Mieten in Wien galoppieren davon

Wohnbau in Wien.
Der Unterschied zwischen Altmieten und neuen hat in der Bundeshauptstadt rasant zugenommen.

Glücklich, wer schon lange in einer Wiener Mietwohnung lebt: 3,43 Euro je Quadratmeter zahlen heute noch jene, die zwischen 1981 und 1994 eine best ausgestattete so genannte Kategorie A-Wohnung gemietet haben. Und auch jene, die nach Abschaffung des Kategoriesystems 1994 eine Wohnung mit Richtwertmiete bezogen haben, kommen mit durchschnittlich 5,39 Euro je Quadratmeter noch gut davon.

Wer jetzt aber in eine Wohnung mit Marktmiete ziehen muss, zahlt in Wien 9,2 Euro je Quadratmeter – netto ohne Steuern und Betriebskosten, geht aus dem Wohnhandbuch 2016 hervor. "Tatsächlich sind die Marktmieten seit 2008/09 übermäßig gestiegen", sagt Wohnbau-Experte Wolfgang Amann, Co-Autor des Wohnhandbuchs. Besonders in Wien galoppierten die Neumieten regelrecht davon.

"Neubau-Lücke"

Hauptgrund für die Miet-Explosion ist zu wenig Neubau. 13.000 Baubewilligungen gibt es laut Amann in Wien, 17.000 wären nötig, um den Bedarf einigermaßen zu decken. "Der Neubau ist bei weitem zu gering", sagt der Experte und fordert rasche Maßnahmen.

Am wichtigsten dabei sei es, mehr günstiges Bauland zu bekommen. Die Preise für Grundstücke in Wien seien massiv in die Höhe gegangen. Amann hält einen Ausbau der so genannten Vertragsraumordnung für nötig. Das heißt: Ein Grundeigentümer erhält eine höherwertige Widmung, wenn er einen Teil des Baulands für sozialen Wohnbau günstiger zur Verfügung stellt. Weiters müssten die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden und es müsse ein Baukonzept für das Wiener Umland erstellt werden. Vielen Gemeinden rund um Wien seien zu sehr auf sich selbst konzentriert. Wichtig wäre aber Ideen zu entwickeln, wie zum Beispiel Strasshof städtischer werden könnte. Dazu sei der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ebenso nötig wie die bauliche Verdichtung.

Aber auch wenn das alles nicht geschieht, sieht Amann die Mieten in Wien nicht ungebremst weiter in die Höhe schießen. Der Anstieg habe sich bereits verlangsamt, sagt er. Die Gründe dafür seien noch nicht klar. Immobilienmakler glauben schon einen Grund zu erkennen: Mehr als zehn Euro je Quadratmeter können und wollen sich die Österreicher nicht leisten.

Österreichs Wohnsituation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert: Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person beträgt heute etwa 45 Quadratmeter und hat sich damit seit 1990 um fast 50 Prozent erhöht. Dennoch sind die Emissionen im Gebäudesektor nicht gestiegen.

Ganz im Gegenteil: Es gab seit 1990 einen Rückgang von 41 Prozent. Das sei zwar bemerkenswert, im EU-Vergleich gebe es aber noch Aufholbedarf, meint Wohnbauforscher Wolfgang Amann. Österreich liegt dort zwar knapp über dem Durchschnitt, aber noch weit hinter Ländern wie Schweden, denen es gelungen ist die Treibhauseffekte im Gebäudesektor um ganze 70 Prozent zu reduzieren.

Amann fordert daher noch größere Anstrengungen im Bereich der thermischen Sanierung. "Wir haben noch viele Hausaufgaben zu machen", betont er. Große Potenziale sieht er neben der Sanierung im Wechsel der Energieträger. Immerhin heizen noch 50 Prozent der heimischen Haushalte mit fossilen Brennstoffen.

Nach Amanns Prognosen sollte es den Österreichern gelingen, in den nächsten ein bis zwei Generationen im Gebäudesektor gänzlich emissionsfrei zu werden: "Das ist technisch und wirtschaftlich machbar, sozial zumutbar und ich denke, es führt kein Weg daran vorbei."

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