Milchpreis macht Bauern und Händler sauer

Die Bauern wollen mehr Geld für ihre Milchprodukte, Händler verweisen auf Überkapazitäten und gesunkene Weltmarktpreise
Bauern geben Handel Schuld am Preisverfall. Rewe-Boss Hensel wehrt sich.

Geht es um den Lebensmittelhandel in Österreich, hat Kartellrechtsexperte Meinhard Novak eine klare Position: "Das ist ein Nicht-Markt. Es herrschen keine normalen Marktkräfte", sagt der Wiener Anwalt, der den Bauernbund vertritt. Lieferanten wären den Händlern bei Preisverhandlungen ausgeliefert – schließlich teilen sich Rewe, Spar und Hofer bereits mehr als 80 Prozent des Marktes untereinander auf.

Die Folge sei ein Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten, klagt etwa Bauernbund-Präsident Jakob Auer: "Mit durchschnittlich 30 Cent Erzeugermilchpreis produzieren die Milchbauern auf Verlust. Beim Schweinefleisch ist der Bauernpreis mit 1,30 je Kilo auf einem Siebenjahrestief." Er kündig noch heuer die Errichtung einer Agrarmarkt-Control an, die "mehr Transparenz in die Preisbildung" bringen soll. Wie genau diese aussehen soll, ist offen.

Internationaler Einfluss

Frank Hensel, Chef der Rewe Austria (Billa, Merkur, Adeg, Penny) sieht dieser Agentur gelassen entgegen: "Jeder Versuch, die Marktmechanismen außer Kraft zu setzen, wird auf dem Markt keinen dauerhaften Bestand haben." Der Handelsmanager fühlt sich überhaupt zu Unrecht an den Pranger gestellt. Nicht Händler wie er hätten die Preise in den Keller getrieben, sondern die Nachfragekrise auf den internationalen Märkten. China braucht weniger Milch aus Europa, weil Asien selbst die Produktion hoch fährt, zudem pumpen große Milchproduzenten, etwa aus Neuseeland, Milch in den Weltmarkt und drehen damit die Preisspirale weiter nach unten. Die Molkereien versuchen, überschüssige Milch mit billigen Preisen loszuwerden. Hensel: "Übrigens exportieren auch die österreichischen Molkereien die Hälfte ihre Milchproduktion – und verkaufen sie im Export oft viel billiger als bei uns." Ein Ende der billigen Milch zeichnet sich aus Hensels Sicht noch nicht ab: "Wie es weitergeht, wird von internationalen politischen Entwicklungen abhängen. Zum Teil auch vom Russland-Embargo."

Auch den Vorwurf, dass in Supermärkten Fleisch zu Aktionspreisen verschleudert wird, lässt Hensel nicht auf sich sitzen. "Aktionen sind ein wichtiges Instrument, um Angebotsschwankungen auszugleichen und die Nachfrage anzuschieben", sagt er. Nachsatz: "Würden wir keine Aktionen mehr machen, wären die Landwirtschaftsvertreter die ersten, die aufschreien würden, weil die Absatzmenge sinkt."

Der Fleischkonsum in Österreich ist übrigens rückläufig. Daran ändern auch Aktionsanteile von rund 30 Prozent nichts, bei Schweinefleisch wird schon fast die Hälfte in Aktion verkauft. Das Frischfleisch in den Supermärkten kommt meist aus heimischer Produktion – bei Billa zu 100 Prozent: "Das gibt es in keinem anderen Land der Welt", sagt Hensel. Nachsatz: "Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Produktion gehen übrigens an die Gastronomie und an die Gemeinschaftsverpflegung, aber da fragt keiner nach, woher sie ihre Milch, Eier und das Fleisch beziehen."

Geht die Arbeiterkammer (AK) in regelmäßigen Abständen in Wien und Berlin einkaufen, kommt sie immer zum selben Ergebnis: In Berlin sind Lebensmittel billiger, zumindest, wenn man das billigste Produkt kauft und keine Rücksicht auf Qualitätsunterschiede nimmt. Am Freitag rechnete die AK beispielsweise vor, dass es in Berlin einen Liter Milch um 51 Cent gibt, bei uns das billigste Packerl aber 89 Cent kostet.

„Ist es nicht pervers, wenn ein Liter Milch um 51 Cent verkauft wird?“ fragte daraufhin Bauernbund-Direktor Johannes Abentung. In Österreich wäre dieser Preis „hart an der Einstandspreis-Schwelle und damit möglicherweise kartellrechtlich anfechtbar“, sagt er. Händler erklären gebetsmühlenartig, dass die AK-Preisvergleiche unfair sind, da die in Österreich beliebten Mengen- und Kundenkartenrabatte nicht berücksichtigt werden. Ebenso wenig wie unterschiedliche Logistik- und Personalkosten sowie andere Steuersätze in den Ländern.

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