Nach Rückzug bei Unilever: Startet Kraft neuen Vorstoß?

Hinter Kraft stehen der Milliardär Warren Buffett mit seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway sowie der Finanzinvestor 3G Capital.

Der US-Ketchup-Hersteller Kraft Heinz hat sein 143 Milliarden Dollar (134,3 Milliarden Euro) schweres Angebot für den Konsumgüterhersteller Unilever überraschend zurückgezogen. Kraft begründete den Schritt am Sonntagabend mit dem Widerstand des Rivalen: "Wir wollten auf freundschaftlicher Basis vorankommen, aber Unilever hat klargemacht, dass sie keine Übernahme wollen", sagte Kraft-Sprecher Michael Mullen.

Nach der geplatzten Megaübernahme von Unilever durch Kraft Heinz herrscht in der Lebensmittel- und Konsumgüterbranche gespannte Erwartung. Experten fragen sich, ob der von den Investoren Warren Buffett und 3G Capital gestützte US-Ketchuphersteller statt des abgeblasenen Deals im Volumen von 143 Milliarden Dollar nun ein neues Ziel ins Auge fasst.

Wohin wird sich Kraft wenden?

Der Vorstoß von Kraft bei Unilever untermauere das Interesse und die Kapazitäten des Konzerns, große Zukäufe zu stemmen, erklärte Analyst Andrew Lazar von der Barclays-Bank. "Und das womöglich in kurzfristiger Perspektive." Sein Kollege Ali Dibadj von Geldhaus Sanford Bernstein nannte Colgate-Palmolive als mögliches Übernahmeziel. Das Offert für Unilever zeige Krafts Bereitschaft zu bedeutenden Transaktionen jenseits des Stammgeschäfts mit Nahrungsmitteln. Die Analysten von Societe Generale erklärten, auch Unilever könnte nun einen strategischen Zukauf ins Auge fassen, um die eigene Unabhängigkeit zu sichern - etwa ebenfalls mit dem Kauf des US-Konzerns Colgate.

Halbes Jahr Pause

Martin Deboo von der Investmentbank Jefferies warf die Frage auf, ob manche oder alle Lebensmittel-Marken von Unilever bei Kraft nicht doch gut aufgehoben sein könnten. Nach britischem Übernahmerecht darf Kraft aber erst wieder in sechs Monaten mit Unilever Fusionsgespräche führen. In Bankenkreisen hieß es, auch Spekulationen über einen Kraft-Vorstoß bei Mondelez ("Milka", "Tuc") würden nun neue Nahrung erhalten. Michael Hewson von Online-Broker CMC Markets konstatierte, jedenfalls werde die Lebensmittelbranche als Sektor im Blickpunkt bleiben, in dem weitere Fusionen möglich seien.

Ein Zusammenschluss von Kraft und Unilever wäre die größte Übernahme eines britischen Unternehmens aller Zeiten gewesen. Er hätte Marken wie Philadelphia-Frischkäse, Weight Watchers, Knorr, Lipton und Dove unter einem Dach vereint. Entstanden wäre ein Konzern mit einem Umsatz von gut 82 Milliarden Dollar, der nahe an den Weltmarktführer Nestlé aus der Schweiz mit 89 Milliarden Dollar herangerückt wäre.

Brüske Absage

Doch das Vorhaben scheiterte ebenso schnell wie es bekannt wurde. "Unsere Absicht war ein Vorgehen auf freundschaftlicher Basis", erklärte ein Kraft-Sprecher. "Aber es wurde klar, dass Unilever keine Transaktion anstrebte." Kraft sah sich am Freitag gezwungen, die Pläne öffentlich zu machen, nachdem an den Börsen entsprechende Gerüchte zirkulierten. Die postwendende brüske Absage des britisch-niederländischen Konzerns überraschte das Kraft-Management, wie eine mit der Sache vertraute Person sagte. Kraft habe dann das Offert zurückgezogen, da die anschließenden Verhandlungen mit Unilever zu schwierig geworden wären.

Insidern zufolge fürchtete Unilever, die Geschäftsmodelle beider Konzerne könnten nicht zusammenpassen. Außerdem wurde mit heftigem Widerstand aus Politik und Gewerkschaften gerechnet. Die britische Premierministerin Theresa May hatte unter dem Eindruck des Brexit-Votums strenge Prüfungen für Pläne ausländischer Firmen angekündigt, heimische Unternehmen kaufen zu wollen. In dem Zusammenhang hatte sie die Übernahme der britischen Cadbury durch Kraft im Jahr 2010 als einen Deal bezeichnet, der besser untersagt worden wäre. Ein Sprecher Mays erklärte allerdings am Montag, ihr Büro habe bei Krafts Rückzug-Entscheidung die Finger nicht im Spiel gehabt. Hinzu kommt, dass in den Niederlanden, deren Regierungschef Mark Rutte früher selbst für Unilever arbeitete, im März Wahlen anstehen.

Problematischer Finanzinvestor

Heikel war für Unilever laut Insidern vor allem die Beteiligung des brasilianischen Finanzinvestors 3G, der nach Buffetts Gesellschaft Berkshire Hathaway zweitgrößter Aktionär von Kraft Heinz ist. Der Konzern war 2015 aus dem Philadelphia-Produzenten Kraft und dem Ketchuphersteller Heinz geschmiedet worden. 3G ist bekannt dafür, den übernommenen Firmen hohe Schulden aufzubürden und dann von ihnen drastische Einsparungen zu verlangen, um möglichst viel Profit aus dem Investment herauszupressen. Die Unilever-Führung habe daher den Wert der eigenen Marken und die geplante kostenaufwendige Expansion in Schwellenländern in Gefahr gesehen, sagten Personen, die mit den Überlegungen vertraut sind.

Am Londoner Aktienmarkt wurden Unilever-Papiere aus den Depots geworfen. Der Kurs fiel um sieben Prozent, nachdem er am Freitag in Erwartung eines Deals noch 13 Prozent gestiegen war. In ihrem Sog gaben in Frankfurt gegen den positiven Markttrend Henkel ein Prozent und Beiersdorf zwei Prozent nach. Kraft verloren in Frankfurt 2,5 Prozent. An der Wall Street hatten sie am Freitag elf Prozent zugelegt.

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