Nationalbank holt Gold von London zurück

Ein Barren ist etwa 25 Zentimeter lang, sieben Zentimeter breit, vier Zentimeter hoch und wiegt 12,5 Kilogramm.
Die erste Tranche von 15 Tonnen lagert jetzt in Wien, weitere 75 Tonnen werden folgen.

Kleine, braune Fliesen, die Wände sind weiß gestrichen, Lüftungsrohre und Neonröhren, die keinen Designpreis gewinnen würden. Der Raum hat den Charme einer Garage oder eines Heizungskellers. Tatsächlich hat es das schlichte Zimmer tief unter dem Otto-Wagner-Platz in Wien-Alsergrund aber in sich. Hier, hinter einer dicken Tresortür, lagern die ersten 15 Tonnen jener Goldreserven, die die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) aus dem Ausland nach Hause holt.

Gut versichert durch Lloyd’s wurden die 1200 Barren auf mehrere Flugzeuge verteilt von London nach Wien geflogen. Mit hochpräzisen Waagen, die auf 0,01 Gramm genau messen, mit Ultraschall und Röntgen wurde jeder einzelne Barren gecheckt, ob auch wirklich alles Gold ist, was da glänzt. "Anfangs hat das zehn Minuten pro Barren gedauert, jetzt schaffen wir es in fünf bis sieben Minuten", schildert Kurt Pribil, der zuständige Nationalbank-Direktor.

Routine wird auch nötig sein, will doch die OeNB bis zum Jahr 2020 weitere 75 Tonnen ins Haus holen. 90 Tonnen werden dann im Keller der Notenbank gelagert sein, weitere 50 Tonnen – wie bisher – bei der Münze Österreich. Die andere Hälfte des österreichischen Goldes von insgesamt 280 Tonnen wird auf London und Zürich verteilt.

Christkindl

Nationalbank holt Gold von London zurück
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"Ein Weihnachtsgeschenk für Österreich" nennt OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny die erste Tranche, die er nach Wien geholt hat. Auch wenn er sich lächelnd mit einem Goldbarren in Händen fotografieren lässt, ist das Edelmetall für den Notenbanker doch simpel "ein Teil der Währungsreserven". Und zwar ein ertragloser, wie er schmunzelnd anmerkt.

Gold ist ein Sicherheitspolster, eine eiserne Reserve für den absoluten Notfall, die erst nach dem Einsatz der Devisenreserven angetastet wird. Welche Katastrophe müsste denn eintreten, dass das Gold ran muss? Nowotny kann sich das nur schwer vorstellen. Da müsste schon das gesamte Finanzsystem oder der Welthandel zusammenbrechen – mit der unvorstellbaren Folge, dass nationale Währungen nicht mehr akzeptiert würden.

Stabiler Schilling

Früher wurde Gold als Teil der Devisenreserven auch eingesetzt, um den Schilling stabil zu halten. Jetzt, als Euro-Mitglied, hat diese Funktion ausgedient. "Vernünftig ist es, dort Gold zu haben, wo Handelsplätze sind", sagt der OeNB-Gouverneur – und meint damit etwa London. Die in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetauchte Forderung aus der Politik, Österreich müsse seinen Schatz nach Hause holen, hat für ihn bestenfalls "romantische Hintergründe". Einen Vorteil sieht er aber doch: Er kann sich künftig Lagerkosten im Ausland ersparen.

Entwicklung der Goldreserven

In der Ersten Republik konnte Österreich hohe Goldreserven aufbauen und besaß viel mehr vom Edelmetall als Deutschland. Gleich nach dem Anschluss an das Deutsche Reich wurde das österreichische Gold konfisziert. Nach Kriegsende, in den Jahren 1947 bis 1958, wurden von den geraubten 78,2 Tonnen nur 50,1 Tonnen restituiert. Im Wirtschaftswunder der 1950er- und 1960er-Jahre wurden die Goldreserven wieder stark aufgebaut. Der Höchststand wurde mit rund 657 Tonnen in den 1980er-Jahren erreicht. Die Barren wurden großteils im Ausland gelagert. Dabei spielte auch eine Rolle, dass man das Gold in Zeiten des Kalten Krieges in Sicherheit wissen wollte.

Bis in die frühen 1970er-Jahre waren Goldreserven zum Erhalt der Goldparität wichtig, sie verloren nach dem Zerfall des Bretton-Woods-Systems aber an Bedeutung. Durch die Einführung des Euro fiel die Notwendigkeit weg, mit Gold bei Währungs-
schwankungen zu intervenieren.

Nationalbank holt Gold von London zurück

Entwicklung des Goldpreises

Terroranschläge, Kriegsherde, Krisen in Wachstumsmärkten – es gäbe etliche Gründe, warum der Goldkurs steil steigen sollte. Das Gegenteil ist aber der Fall: Seit dem Jahreshoch von rund 1306 Dollar im Jänner ging es mehr oder weniger nur bergab – auf jetzt 1066 Dollar. Vom Hoch von gut 1900 Dollar vor gut vier Jahren hat sich der Kurs schon meilenweit entfernt.

Als Krisenwährung hat Gold ausgedient, meinen einige Edelmetall-Experten. Die Talfahrt kann aber auch mit weniger Emotionen begründet werden: Die großen Zentralbanken halten die Zinsen im Keller und fluten die Märkte mit Hunderten Milliarden, indem sie Staatsanleihen aufkaufen.
Die Konsequenz: Simple Sparprodukte und Anleihen von Staaten mit guter Bonität bringen kaum Rendite. Das wäre an sich gut für Gold, das keinen laufenden Ertrag abwirft und durch Mini-Zinsen kaum in den Schatten gestellt wird. Die Investoren setzten aber lieber auf Chancenreicheres wie etwa Aktien.
Dieser Zyklus neigt sich dem Ende zu, zumindest in den USA. Die US-Notenbank könnte schon nächste Woche die Zinsen anheben. Das sollte, so die Profis, im matten Goldkurs schon enthalten sein. Die Prognosen: Schlimmstenfalls fällt der Kurs noch auf 950 Dollar, in einem Jahr sollte er höher sein als jetzt.
In Dollar hat Gold heuer rund zehn Prozent verloren, in Euro erst knapp ein Prozent.

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