Eine tiefsitzende Zukunftsangst

Eine tiefsitzende Zukunftsangst
Praktikantin Valerie Pechhacker, Jahrgang 1993, über das große Problem ihrer Generation: "Wir fragen uns ernsthaft, wie wir jemals Geld verdienen sollen".

Sommer 2016. Vor einem Monat habe ich mein Bachelorstudium in Geschichte abgeschlossen. Nun sitze ich im Zuge eines Praktikums 40 Stunden pro Woche in einem unterkühlten Großraumbüro. Dafür bekomme ich 300 Euro im Monat. Um mir Wohnen, Essen, Öffi-Ticket etc. leisten zu können, stehe ich nach meiner Fünf-Tage-Woche am Samstag in einem Geschäft und verkaufe Deko-Artikel. Schon klar, es könnte mir viel schlechter gehen. Ich könnte in einem Kriegsgebiet aufgewachsen sein, oder schon als Kind verheiratet worden sein. Wenn wir ehrlich sind: Hier in Österreich ist es doch meistens Jammern auf hohem Niveau. Aber nichtsdestotrotz darf man diese tiefsitzende Angst vor der Zukunft, diese immer wieder aufkommende Frage: "Finde ich je einen Job der mich glücklich macht und von dem ich leben kann?" nicht ignorieren oder als lächerlich abtun.

95,5 % der 15- bis 19-Jährigen leben mit ihren Eltern. Mit 20–24 Jahren tun das 70% der Jungen, 53,2% der Mädchen.

Ich bin nämlich nicht die Einzige, die sich Sorgen um die Zukunft macht. Sei es meine Freundin, die Literaturwissenschaften studiert und sich fragt, ob sie nach dem Studium einen Job bekommt, oder meine Freundin, die ausgebildete Cutterin ist und sich fragt, wie lange sie noch mit unregelmäßigen Projekten durchkommen wird.

Angst macht Jugendlichen: Krieg (65 %), Arbeitslosigkeit (42 %), die Krise (40 %), eine ungesicherte Pension (39 %)

Wir, alles Anfang 20, sind überfordert. Nicht nur sind wir einer kompletten Reizüberflutung an Informationen und Werbung ausgesetzt. Sondern ich glaube, auch einer Überflutung an Möglichkeiten. Die kanadische Psychologin und Expertin für Entscheidungstheorie Sheena Iyengar bezeichnet das Choice Overload Problem als eines der großen Probleme der heutigen Gesellschaft. Der amerikanische Psychologe und Universitätsprofessor Barry Schwartz geht sogar so weit, dass er seinen Studierenden weniger Aufgaben gibt, weil sie durch die Entscheidungsfreiheit der jetzigen Zeit viel zu viel im Kopf haben, um auch noch Hausaufgaben zu erledigen. Er spricht von Choice Paralysis, weil man oft wie gelähmt vor den Möglichkeiten steht. Hat man sich dann mal für etwas entschieden, warten dort schon viele andere. Wie soll man der oder die Eine sein, der/die dann die Chance wahrnehmen kann?

Bei der Wahl des Jobs ist Jugendlichen wichtig: Spaß (72,8%), Arbeitsklima (66,9%), Verdienst (59,6%)

Ich habe schon länger das Gefühl, die Antwort darauf wäre, möglichst herauszustechen und anders zu sein. Da frage ich mich aber dann wieder: wenn wir alle versuchen, anders zu sein, sind wir dann nicht alle wieder gleich? Auf viele dieser Fragen suche ich noch die Antworten. Aber was ich gelernt habe, ist, dass man aus jeder Situation etwas lernen kann. Sei es, dass man nach einem Praktikum weiß, in diese Berufssparte passt man nicht.

Einen Beruf zu haben, ist mir sehr wichtig, sagen: 72,5 % der Mädchen, 60 % der Jungen

Sei es, dass man lernt, nie so werden zu wollen wie ein Vorgesetzter, in deren Gegenwart man wie auf Eierschalen gehen muss. Oder – und das lerne ich eigentlich am liebsten – dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist.

Lesen Sie dazu morgen hier, auf den Karrieren, die dazu passende Covergeschichte: 100.000 Euro Jahresgehalt – die drei Wege dorthin.

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