Lebensmittel sind so sicher wie noch nie

Lebensmittel sind so sicher wie noch nie
Ernährung: Warum Gentech-Ängste übertrieben sind, "Superfood" niemand braucht und Fleisch wertvoll ist.

Wie gesundheitsschädlich ist unser Essen? Fast könnte man meinen, dass wir lebensmitteltechnisch in der gefährlichsten Phase aller Zeiten leben: Überall lauern Chemie, Hormone, Vitamin- und Spurenelementemangel, oder?

Wahr ist allerdings, dass man sich noch nie so gut ernähren konnte wie jetzt. Das hat vor einem Monat wieder der österreichische Lebensmittelsicherheitsbericht gezeigt: Von 24.255 ausgewerteten Lebensmittelproben waren 83,4 Prozent einwandfrei. Als gesundheitsschädlich wurden nur 0,3 Prozent eingestuft – Tendenz weiter sinkend. Nummer eins sind Hygienemängel.

Modekrankheiten

Das war noch vor einigen Jahrzehnten ganz anders, als Mangelernährung, Schimmelpilz und Mutterkorn die Menschen dahinrafften. Mittlerweile überschätzen wir die technischen und unterschätzen die natürlichen Gefahren, die im Essen lauern. Auch die Modekrankheit Lebensmittel- Unverträglichkeit muss relativiert werden: An echter Zöliakie, also einer Glutenunverträglichkeit, leiden lediglich ein Prozent der Menschen in Europa (Tendenz steigend), obwohl 30 Prozent glauben, daran zu laborieren. Für den Lebensmittelhandel ist das ein guter und stetig wachsender Wirtschaftszweig: Die Handelsregale mit Spezialnahrungsmitteln wachsen seit Jahren.

Veganes Essen liegt derzeit im Trend bei der kaufkräftigen Oberschicht – sowie "Superfood" wie Chiasamen oder Goji-Beeren. Im Zweifel sind heimische Karotten & Äpfel aber gesünder. So hat das Verbraucherschutzmagazin Konsument kürzlich auf hohe Pestizidbelastungen bei chinesischen Goji-Beeren hingewiesen. Umgekehrt sinkt die Pestizid-Belastung bei heimischem Obst und Gemüse stetig: aufgrund neuer Technologien in der Agrarpraxis, aber auch aufgrund von Pestizidreduktionsprogrammen der Handelsketten. Good news – die selten erwähnt werden. Noch 2008 beanstandete die Agentur für Ernährungssicherheit AGES 8,8 Prozent der Obst- und Gemüseproben wegen zu hoher Pestizidbelastung. Im Vorjahr waren es nur noch 0,7 Prozent.

Lebensmittel sind so sicher wie noch nie

Auch für das dumpfe Gefühl, dass das Essen insgesamt "wertloser" geworden ist, gibt es keinen Beweis. Ein flächendeckender Vitaminmangel ist eine Mär: Alle Studien zeigen, dass Vitaminpillen in erster Linie den Herstellern nutzen. Nur wenige Menschen brauchen tatsächlich eine künstliche Vitaminzufuhr. Eine halbwegs ausgewogene Ernährung reicht völlig.

Und darin liegt auch die Krux des modernen Essens. Wir leben im Überfluss. Während weltweit der Hunger Gott sei Dank weniger wird, steigt die Zahl der an Übergewicht bis Fettleibigkeit Leidenden auch hierzulande stark an. Übermäßige Kalorienzufuhr ist daher eines der wahren großen Ernährungsrisiken. Als besonders böse Dickmacher gelten zuckerhaltige Limonaden – immer wieder werden hohe Steuern dafür diskutiert, in Großbritannien sollen sie nun eingeführt werden. Die Alternative zur Limonade ist simpel. Wasser! Dass es in Österreich trinkfertig aus der Wasserleitung rinnt, ist ein Luxus, um den uns andere Länder beneiden.

Eine Frage der Menge

Trotz höchster Lebensmittelstandards geraten immer wieder Lebensmittel in Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Aber auch hier ist es eigentlich immer eine Frage der Menge. Siehe die Wurst. Voriges Jahr machte die Weltgesundheitsorganisation WHO darauf aufmerksam, dass ein geringerer Verzehr von verarbeitetem Fleisch das Darmkrebsrisiko senken könnte. Eine willkommene Meldung für die steigende Zahl der Fleischskeptiker. Das sei keine Aufforderung zum völligen Verzicht auf Wurst, relativierte die WHO später. Und: Auch eher Harmloses wie das Kaminfeuer befindet sich in derselben Kategorie, ohne groß verteufelt zu werden. Krebserreger Nummer eins ist und bleibt das Rauchen.

Vor Hormonen im Fleisch muss man sich hierzulande ebenfalls nicht fürchten. Europaweit gilt ein Verkaufsverbot für Fleisch von Tieren, die mit Wachstumshormonen behandelt sind. Im Vorjahr hat die AGES aus 3900 untersuchten Fleischproben nur fünf Mal Rückstände von Tierarzneimittel und Hormonen gefunden, die die Grenzwerte überschritten haben bzw. hierzulande verboten sind.

Selbst die Ansicht, dass rotes Fleisch ungesünder ist als weißes, gilt schon lange nicht mehr als gesichert. Potenzielle Keime werden eher auf Geflügel gefunden. Daher ist Hygiene beim Kochen die wichtigste Regel gegen Gesundheitsgefahren. Die österreichischen Ernährungsempfehlungen sagen: Nur drei Mal die Woche fettarmes Fleisch.

Bio-Europameister

Auf Fleischqualität könnten die Österreicher aber ruhig mehr achten – beim Fleisch zählt für sie meist nur der Preis, auch bio ist hier kaum ein Thema. Obwohl wir uns sogar rühmen dürfen, Bio-Europameister zu sein: Nirgendwo ist der Anteil der Anbauflächen für Biolebensmittel höher. Mittlerweile kauft fast jeder Haushalt Bioprodukte – vor allem Eier müssen "bio" sein. Seit 2011 sind die Ausgaben eines österreichischen Haushalts laut Agrarmarkt Austria (AMA ) für Biolebensmittel um 29 Prozent gestiegen.

Apropos Geld: Noch 1954 gab ein österreichischer Haushalt fast 45 Prozent seines Budgets für Lebensmittel aus. Mittlerweile sind es nur noch zehn Prozent. Wenn das keine gute Nachricht ist!

Wobei man noch sparen könnte – denn vieles wird weggeworfen, obwohl es noch genießbar wäre. "Sinne und Verstand einschalten", rät Ingrid Kiefer, Ernährungswissenschafterin und Leiterin der Risikokommunikation der AGES: Mit Riechen und Schmecken könne man Verdorbenes von Genießbarem leicht unterscheiden.

Essensängstlichen nimmt sie jedenfalls den Wind aus den Segeln: "Lebensmittel in Österreich sind so sicher wie nie zuvor. Dafür sorgen hohe Qualitätsstandards und ein dicht geknüpftes Netz von Kontrollen, das bei den Erzeugern beginnt und bei EU-weiten Überwachungsprogrammen endet."

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