Grünes Licht für ersten AKW-Bau in EU nach Fukushima

Ein Zaun umgibt den Standort Hinkley Point C in Südwestengland.
Kraftwerk Hinkley Point C soll in Südwestengland entstehen. EU-Abgeordneter Reimon ortet "Kniefall vor Atomlobby".

Die EU-Kommission will noch im Oktober Großbritannien grünes Licht für den ersten Atomkraftwerksbau in Europa seit der Katastrophe von Fukushima geben. EU-Kommissionssprecher Antoine Colombani sagte am Dienstag in Brüssel, noch die amtierende EU-Kommission werde hierzu eine Entscheidung treffen. Deren Mandat endet am 31. Oktober.

Der für Staatsbeihilfen zuständige EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia werde dem Kollegium eine positive Entscheidung empfehlen, sagte der Sprecher. "Unsere Diskussionen mit den britischen Behörden haben zu einer Übereinkunft geführt", so Colombani. Almunia werde die Genehmigung des Projektes nach den EU-Regeln für Staatsbeihilfen vorschlagen. Die Entscheidung könne nur nach den Regeln des EU-Vertrages erfolgen, spezielle Leitlinien für AKW-Beihilfen gebe es nämlich nicht.

Das Kraftwerk Hinkley Point C mit zwei Druckwasserreaktoren des französischen Herstellers Areva soll in Somerset in Südwestengland entstehen. Es ist der erste derartige Neubau in Großbritannien seit rund 20 Jahren.

Kritik

Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon warf Almunia "einen Kniefall vor der Atomlobby" vor. "Es ist unglaublich, dass EU-Kommissar Almunia ausgerecht für die Atomwirtschaft eine Ausnahme machen und diese illegalen Beihilfen einfach durchwinken will. Die Finanzierung dieser schmutzigen Hochrisikotechnologie ist inakzeptabel. Ein Präzedenzfall droht. Andere Mitgliedsaaten werden solche Subventionen nun auch verteilen wollen", kritisierte Reimon. Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn müsse sich im Kollegium der EU-Kommission künftig gegen die Atomlobby stark machen.

Die Umweltorganisation Global 2000 kündigte indes an, rechtliche Schritte gegen eine "drohende Fehlentscheidung" der EU-Kommission zu dem britischem Atomkraftwerk zu prüfen, wie Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher der Organisation, sagte. Die Kommission müsse Farbe bekennen, ob sie noch in Eile und im letzten Moment die Vergangenheitstechnik Atomkraft mit weiteren Steuermilliarden subventionieren lassen wolle, oder ob die neue EU-Kommission eine Entscheidung im Sinne der Steuerzahler untersage.

Dreieinhalb Jahre nach dem Atomunglück von Fukushima haben am Dienstag rund 16.000 Menschen in der japanischen Hauptstadt Tokio gegen die Wiederinbetriebnahme von Atomreaktoren protestiert.

Japan habe die Katastrophe noch immer nicht kritisch aufgearbeitet, sagte Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe auf der Kundgebung laut dem Sender NHK. Er kritisierte, dass die Regierung grünes Licht für die Inbetriebnahme von zwei Reaktoren des Atomkraftwerks Sendai gegeben habe, ohne ausreichende Katastrophenschutzvorkehrungen getroffen zu haben.

Die Regierung hatte am 10. September die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren im Süden Japans genehmigt, doch bleiben noch Hürden. Insbesondere müssen die örtlichen Gemeinden noch zustimmen. Seit dem Atomunglück von Fukushima von März 2011 wurden sämtliche der 48 betriebsfähigen Reaktoren des Landes zu Sicherheitsüberprüfungen abgeschaltet. Die Regierung versucht seitdem, die Japaner von der Notwendigkeit der Atomenergie zu überzeugen, doch gibt es in Teilen der Bevölkerung große Vorbehalte.

Industrieminister Yuko Obuchi sagte am Sonntag, die ressourcenarme Nation brauche die Atomkraft zur Deckung ihres Energiebedarfs. Vor dem Fukushima-Unglück hatte Japan fast ein Drittel seines Stroms aus Atomkraftwerken bezogen. Bei dem Unglück am 11. März 2011 waren infolge eines schweren Erdbebens und eines anschließenden Tsunamis die Kühlsysteme des Kraftwerks an der japanischen Ostküste ausgefallen, woraufhin es in mehreren Reaktoren zur Kernschmelze kam. Zehntausende Anrainer mussten daraufhin ihre Häuser verlassen.

Kommentare