Nur eine Woche bevor die Verträge der beiden Vorstände der Wiener Börse‚ Birgit Kuras und Michael Buhl, auslaufen, hat sich der Aufsichtsrat der Wiener Börse doch auf neue Chefs geeinigt: Christoph Boschan (38), Petr Koblic (45) und Ludwig Nießen (58). Sie "starten im Juni durch", wie eine Sprecherin der Wiener Börse sagte.
Die Bestellung birgt gleich mehrere Überraschungen: Erstens ist das neue Führungsteam eine reine Männer-Partie. Zweitens wurde das Vorstandsgremium erweitert. Das sei notwendig, um den steigenden technischen Anforderungen an den Börsehandel nachzukommen, lautet die Begründung.
Ludwig Nießen, seit 1998 in der Wiener Börse für IT zuständig, wird sich auf diese Aufgabe konzentrieren. In den 1990er-Jahren hat Nießen an der Österreichischen Termin- und Optionenbörse (ÖTOB) gearbeitet. Vor seiner Börsen-Karriere war Nießen Experimentalphysiker, unter anderem am Genfer Forschungszentrum CERN.
Die dritte Überraschung ist wohl die größte: Österreichs Banken haben entgegen den bisherigen Gepflogenheiten keinen Vorstand aus ihren Reihen an die Spitze der Wiener Börse geschickt. Die Banken sind die größten Eigentümer der Börse und haben bisher stets zumindest einen Banker oder eine Bankerin in den Vorstand geschickt. Birgit Kuras leitete vor ihrem Wechsel in die Börse den Bereich Aktien CEE der Raiffeisen Centrobank. Ihr Vorgänger Heinrich Schaller kam von der RaiffeisenlandesbankOberösterreich, deren Chef er 2012 nach seinem Abgang aus der Börse auch wurde.
Aus Stuttgart und Prag
Der neue Börsen-Chef Christoph Boschan ist Deutscher und war im Vorstand der Stuttgarter Börse. Gleichzeitig leitete er den Finanzdienstleister Euwax. Seine Berufslaufbahn startete er 1999 als Wertpapierhändler bei Tradegate.
Der künftige Finanzchef der Wiener Börse, Petr Koblic, war langjähriger Vorstand der Prager Börse. Seit 2012 war er auch schon Vorstandsmitglied der Börsenholding CEESEG, deren Töchter die Wiener und die Prager Börse sind. Dass zwei Herren, die nicht aus dem Netzwerk der heimischen Banken stammen, die Wiener Börse führen werden, begründet man in heimischen Finanzkreisen so: Die Politik interessiere sich ohnehin nicht für den heimischen Kapitalmarkt, daher brauche der Vorstand auch keine politische Vernetzung. Und es gehe künftig auch nicht darum, Banken-Interessen in der Börse zu vertreten. Die Börse soll sich auf ihre Aufgabe, die Finanzierung von Unternehmen, konzentrieren.
Einen Wechsel wird es demnächst auch an der Spitze des Börsen-Aufsichtsrats geben: Willibald Cernko, Ex-Chef der Bank Austria, wird sein Amt bei der Hauptversammlung am 14. Juni an Bank-Austria-Vorstand Dieter Hengl übergeben.
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