Buchstabensuppe nach Brüsseler Art

Buchstabensuppe nach Brüsseler Art
Ab 13. Dezember gelten für Lebensmittelhersteller und Wirte neue Regeln. Unter anderem müssen sie auf 14 allergene Stoffe hinweisen.

Dass im Müsliriegel Hafer, Weizen und Haselnüsse stecken, muss ab 13. Dezember auf der Packung besonders hervorgehoben werden. In fetten Lettern, Großbuchstaben oder beidem. Hintergrund ist die EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Mit ihr will Brüssel dafür sorgen, dass Konsumenten besser informiert sind. Etwa über Zutaten, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen.

Bei den Unternehmen hat die Verordnung zunächst einmal Kosten verursacht. "Unterm Strich haben die neuen Etiketten der österreichischen Lebensmittelindustrie mehr als 80 Millionen Euro gekostet", rechnet Katharina Koßdorff vom Branchenverband der Lebensmittelindustrie vor. "Kaum eine Branche ist so reguliert wie wir. Mit dieser Verordnung ist der Plafond erreicht."

Hunderte neue Etiketten

Je mehr Artikel, desto teurer die Umstellung. "Wir haben für 800 Artikel die Etiketten umgestellt, das hat zwischen 300.000 und 500.000 Euro gekostet", sagt etwa Alfred Berger, Vorstand der Molkerei nöm. Zudem sei ein Grafiker ein Dreivierteljahr mit den neuen Etiketten beschäftigt gewesen.

Betroffen sind auch Hersteller, die in Sachen Allergene eher unverdächtig sind. Wie der Mineralwasserabfüller Vöslauer, der 70.000 Euro in neue Etiketten gesteckt hat. Vorstand Alfred Hudler: "Wir haben bisher nur die Postleitzahl aufs Etikett gedruckt, jetzt ist vorgeschrieben, dass auch die Straße angeführt werden muss."

Die neuen Regeln gelten auch für unverpackte Ware – wie Wurst und Käse in der Feinkosttheke. Hier sollen die Händler künftig auf Knopfdruck alle Informationen zur Verfügung stellen. Spar-Sprecherin Nicole Berkmann: "Das wird über die Waage funktionieren – die Artikeldaten werden dort im Hintergrund gespeichert."

Hinter den Kulissen hat die LMIV noch einen anderen Streit losgetreten. Den über die sogenannte Digitalisierung von Artikeldaten. Händler, die Webshops betreiben, müssen potenziellen Kunden künftig vor dem Kauf alle Artikeldaten zur Verfügung stellen. Noch ist das Onlinegeschäft im Lebensmittelhandel zwar vernachlässigbar, aber die Händler scharren in den Startlöchern. Schließlich gilt das Web als einziges verbliebenes Wachstumsfeld. Supermärkte haben Lieferanten daher schon vor Monaten aufgefordert, ihre Artikel-Daten in entsprechende Datenbanken einzutragen.

Pro Artikel gehe es um mindestens 50 Angaben – von der Nährwerttabelle bis zur Verpackungsgröße, ärgert sich ein Hersteller. Die Händler sollen diese Daten gefälligst selbst eingeben, schimpft er. Allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Er wolle es sich ja schließlich nicht mit einer der großen Handelsketten – Hofer, Spar und Rewe teilen sich 85 Prozent des Marktes untereinander auf – verscherzen. Industrie-Vertreterin Koßdorff sieht übrigens aus der LMIV "keine pauschale Pflicht der Hersteller, die Daten in die Systeme der Händler einzuspeisen". Säumig sind nicht die großen Konzerne, sondern kleine, regionale Lieferanten – wie Bäckereien oder Konditoreien – die mit der Bürokratie schlicht überfordert sind, heißt es.

Ob es ratsam ist, die Daten nicht zu liefern, steht auf einem anderen Blatt. "Dann wird man auch nicht im Webshop vorkommen", sagt ein Insider. Er gibt zu bedenken, dass Händler immer mehr Umsatz mit eigenen Marken machen, deren Daten sie abrufbereit und damit fixfertig für den Webshop haben.

Ob Konsumenten durch die LMIV besser informiert sind, bleibt abzuwarten. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. So hat die Behörde vorgeschrieben, dass die Schrift bei gewissen Angaben künftig mindestens 1,2 Millimeter hoch sein muss. Deswegen sind die Buchstaben nun oft höher, aber auch schmäler, was sie noch schwerer lesbar macht, ätzen Branchenkenner.

Den Wiener Marmeladekönig Hans Staud regt das nicht mehr auf. Die Umstellung sei zwar aufwendig gewesen, "aber jetzt haben wir wieder ein paar Jahre Ruh’. Dann kommt was Neues."

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine Liste potenziell allergener Stoffe erarbeitet (Allergenverzeichnis). Die Liste ist alphabetisch und steht auch für alle aus den allergenen Stoffen gewonnenen Erzeugnisse. Dabei steht A steht für glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut), B für Krebstiere, C für Eier, D für Fische, E für Erdnüsse, F für Sojabohnen. G bedeutet Milch von Kuh, Schaf, Ziege, Pferd und Esel (einschließlich Laktose). H steht für Schalenfrüchte (Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Kaschunüsse, Pecannüsse, Pistazien, Macadamianüsse). L bedeutet Sellerie, M ist Senf. N wiederum verweist auf Sesamsamen, O auf Schwefeldioxid und Sulfite in Konzentrationen von mehr als 10 mg/kg oder 10 mg/l. Sulfite kommen in Wein, Trockenobst und Kartoffelprodukten vor. P steht für Lupine (Bohnen, Linsen, Erdnüsse). Den Abschluss bildet R und verweist auf Weichtiere, z. B. Muscheln, Austern, Schnecken.

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