dass in Österreich nur 25 Prozent der Betriebe für Mitarbeiter vorsorgen, sagte Gutachter Thomas Wondrak: "Wir brauchen ein klares politisches Commitment und eine Informationsoffensive, vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben." Am günstigsten wäre es freilich, die betriebliche Vorsorge überhaupt gleich in den Kollektivverträgen (KV) zu verankern. Das sei aber bisher nur bei 50 von 845 KV passiert, die ganz großen wie Handel oder Gewerbe fehlen.

Deutsches Modell

Deutschland hat vor 15 Jahren radikale Pensionsreformen eingeleitet, an deren Ende nur 43 Prozent Lohnersatzquote aus der staatlichen Säule kommen. 15 Millionen Deutsche haben seither private Vorsorgeverträge ("Riester Rente") abgeschlossen.

Jetzt stagniere die Zahl, sagte Heribert Karch von der deutschen Arge betriebliche Altersvorsorge. Er warnte aber, die Zusatzvorsorge allein dem Individuum zu überlassen: "Das Leitbild vom mündigen Bürger, vom homo oeconomicus, ist Fiktion. Der Mensch handelt nicht so vorausschauend." Sonst würden gerade jene Menschen abgehängt, die eine Vorsorge besonders dringend brauchen.

Nachgefragt: Wall-Street-Expertin Sandra Navidi

Kommentare