Im Inneren der streng überwachten Impfstoff-City dreht sich alles um "-rix": Insgesamt 27 Impfstoffe werden hier am Standort in Koproduktion zwischen mehreren Gebäuden hergestellt – alle Namen enden mit -rix: Boostrix etwa, ein Klassiker gegen Diphterie und Tetanus, oder Fluarix gegen Grippe.
Impfstoffe sind komplexe biologische Arzneimittel und werden daher nur von wenigen Pharmafirmen hergestellt. Der Produktionsprozess vom Ansetzen der Bakterienkulturen über die Reifung bis zur Befüllung und Abpackung der Spritzen dauert zehn bis 26 Monate (siehe Info-Grafik am Ende des Textes). "70 Prozent der Produktion sind Qualitätskontrollen", erläutert Russell Thirsk, Leiter der Impfstoffproduktion von GSK in Belgien, beim Werksbesuch des KURIER.
Ein Großteil der Kontrollen ist voll automatisiert. Wenn sich die Maschinen unsicher sind, kommt jedoch auch noch das menschliche Auge zum Einsatz und checkt kleinste Verunreinigungen in der soeben abgefüllten Suspension.
Heißes Thema in der Branche ist derzeit die Nicht-Verfügbarkeit wichtiger Arzneimittel. Auch GSK war heuer schon betroffen. So gab es in Deutschland Liefer-Engpässe beim neuen Impfstoff gegen Gürtelrose, Shingrix. Auch die Nachfrage nach Masern-Impfstoff konnte kaum gedeckt werden, als vermehrt Fälle in Europa bekannt wurden. Der Impfstoffhersteller verweist auf den langwierigen Herstellungsprozess. "Es braucht sehr viel Vorplanung, um Engpässe zu vermeiden“, weiß Thirsk.
Die Kapazitäten seien limitiert, kurzfristig auftretender Mehrbedarf könne kaum nachproduziert werden. Die Hersteller kalkulieren den Bedarf anhand der Absatzzahlen der Vorjahre. Eine längere Lagerhaltung ist nicht möglich. Kalkulierbarer sind staatliche Impfprogramme wie in Österreich der Impfpass, wo es öffentliche Ausschreibungen gibt.
Um entsprechend planen zu können, fordern die Pharmahersteller zunehmend verbindliche Aussagen über mittel- bis längerfristig vorhersehbaren Mehrbedarf oder Abnahmegarantien.
Wenig Freude haben die Briten mit der in Europa zunehmenden Impfskepsis in der Bevölkerung, zuletzt bemerkbar bei Masern. Mark Doherty, medizinischer Leiter der GSK-Impfstoffsparte, sieht dafür mehrere Gründe: Mangelnde Aufklärung, generelle Vorbehalte gegenüber staatlicher Bevormundung, aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen so mancher Impfgegner, die über Social Media gezielt Desinformationen streuen würden.
Anders als in Entwicklungsländern seien Infektionskrankheiten wie Masern in Europa so gut wie nicht mehr sichtbar, damit schwinde auch das Bewusstsein. Der GSK-Manager verweist auf Studien, die den volkswirtschaftlichen Nutzen des Impfens nachweisen. So erspare jeder Euro, der fürs Impfen ausgegeben wird, im Schnitt 16 Euro an Folgekosten für das Gesundheitssystem. Diese Berechnung variiert freilich von Land zu Land.
Künftig sollen Impfstoffe vermehrt auch in der Therapie von chronischen Krankheiten eingesetzt werden, erklärt der Leiter der GSK-Impfstoff-Forschung Emmanuel Hanon. Dafür werden neue Partnerschaften wie mit dem US-Mikrobiom-Spezialisten Viome geschlossen. Neben der Weiterentwicklung der bestehenden Produktlinie sind aktuell 17 unterschiedliche Impfstoffkandidaten in der Pipeline. Unter anderem forscht GSK an einem neuen Impfstoff gegen die Lungenkrankheit COPD.
Hinweis: Die Reise nach Wavre erfolgte auf Einladung von GlaxoSmithKline.
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