Pensionen: Die nächste Reform ist 2016 fällig

Altersinflation: Die Österreicher werden alle zehn Jahre um 2,5 Jahre älter
Pensionsexperten prophezeien: 2016 muss das Pensionssystem massiv reformiert werden – Wirtschaftslage und Demografie würden dazu zwingen.

Die Pensionsexperten warnen mit ungewohnter Deutlichkeit: Österreich habe bei der Pensionsreform viel versäumt, überfällige Reformen wären verschleppt worden, wichtige Projekte verschoben. Das Problem der Finanzierung des Pensionssystems würde jetzt aber umso größer sein.

Der österreichische Pensionsexperte Bernd Marin und sein deutsches Pendant Bert Rürup sprachen beim Forum Alpbach – Thema: "Die Zukunft der Jugend" – von der Dringlichkeit der Reform. "Ich prophezeie eine heftige Debatte und eine Pensionsreform für 2016 – da laufen massive Probleme zusammen", erklärt Rürup. "Der nicht gedeckte Anteil der Pensionen kostet jetzt schon fünf Prozent des BIP, also 14 Milliarden Euro jährlich. Das ist ein Mehrfaches der Pflegekosten. Jede dritte Pension kommt aus dem Steuertopf", sagt Marin.

Österreich sei nach der Ukraine und Italien das Land mit den höchsten Pensionsausgaben. Warum Österreich so wenig getan habe? Der deutsche Experte sieht einen Reformstau: Er habe damals für Bundeskanzler Klima (anno 1997) eine Pensionsreform konzipieren dürfen, davon seien nur zwölf Prozent umgesetzt worden. "Man hatte das Problem erkannt, Elan bei der Umsetzung gab es keinen. Weil der Problemdruck noch fehlte." Österreich sei ein Wohlstandsland, anders als in Deutschland habe man kein Arbeitsmarktproblem, hatte keine Wiedervereinigung zu finanzieren, von der Ostöffnung gut profitiert. Jetzt allerdings sei es höchste Zeit. Das habe mit den angespannten wirtschaftlichen Bedingungen zu tun – konjunkturelle Abschwächung, Finanzierung der Eurokrise, der Konsolidierung des Staatshaushalts – und mit der rasanten demografischen Entwicklung: die Österreicher werden immer älter.

Altes Österreich

Letzteres trete bereits deutlich zum Vorschein: Das Medianalter (statistisches Mittel) der Österreicher lag 2000 bei 38 Jahren, im Jahr 2050 wird es bei 54 sein, zeigt ein Bericht der Vereinten Nationen. Die Demografie sei aber nicht nur für die Sozialversicherungen ein Dilemma, sondern auch für die politische Ökonomie. "Je höher das Alter der Wähler, desto schwieriger wird es, Pensionsreformen durchzusetzen", mahnt Rürup. Das Zeitfenster werde immer kleiner. Wobei er hinzufügt: "Pensionsreform muss in Generationen denken, langfristig konzipiert sein. Schnell geht da gar nichts." Bernd Marin kritisiert, dass bei der Diskussion die Altersinflation nicht berücksichtigt werde. "Wir verjüngen uns. Ein heute 50-Jähriger ist zehn Jahre jünger als ein 50-Jähriger vor 60 Jahren. Bis 2020 leben wir zwei Jahre länger. Man muss die Pensionssysteme diesem Umstand anpassen."

Die Politik hält von diesen Warnungen wenig: Sozialminister Rudolf Hundstorfer verweist auf die beschlossenen Maßnahmen zur Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters.

"Wir haben bereits gegengesteuert. Es wird mittelfristig keine Invaliditätspensionen mehr geben." Er sieht keinen Grund für eine grundlegende Reform bis 2016. WKO-Präsident Christoph Leitl: "An einer deutlichen Erhöhung des faktischen Pensionsalters führt kein Weg vorbei. Ich begrüße deshalb die geplanten Änderungen bei der Invaliditätspension." Andreas Khol, Präsident des Seniorenrates, betont: "Jeden Sommer heult die Notsirene der Experten. Faktum ist: Sehr viele Reformen wurden mithilfe der Senioren schon auf den Weg gebracht."

Deutlich früher, als es der Gesetzgeber vorsieht

Das gesetzliche Pensionsantrittsalter beträgt für Frauen 60 Jahre und für Männer 65 Jahre. Ab 2014 wird das gesetzliche Antrittsalter für Frauen schrittweise bis 2033 auf 65 Jahre angehoben.

In der Praxis wird die Rente allerdings deutlich früher angetreten, als im Gesetz vorgesehen. Das tatsächliche Antrittsalter von Männern beträgt durchschnittlich 59 Jahre und von Frauen durchschnittlich 57 Jahre.

Die Differenz zwischen gesetzlicher Vorgabe und Realität ergibt sich vor allem wegen der gesundheitsbedingten Frühpensionierungen. Diese befristeten Invaliditätspensionen waren immer schon Anlass zur Kritik.

Daher hat die Bundesregierung eine Reform beschlossen. Ab 2014 wird es für alle unter 50-Jährigen keine befristeten Invaliditätspensionen mehr geben. Statt dessen setzt die Bundesregierung auf Rehabilitation. Ein Maßnahmenpaket soll die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben möglich machen. Die Altersgrenze von 50 wird jedes Jahr um ein Jahr angehoben. Statt einer Pension erhalten die Betroffenen ein Rehabilitationsgeld in Höhe von 60 Prozent des letzten Bruttogehaltes. Das Sozialministerium rechnet mit Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2018.

Die Möglichkeit Pensionszeiten nachzukaufen wurde von der Regierung deutlich verteuert. Auch dadurch soll das tatsächliche Pensionsantrittsalters steigen.

Pension: Jede dritte aus dem Steuertopf

Teurer Der nicht gedeckte Anteil der Pensionen kostet schon fünf Prozent des BIP, also 14 Mrd. Euro jährlich. Das ist ein Mehrfaches der Pflegekosten. Jede dritte Pension kommt aus dem Steuertopf. Länger Die durchschnittliche Lebenserwartung der Österreicher: rund 78 Jahre für Männer, 84 Jahre für Frauen. Alle zehn Jahre werden die Österreicher um 2,5 Jahre älter. Bis zum Alter von 41,9 Jahren fühlen sich die Österreicher "jung". Weniger Im Schnitt 1,43 Kinder bekommt jede Frau in Österreich, das erste mit 28,5 Jahren. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft bis 2060 um zehn Prozent, schätzen Experten.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare