"Maschinensteuer? Daran denke ich als Letztes"

Faire Chancen wichtiger als Verteilung: Sozialdemokraten haben falschen Fokus, sagt Wolfgang Clement (Ex-SPD).

Im eigenen Land zählt der Prophet nicht viel. In der eigenen Partei noch weniger. Wolfgang Clement war von 2002 bis 2005 als deutscher Wirtschafts- und Arbeitsminister die treibende Kraft hinter umstrittenen, aber wirkungsvollen Reformen (Agenda 2010, "Hartz IV"). Der wirtschaftsfreundliche Kurs – von vielen als unsozial kritisiert – bescherte Deutschland ein Jobwunder. Die Arbeitslosigkeit ist seitdem ständig gesunken, sogar in den Krisenjahren.

Clements Pech: Die Reformen wirkten zu spät. Die Arbeitslosigkeit erreichte 2005 den Höhepunkt, was Gerhard Schröder die Kanzlerschaft kostete. Die Ernte fuhr CDU-Wahlsiegerin Angela Merkel ein: 2006 und 2007 war der "kranke Mann" Deutschland mit Wachstumsraten von fast vier Prozent wieder Europas Konjunkturlokomotive.

Chancengerechtigkeit

"Sozialdemokratisch ist, was Arbeitsplätze schafft, Punkt", sagte Clement am Dienstag in der Wirtschaftskammer in Wien. Er war selbst 2008 Opfer einer Partei-Revolte geworden: Linke Ideologen übten so Rache an den Reformern der Agenda 2010. Clement trat nach 38 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD aus, um dem Ausschluss zuvorzukommen.

Heute bedauert er, dass Europas Sozialdemokraten nach links rücken und verlorenes Vertrauen mit alten Ideen wettmachen wollen. Diese Politik sei ausgereizt. "Ja, die Managergehälter sind völlig aus den Fugen, aber das ist für unser Land nicht entscheidend."

Hingegen sei die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa "völlig inakzeptabel". Statt für mehr Umverteilung zu plädieren sollten sich die Sozialdemokraten einsetzen, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten und Migrantenfamilien faire Chancen erhalten. In Deutschland herrsche zwar nahezu Vollbeschäftigung, trotzdem gebe es eine Million Langzeitarbeitslose, jedes Jahr 50.000 Kinder ohne Schulabschluss und 1,3 Millionen Zwanzig- bis Dreißigjährige ohne abgeschlossene Berufsbildung. Arbeitslosigkeit verhindern statt reparieren, laute die Devise.

Vorrang für Bildung

Clement fordert deshalb frühkindliche Bildung für Drei- bis Sechsjährige, Ganztagsschulen, Klassen mit maximal 20 Kindern, Berufsvorbereitung drei Jahre vor dem Schulabschluss: "Diese Maßnahmen kosten gewaltiges Geld, aber es gibt nichts Wichtigeres."

Die Digitalisierung sieht er als Chance für Europa, weil bei Industrie 4.0 Maschinen wichtiger seien als die IT – also das, worin Österreich und Deutschland gut seien. International würden wir um den hohen Industrieanteil beneidet. "Eine Maschinensteuer wäre deshalb das Letzte, woran ich denke", sagte Clement.

Kommentare