Kompromiss im Atom-Streit

Kompromiss im Atom-Streit
Energieminister Mitterlehner lenkt ein: Das von NGOs geforderte Atomstrom-Importverbot kommt zwar nicht, dafür aber eine lückenlose Stromkennzeichnung.

Totgesagte leben ja bekanntlich länger. Nach der Katastrophe in Fukushima und dem kurz danach beschlossenen Kernenergie-Ausstieg in Deutschland, hing die Atom-Branche in den Seilen. Ein Jahr später kann von einem sterbenden Wirtschaftszweig aber wohl keine Rede mehr sein. Nicht nur China forciert seine kurzfristig auf Eis gelegten AKW-Ausbaupläne mit neuem Elan.

Auch in Europa werden neue Projekte angekündigt. So wurde Mitte dieser Woche bekannt, dass die bulgarische Regierung den Ausbau des Kernkraftwerks in Kosloduj beschlossen hat. Zudem gab Tschechiens Industrieminister Ende März unverhohlen zu, dass sein Land den Anteil von Atomenergie an der Stromproduktion von 30 auf mehr als 50 Prozent erhöhen werde.

Genau diesen Ausbauplänen wollen heimische Umweltorganisationen (NGO) mit einem Atomstrom-Importverbot den finanziellen Boden entziehen. Wenn ein Land wie Österreich den Abnahmestopp von Atomstrom ankündigt, dann werden Investoren nervös, lautet die Argumentation.

Energiegipfel

Ein komplettes Importverbot wird allerdings wohl auch am bereits dritten heimischen Atomgipfel, der am Montag zu Mittag im Bundeskanzleramt stattfindet, nicht beschlossen werden.

Das widerspreche geltendem EU-Recht (freier Warenverkehr), heißt es nach wie vor aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium. Ressortchef Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will in diesem Zusammenhang kein EU-Vertragsverletzungsverfahren riskieren.

Der Energieminister glaubt aber an eine Kompromisslösung am Gipfel. "Wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, wir werden uns einig", sagte er zum KURIER. Kein Importverbot, aber eine lückenlose Stromkennzeichnung stellt Mitterlehner in Aussicht.

Die E-Wirtschaft solle sich freiwillig verpflichten, den Endkunden zu 100 Prozent zertifizierten Strom zu liefern.

Mit diesem Kompromiss könnten sich die NGOs in einem ersten Schritt tatsächlich zufrieden geben. Genau diese Stromkennzeichnung ist ja eine konkrete Forderung ihrerseits. Denn der heimische Atomstrom ist in sogenanntem "Graustrom" unbekannter Herkunft versteckt, der über Börsen gehandelt wird. Aus diesem Graustrom ergibt sich rein rechnerisch ein Atomstrom-Anteil in Österreich von rund vier Prozent.

Verbot

Aufgeben werden die NGOs ihr Ansinnen nach einem kompletten Atomstrom-Importverbot aber nicht. So ein Verbot sei im EU-Recht nämlich noch nicht ausjudiziert, sagt Global 2000-Atomexperte Reinhard Uhrig. "Wir sehen dafür ein Window of Opportunity." Was es brauche, sei der politische Wille. Österreich habe ja auch bereits in der Vergangenheit bei heiklen EU-Themen wie Gentechnik oder Brennermaut Mut bewiesen. "Warum dann beim Atomstrom nicht?"

Die NGOs würden ja auch keine über das Ziel hinausschießenden Forderungen verfolgen. "Wir sagen ja nicht: Atomstrom-Importverbot ab 1. Jänner 2013", konstatiert Uhrig. Aber entsprechende gesetzliche Schritte sollten jetzt gesetzt werden, damit das Verbot "in einigen Jahren" in Kraft treten könne.

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