Optiker in Aufruhr: Ärzte drängen ins Brillengeschäft

Vom Augenarzt empfohlen: Streit ums Geschäft mit Sehbehelfen
Werbeverbot für medizinische Produkte wurde aufgeweicht. Ein lukratives Geschäft lockt.

Eigentlich ist die Aufgabenteilung klar geregelt. Der Augenarzt stellt fest, wie schlecht der Patient sieht und stellt die für den Augenoptiker nötigen Brillenwerte aus. Wo die Brille anschließend erworben wird, bleibt dem Patienten überlassen. Eine Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe oder sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber ist den Ärzten laut Verordnung der Österreichischen Ärztekammer nämlich grundsätzlich untersagt.

Das strikte Werbeverbot hat die Kammer – von der Öffentlichkeit fast unbemerkt – aber kurz vor Jahreswechsel aufgeweicht. Laut Novellierung ist "die sachliche, wahre und das Ansehen der Ärzteschaft nicht beeinträchtigende Information" nun sehr wohl zulässig. Die Optiker sind alarmiert: "Die neue Info-Verordnung sagt nichts anderes, als dass ein Arzt den Patienten zu jedem beliebigen Optiker schicken kann", sagt Anton Koller, Bundesinnungsmeister der rund 1500 Augenoptiker und Optometristen in Österreich.

Die Empfehlung eines bestimmten Betriebes oder Brillenherstellers gehe weit über die Fachkompetenz und Zuständigkeit des Arztes hinaus und gefährde die Unabhängigkeit der Brillenwahl. Koller vermutet rein wirtschaftliche Interessen hinter dem gelockerten Werbeverbot, denn immer mehr Ärzte würden selbst in das Geschäft mit Brillen und Kontaktlinsen einsteigen: "Seit Inkrafttreten der Novellierung gibt es vermehrte Gewerbeanmeldungen von Augenärzten für den Handel von Medizinprodukten." Der Trend gehe zu eigenen Shops in den Ordinationen. Auch wenn er den Ärzten kein unethisches Verhalten vorwerfen wolle, so seien vor diesem Hintergrund diverse Brillen-Empfehlungen schon fragwürdig.

Ärzte-Konter

Die Augenärzte verstehen die Aufregung nicht. Die neue Verordnung betreffe schließlich alle Ärzte und trage nur den Veränderungen im Bereich Gesundheitsversorgung Rechnung. "Die Optiker sehen die Angelegenheit zu eng", meint Helga Azem, Bundesfachgruppenobfrau der Augenärzte. Heute würden in Praxen auch Diätika verkauft, Orthopäden arbeiteten mit Bandagisten zusammen. Azem selbst betreibt neben ihrer Ordination auch ein Institut für Kontaktlinsen und eine Brillenoptik-Einheit. Die Wahlmöglichkeit sei dadurch nicht beeinträchtigt: "70 Prozent der Patienten gehen mit ihren Verschreibungen hinaus und für den Brillenkauf irgendwohin." In anderen EU-Ländern sei die Berufsabgrenzung ohnehin ganz anders.

Mit der Abgrenzung hadern auch die Optiker. Koller sieht nicht ein, warum in Österreich ein Arzt eine Brille verordnen muss, während dies woanders auch studierte Optometristen dürfen.

Kommentare