Kredite: Ohne Bank geht's - doch nicht

Christoph Samwer (30) ist der Cousin der Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer (Zalando, Rocket Internet)
Der Online-Kreditvermittler ist in Österreich seit April aktiv. Ein Start mit Hürden.

Der Werbespot ist pure Provokation: Eine Bowling-Kugel rollt durchs Büro und zerteppert Champagnerflaschen. Was eine Bank halt so anstellt mit dem Geld ihrer Kunden, suggeriert die TV-Stimme. Der aggressive Spot stammt von der Online-Kreditplattform Lendico.

Deren Geschäftsführer tritt ganz anders auf: höflich, smart, abwägend. „Unsere Konkurrenz sind traditionelle Banken, die teure Filialen unterhalten“, sagt Christoph Samwer am Rande der Gewinn-Messe zum KURIER. „Das haben wir nicht. Wir bieten ein simples Produkt. Eigentlich das alte genossenschaftliche Modell, dass viele Menschen gemeinsam Geld verleihen.“ Diese Anlageidee wolle man nun zu einem „globalen Standard“ erheben. Klingt gut. Wie auch der Slogan, der im Umfeld von Sportübertragungen des Bezahlsenders Sky läuft: „Geld braucht keine Bank“.

Es stimmt nur nicht ganz. Lendico braucht in Österreich nur deshalb keine Banklizenz, weil alle wesentlichen Aktivitäten ohnehin über ein Geldinstitut (die deutsche Wirecard Bank ) laufen. Die Aufgabe Lendicos ist nur, die Geldgeber und Kreditnehmer für die Bank zu vermitteln und zu betreuen.

Zögerlicher Start

Seit April 2014 ist die Internetplattform in Österreich aktiv. Der Start war zögerlich, räumt Samwer ein: „Stimmt, das war am Anfang so.“ Den Grund sieht er darin, dass frühere Anläufe für Kredite von Mensch zu Mensch („Peer-to-peer-Lending“) in Österreich rasch mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Etwa die Plattform bankless-life, die von der Finanzmarktaufsicht (FMA) abgedreht wurde. „Das macht auch für uns den Eintritt schwer, weil es viele Bedenkenträger gibt“, sagt Samwer. Deshalb sei man aktiv auf die FMA zugegangen und habe im Juni grünes Licht erhalten.

Eine Prüfung, Billigung oder gar Zertifizierung war das freilich nicht, betont die Aufsichtsbehörde. Aber: „So, wie es uns vorgelegt wurde, gerät das Modell nicht in Konflikt mit der Gesetzeslage“, sagt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik.

Nicht im AK-Kreditvergleich

Ein weitere Hürde sieht Samwer darin, dass die Arbeiterkammer Wien Lendico nicht in den Banken-Vergleichsrechner aufnehmen will. „Eine Kreditvermittlung passt nicht in die Systematik“, erklärt AK-Wien-Experte Christian Prantner. Er sieht „keinen großen Mehrwert“ zu den Konsumkrediten der Banken. Derzeit ist das Lendico-Angebot in Österreich obendrein noch recht überschaubar: Elf Personen suchen aktuell Geldgeber. Wie viele Kredite bisher zustande gekommen sind, sagt Samwer nicht. Es seien „sehr viele“.

Neben Deutschland, wo der Startschuss im Dezember 2013 fiel, ist Lendico in den Niederlanden, Polen, Spanien und Südafrika aktiv. Und die rasche Expansion geht weiter. Bis Jahresende sollen österreichische Investoren grenzüberschreitend Geld herborgen können – etwa an Spanier oder Südafrikaner.

Trotz des zähen Anlaufens sollten Banken die Konkurrenz ernst nehmen. Das Modell ist in den USA gut etabliert („Lending Club“). Und Lendico hat Geld: Es gehört zum Universum der seit kurzem börsenotierten Start-up-Schmiede Rocket Internet.

So funktionieren die Kredite von privat zu privat: Kreditnehmerin #551919327 (70 Jahre, geschieden) braucht 5000 Euro (Laufzeit zwei Jahre), um ihre Zähne zu sanieren. Die Bonität ist mit Risikoklasse A bestens, bestätigt die Überprüfung durch den Lendico-Algorithmus und den italienischen Wirtschaftsinformationsdienstleister CRIF. Der Zinssatz beträgt in diesem Fall 3,38 Prozent. Ein anderer Fall: Die 24-jährige Kreditnehmerin #456123931 will mit ihrer Schwester eine Genossenschaftswohnung mieten. Sie will die maximale Kreditsumme von 25.000 Euro voll ausschöpfen (Laufzeit fünf Jahre), ihr Risikoprofil ist mit Klasse E allerdings schlecht, weshalb ein Zinssatz von 10,68 Prozent fällig wird.

Finanzieren sollen die Kredite viele Kleinanleger, die ab 25 Euro investieren. Rechtlich sind sie Unterbeteiligte an der Forderung der Wirecard Bank gegenüber der Kreditnehmerin. Das Modell ist für die Anleger, die Bank spielen wollen, riskant: Schlimmstenfalls ist auch ein Totalausfall möglich, eine Einlagensicherung greift hier nicht. Deshalb sollen Anleger auch möglichst breit in unterschiedliche Projekte investieren, empfiehlt Lendico.

Die Plattform kassiert einmalig 0,75 bis 4 Prozent vom Kreditnehmer und mit jeder Rückzahlungsrate 1,0 Prozent vom Anleger. Die Wirecard Bank erhält im Gegenzug von Lendico eine Servicegebühr.

Kredite: Ohne Bank geht's - doch nicht
Christoph Samwer
Lendico-Geschäftsführer Christoph Samwer (30) im KURIER-Gespräch über:

Regulierung: "Als kleines Startup streben wir aktiv nach Regulierung. Wir wollen eine neue Anlageklasse schaffen und uns ist bewusst, dass die Hürden mit dem Volumen zunehmen werden. Deshalb bewerben wir uns um eine internationale Kreditmarktlizenz."

Das zögerliche Anlaufen in Österreich: "Stimmt, das war am Anfang so. Peer-to-peer-Lending hatte in Österreich 2009 einen sehr holprigen Start. Das macht auch für uns den Eintritt schwer, weil es viele Bedenkenträger gibt. Ein Beispiel: Die Arbeiterkammer Wien will uns nicht in den Kreditrechner aufnehmen, weil sie dabei eine sehr vorsichtige und konservative Strategie verfolgt. Wir können aber das Schreiben der Finanzmarktaufsicht vorweisen, dass wir die hohen regulatorischen Anforderungen erfüllen."

Zahlen zu Österreich: "Ja, es sind in Österreich seit dem Start im April schon Finanzierungen zustande gekommen, sehr viele. Konkrete Zahlen geben wir für kein Land heraus, auch nicht in Deutschland. Aber das Angebot wird sehr gut angenommen, insbesondere von Kreditnehmern."

Das internationale Geschäft: "Global wurden bisher 450 Millionen Euro an Kreditanfragen an uns gerichtet. Davon schaffen es aber nur rund 10 Prozent auf die Plattform, weil wir eine rigide Risikoprüfung vornehmen. Insgesamt sind bereits 9500 Kreditprojekte über unsere Plattform gelaufen. Die durchschnittliche Kredithöhe ist 8000 Euro, das Investment pro Kredit beträgt im Schnitt 100 Euro bzw. pro Anleger zwischen 3000 und 4000 Euro. Gute Projekte sind sehr rasch ausfinanziert Die Anleger lieben kleine Projekte mit kurzen Laufzeiten, Kreditnehmer bevorzugen natürlich höhere Beträge und lange Laufzeiten. Nach vier Tagen ist ein Projekt im Durchschnitt ausfinanziert."

Die Zielgruppe: "Wir ziehen nicht den Aktienzocker an, sondern wollen den Durchschnittsmenschen ansprechen, den Sparer, der Rendite erzielen will. Später wollen wir auch institutionellen Investoren ermöglichen, in die Anlageklasse einzusteigen. Der Vorteil: Das Produkt ist einfach zu verstehen, keine Anleihe, kein Zertifikat, sondern es wird eins zu eins Geld verborgt, von privat zu privat."

Die Verträge: "Der Kreditvertrag kommt ausschließlich mit der Bank Wirecard zustande. Wir übernehmen als Kreditvermittler den Kundenkontakt. Dabei sind wir sehr flexibel: Eine vorzeitige Rückzahlung ist jederzeit möglich. Bei Zahlungverzug kontaktieren wir den Kreditnehmer, versuchen eine Lösung zu finden. Nach 90 Tagen übergeben wir das Forderungsmanagement an einen Inkassopartner."

Die Mitbewerber: "Unsere Konkurrenz sind traditionelle Banken, die ein teures Filialnetzwerk unterhalten. Das haben wir nicht, sondern bieten ein simples Produkt. Eigentlich das alte genossenschaftliche Modell, dass viele Menschen gemeinsam Geld verleihen. Das wollen wir auf einen globalen Standard heben."

Die Expansion: "In Europa wollen wir rasch weiter expandieren, in Afrika sind wir schon tätig. Mittelfristig stehen Lateinamerika und Asien auf der Agenda. Unser Ziel ist, P2P-Lending global zu ermöglichen: Ein österreichischer Anleger soll in spanische Kreditnehmer investieren können, ein südafrikanischer Anleger in Österreich. Momentan ist das noch nicht möglich, aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, schauen mit unseren Anwälten den Verbraucherschutz und die Regulierung genau an. Bis Jahresende soll es möglich sein, über zum Beispiel Lendico.at grenzüberschreitend zu investieren. Das Ziel ist, langsam aber konstant mit der Qualität der Kreditnehmer zu wachsen und Vertrauen aufzubauen."

Die Ausfallsrisiken: "Ja, das Investment ist mit Risiken verbunden, ein Projekt kann ausfallen. Deshalb wollen wir, dass die Leute stark diversifizieren. Der Einstieg ist mit 25 Euro bewusst tief angesetzt. Ein Investor in Deutschland wollte 3000 Euro auf ein Projekt setzen. Wir haben ihn kontaktiert und geraten, das Geld lieber auf 120 Projekte zu verteilen."

Gebühren: "Wir berechnen dem Kreditnehmer eine einmalige Vermittlungsgebühr zwischen 0,75 und 4 Prozent je nach Laufzeit und Risikoklasse. Zusätzlich erhalten wir 1 Prozent von jeder Rückzahlung, damit haben wir so wie der Anleger ein Interesse, dass die Kredite zurückgezahlt werden."

Kredite: Ohne Bank geht's - doch nicht
Ein aktuell erfolgreiches Beispiel für Crowdfunding ist die Finanzierung des Kinofilms „Stromberg“ mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle. Die Produzenten der gleichnamigen erfolgreichen Pro Sieben-Serie über einen äußerst gewöhnungsbedürftigen Abteilungsleiter in einer Versicherung riefen Ende 2011 die Fans dazu auf, das Projekt mitzufinanzieren. Binnen dreier Monate wollten sie eine Million Euro lukrieren. Die Summe hatten sie bereits nach einer Woche zusammen.

Die mehr als 3000 Klein-Anleger, die mindestens 50 Euro investierten, wurden an den Verkaufserlösen der Kino-Eintrittskarten beteiligt. "Stromberg - der Film" lief im Februar 2014 an und wurde nach Angaben der Produktionsfirma Brainpool auch in der Schweiz, Österreich, Luxemburg und Belgien gezeigt. Insgesamt hatte er in den ersten sechs Monaten 1,339 Millionen Zuschauer. In Deutschland führte er zeitweise die Kinocharts an.

Nun teilte Brainpool mit, dass den Investoren ihr erster Gewinn ausgezahlt werde. Der Gewinn auf das vor knapp drei Jahren investierte Kapital liegt bei insgesamt 169.607 Euro, was etwa einer Rendite von rund 17 Prozent entspricht. Die Anteilseigner würden auch weiterhin an dem Film verdienen, erklärte die Produktionsfirma. Der nächste Abrechnungsstichtag sei Ende Februar 2015. (klee)

Kommentare