Milliardenverlust: Erste-Aktie stürzt dramatisch ab

Milliardenverlust: Erste-Aktie stürzt dramatisch ab
Bis zu 1,6 Mrd. Euro - die Bank muss mehr für faule Kredite zur Seite legen. Aktie am Vormittag im Sturzflug. Analyst kritisiert im KURIER-Gespräch "falsche Strategie".

Hiobsbotschaft für eine der größten Banken des Landes: Die Aktie der Erste Group ist heute nach der Verlustankündigung des Bankkonzerns mit einem massiven Kurseinbruch in den Handel gestartet. Bis 10.20 Uhr büßten die Erste-Aktien 14,20 Prozent auf 20,00 Euro ein. Am frühen Nachmittag stieg das Minus auf über 15 Prozent.

Donnerstagabend lag der Schlusskurs noch bei 23,78 Euro, bei Börsenstart am Freitag fiel die Aktie rasant auf 20,8 Euro.

Den aktuellen Kursverlauf der Aktie können Sie hier verfolgen.

Auch international schlagen die Turbulenzen Wellen: Die Wertpapierexperten von JPMorgan haben das Kursziel für die Erste Group von 30 auf 21 Euro gesenkt. Gleichzeitig stufen sie die Aktie von "Overweight" auf "Neutral" zurück. UBS hat das Kursziel von 26,50 auf 25,00 Euro gesenkt, die Bewertung der Aktien belassen sie bei "Neutral". Auch die Wertpapierexperten der Credit Suisse haben das Kursziel der Erste Group von 30 auf 26,37 Euro gesenkt. Beim Anlagenvotum bleiben sie aber bei "Outperform".

Performance
Hoch (lfd. Jahr) 15.01.2014 29,7100
Tief (lfd. Jahr) 15.05.2014 22,415
52 Wochen Hoch 15.01.2014 29,7100
52 Wochen Tief 10.07.2014 19,9000
Milliardenverlust: Erste-Aktie stürzt dramatisch ab

Nicht verwunderlich: Die Erste Group hatte am Vorabend nach Börsenschluss für heuer einen drastischen Verlust von bis zu 1,6 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Eine Dividende wird es für das laufende Jahr nicht geben, sagte Erste-Chef Andreas Treichl. Frisches Kapital muss aber auch nicht aufgestellt werden. Die drastische Gewinnwarnung kam angesichts der Probleme in Ungarn und Rumänien nicht wirklich überraschend. Dass für die Bereinigung so hohe Verluste in Kauf genommen würden, war für Börsianer trotzdem ein Schock.

Die Bank Austria hatte es mit ihrem "Frühjahrsputz", bei dem der Wert aller zugekauften Osteuropa-Banken auf Null gesetzt wurde, vorgemacht – Folge: 1,6 Mrd. Euro Verlust für das Jahr 2013.

Faule Kredite in Ungarn und Rumänien

Milliardenverlust: Erste-Aktie stürzt dramatisch ab
Erste Group - Aktienkurs seit Anfang 2013, Factbox Grafik 0807-14-Erste.ai, Format 88 x 62 mm

Der Grund bei der Ersten: Die Bank muss viel mehr Geld auf die Seite legen – vor allem für faule Kredite in Ungarn und Rumänien. Die Risikovorsorgen werden von den veranschlagten 1,7 Mrd. auf 2,4 Mrd. Euro steigen. In Ungarn verursacht ein neues Gesetz, das das Parlament in Budapest voraussichtlich heute verabschiedet, den (mehrheitlich ausländischen) Geldhäusern hohe Kosten. Sie müssen überhöhte Zinsen und Gebühren aus den umstrittenen Fremdwährungskrediten an Privathaushalte zurückzahlen. In Rumänien muss die Erste den bestehenden Firmenwert von 800 Mio. Euro schlimmstenfalls komplett abschreiben. Aus der Neubewertung von (latenten) Steuern drohen weitere 200 Mio. Euro Korrekturbedarf.

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Die Erste hatte vor rund neun Jahren – lange vor der Krise – die Banca Comercială Română (BCR) um gut vier Milliarden Euro erworben. Im Rückblick habe die Erste für ihren späten Markteintritt in Rumänien einen zu hohen Preis gezahlt, hat Treichl später eingeräumt. Der Firmenwert musste seither schon mehrmals in großen Tranchen korrigiert werden. Jetzt werde die BCR von der lokalen Nationalbank angehalten, vor dem Stresstest der Europäischen Zentralbank die notleidenden Kredite rasch abzubauen, heißt es. Der Verkauf solcher faulen Kredite bringe derzeit auf dem Markt aber nicht viel ein.

"Wir sind überzeugt, dass diese Maßnahmen beitragen, dass wir den EZB-Bilanzcheck und den Stresstest gut abschließen werden", sagte Erste-Group-Vorstandschef Andreas Treichl. Neuen Kapitalbedarf gebe es nicht; die Kernkapitalquote werde ungefähr bei 10 Prozent bleiben. Allerdings wird die Dividende für 2014 gestrichen. Operativ werde die Erste Group ebenfalls "leicht unter dem für 2014 prognostizierten Wert liegen". Dafür drohen jedoch in den Jahren 2015, 2016 und 2017 keine negativen Überraschungen mehr, verspricht Treichl. Zuletzt hatte die Erste 2011 große Verluste geschrieben. Neben den Osttöchtern führten damals Abwertungen auf Staatsanleihen und unkorrekt verbuchte Credit Default Swaps zum Minus von 719 Mio. Euro. In der Bilanz 2013 ging sich ein kleiner Nettogewinn von 60 Mio. Euro aus.

„Das ist eine riesige negative Überraschung. Aber negative Überraschungen haben ja jetzt schon fast System“, sagt Alfred Reisenberger, Investmentstratege der Valartis Bank in Österreich. Dass die Erste Group einen enormen Verlust ankündigen musste, werfe aber kein gutes Licht auf die Bank, lautet Reisenbergers Analyse. Denn da stelle sich schon die Frage, ob da nicht so mancher eine falsche strategische Entscheidung getroffen habe.

Gemeint damit ist die rumänische Tochter BCR. Die wurde vor rund neun Jahren übernommen. Und zwar viel, viel zu teuer, wurde schon damals kritisiert. Das hatte Erste-Group-Boss Andreas Treichl in Interviews auch zugegeben. Aktienmarkt-Experte Reisenberger hat für diese teure Übernahme aber sogar noch ein bisschen Verständnis: „Das war klarerweise eine andere Zeit, nämlich die Ostexpansion vor der Finanzkrise. Und sie waren vom Kapitalmarkt getrieben.“ Was er allerdings heftig kritisiert: Dass die Erste nicht schon längst reinen Tisch gemacht hat. Reisenberger: „Die Frage ist schon, ob man nicht schon vor Jahren tabula rasa hätte machen sollen.“ Im Übrigen meint der Valartis-Mann das auch von der Kärntner Hypo – jedenfalls vor der Notverstaatlichung.

Die Erste-Aktionäre seien ohnehin leidgeplagte Anleger und mit Investments in letzter Zeit vorsichtig gewesen. Der neuerliche enorme Konzernverlust „ist aber jetzt ein Schlag ins Gesicht der Anleger“, sagt Reisenberger. Er kann nicht glauben, dass die Erste ohne neuerliches Geld auskommen wird. Banken, die besser dastehen würden – wie die Deutsche Bank oder die UniCredit - hätten bereits Kapitalerhöhungen durchgeführt.

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Alfred Reisenberger von der Valartis Bank.

Im Aufsichtsrat der Erste Bank Group sitzt seit 2005 auch Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessenverband für Anleger (IVA). „Ein solcher Absturz der Aktie ist ein außergewöhnliches Ereignis und sehr unangenehm, die Konsequenz ist leider, dass die Aktionäre mit keiner Dividende rechnen können“, sagt Rasinger. Er sei im Aufsichtsrat einer von 15 Personen, der Aufsichtsrat könne nur das zur Kenntnis nehmen, was der Vorstand an notwendigen Maßnahmen berichtet.

„In Rumänien hat man aus heutiger Sicht zu teuer zugekauft, Rumänien war in den vergangenen Jahren eine Dauerbaustelle“, kritisiert Rasinger. „Die Erwartungen, die man damals in Rumänien gesetzt hat, haben sich nicht bestätigt.“ Indes schlugen in Ungarn die Belastungen durch die Orban-Regierung auf die Erste durch. „Die Probleme in Rumänien und Ungarn werfen auch einen großen Schatten auf die Arbeit der Erste Bank in den anderen Ländern“, sagt Rasinger. „Die Zukunft sehe ich verhalten positiv. Es musste jetzt unter dem Druck der Notwendigkeiten aufgeräumt werden.“ Nachsatz: „In Österreich haben wir auch ein Problem, das ist die extrem hohe Bankensteuer.“

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Wilhelm Rasinger: Hält vom U-Ausschuss überhaupt nichts.

Banken und andere Großkonzerne aus Österreich müssen in Osteuropa gerade wieder ihre Gewinnziele kassieren. Bis zur Finanzkrise hatten Osttöchter die Bilanzen gepusht. Donnerstag Abend schockte die Erste Group die Anleger mit der Ankündigung, 2014 bis zu 1,6 Mrd. Euro Verlust zu schreiben. Grund: Kreditabschreibungen und Firmenwertberichtigungen in Milliardenhöhe, wieder in Rumänien und Ungarn.

Die der UniCredit gehörende Bank Austria hat den Schnitt schon hinter sich: Sie hat schon in der Bilanz 2013 alle Ostbanken-Firmenwerte auf null abgeschrieben, die im März vorgelegte Bilanz 2013 schloss mit einem Rekordverlust von 1,6 Mrd. Euro. Allein im vierten Quartal bescherten die radikalen Wertberichtigungen der Bank Austria 2,7 Mrd. Euro Miese. Hohe Verluste schrieb die Bank in der Ukraine.

Vor der Krise waren alle Osttöchter der Banken profitabel. Zuletzt kamen die Ostbankengewinne der Österreicher de facto aus zwei bis drei Ländern - aus Tschechien, Russland und der Türkei, wie die Notenbank Ende Mai in ihrem Jahresbericht kritisch vermerkte. Zuletzt hat die Russland-Ukraine-Krise die Finanzwirtschaft zu neuen Korrekturen gezwungen.

Versuche von Raiffeisen und Bank Austria, ihre Ukrainetöchter zu verkaufen, mussten abgeblasen werden. Die Banken sind unverkäuflich. Die Erste ist noch rechtzeitig aus der Ukraine ausgestiegen, nicht ohne davor 300 Millionen Euro abgeschrieben zu haben.

Nicht betroffen waren die Österreicher mit ihren Banktöchtern in Bulgarien, als dort letzte Woche Kriminelle falsche Gerüchte über drohende Pleiten lokaler Großbanken in die Welt gesetzt haben. Sparer flüchteten vielmehr scharenweise zu Auslandsbanken, darunter zu den Österreichern (Raiffeisen, UniCredit Bank Austria).

Bulgarien setzt allerdings anderen Konzernen zu: Ende Juni setzte die Telekom Austria eine Gewinnwarnung ab; sie schreibt 400 Mio. Euro auf ihre bulgarische Tochter Mobiltel (Mtel) ab, was auch unterm Strich für 2014 tiefrote Zahlen bringen wird. Nicht nur das schwache Umfeld in Bulgarien selbst belastet, sondern auch die Ukraine-Krise.

Bulgarien, aber auch Mazedonien, bringen aktuell auch den börsenotierten niederösterreichischen Energieversorger EVN in die rote Zahlen. Statt eines Gewinns wird es auch bei der EVN heuer Verlust geben, das wurde erst diesen Mittwoch angekündigt. Das Betriebsergebnis ist durch Abschreibungen um rund 260 Mio. Euro belastet, der Versorger bereitet größere Firmenwertabschreibungen vor.

Zu den Riesenverlusten der maroden Baumarktkette bauMax von zuletzt fast 200 Mio. Euro hat nicht zuletzt deren massive Ostexpansion beigetragen, bis zum heurigen Jahresende sollen zumindest die größten Verlustbringermärkte in der Türkei, Rumänien, Bulgarien und Kroatien schließen.

Das mit Abstand meiste Geld in den Sand gesetzt hat mit ihrer ruinösen Expansion auf dem Balkan freilich die mittlerweile notverstaatlichte Hypo Alpe Adria. Samt Verlustvortrag schloss die Bilanz 2013 der Krisenbank mit einem Megaverlust von 3,14 Mrd. Euro, allein im Jahr 2013 waren es unterm Strich 2,748 Mrd. Euro Defizit. Die um die größten Lasten schon bereinigten Balkan-Töchter müssen bis Mitte 2015 abgestoßen sein. Die Verluste bleiben beim österreichischen Steuerzahler hängen, die Hypo wird in eine Abbau-Halde umgewandelt. Der Bund versucht gegen internationalen Widerstand Nachranganleihegläubiger an den Abbaukosten beteiligen.

Mittlerweile eine russische Angelegenheit sind die roten Zahlen der "Sberbank Europe" (ehemals Volksbank International). Bei ihrer 2012 von der teilverstaatlichten Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) übernommenen Ostbankengruppe schrieb die Sberbank auch 2013 einen Verlust. Konkret 120 Millionen Euro, nachdem es 2012 schon 326 Mio. Euro gewesen waren. Letztes Jahr musste die russische Großbank fast 480 Mio. Euro an frischem Kapital in ihre neu erworbene Ostbankentochter stecken.

Die Rumänien-Tochter hatten die Russen der ÖVAG nicht abgekauft, diese schwer defizitäre Bank muss von den Österreichern erst verkauft werden. Sie ist in der ÖVAG-Bilanz schon ganz abgeschrieben, allein 2013 belastete die Rumänien-Operation die Bilanz der Wiener Mehrheitseigentümerin ÖVAG aber mit einem Verlust von mehr als 120 Mio. Euro.

Die Vienna Insurance Group hat letztes Jahr in Rumänien 100 Mio. Euro an Wertberichtigungen wegstecken müssen.

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