Glücksspielabgabe: Hoher Einsatz für die Steuerzahler

Glücksspielabgabe: Hoher Einsatz für die Steuerzahler
Ein geheimer Deal zwischen der Politik und den Casinos Austria kostet die Staatskasse bis heute mindestens 200 Millionen Euro. Eine unabhängige Aufsichtsbehörde ist derzeit blockiert.

Beim Thema Steuern und Abgaben steigen heimischen Firmenchefs meist die Grausbirnen auf. Nicht so Karl Stoss. Der Boss der Casinos Austria präsentiert sich gerne stolz als einer der größten Steuerzahler dieses Landes. Fast 520 Millionen Euro lieferten die 12 Inlandscasinos und die Tochtergesellschaft Lotterien für 2015 allein an Glücksspielsteuern an den Finanzminister ab. Schon eine beeindruckende Größenordnung.

Die Gambler und Zocker könnten die Staatskasse allerdings noch wesentlich üppiger füllen. Seit 2010 mussten die Steuerzahler geschätzt auf mindestens 200 Millionen Euro aus dem Jackpot verzichten, Trend weiter steigend.

Wie dieses Spiel läuft, ohne dass es die Öffentlichkeit überhaupt mitbekommt, ist eine bemerkenswerte Geschichte. Die von politischen Deals, Lobbying und Unprofessionalität handelt.

Rückblende

Rückblende ins Jahr 2008. Der damalige ÖVP-Chef und Finanzminister Wilhelm Molterer schickte eine Novelle des Glücksspielgesetzes in Begutachtung. Nach viel Zank brachte Nachfolger Josef Pröll das Gesetz im Ministerrat ein. Die Spielbankenabgabe, die Voll-Casinos (Croupier-Spiele plus Automaten) an den Bund zahlen müssen, wurde von 48 Prozent auf den in der EU unüblich niedrigen Satz von 30 Prozent gesenkt. Dafür sollten Konzessionen für drei weitere Casinos ausgeschrieben werden.

Der Hintergrund: In Brüssel rannte die EU-Kommission mit der Wettbewerbskeule gegen das Monopol der Casinos Austria (Casag) an, im Inland machte der erbitterte Konkurrent Novomatic immer stärker Druck. Es war klar, das Monopol würde nicht mehr lange zu halten sein.

Die 12 Inlandscasinos waren trotz des Monopols allerdings in den roten Zahlen und die im Lobbying hervorragend geübte Casag ließ alle ihre politischen Verbindungen spielen. Schließlich wurde ein Deal ausgehandelt, der allen Beteiligten Vorteile bringen sollte.

Nur nicht dem Steuerzahler, wie sich heute herausstellt.

Die Steuersenkung trat lange vor der Ausschreibung der drei neuen Konzessionen in Kraft. Die Casag konnte sich über ein großzügiges Steuergeschenk freuen, das ihr bei der Sanierung der defizitären Standorte half – und war immer noch Monopolist. Im Abtausch dafür stellten Stoss & Co. den Widerstand gegen die Öffnung des Glücksspielmarktes ein.

Insider wollen wissen, dass die Casinos und Novomatic ebenfalls einen Deal schlossen. Die Casag sollte sich nur pro forma bewerben und der Konzern des niederösterreichischen Industriellen Johann F. Graf den Zuschlag für alle drei neuen Spieltempel erhalten. Dafür zog Novomatic die Klage vor dem Verfassungsgerichtshof zurück, weil die Casag die zuvor stattgefundene Neuausschreibung der alten Lizenzen gewonnen hatte. Beide Unternehmen dementieren eine derartige Absprache natürlich energisch.

Zur Umsetzung kam es ohnehin nicht, weil mit dem Investor Michael Tojner (Hotel Intercont) und der Deutsch-Schweizer-Gruppe "Plaza 3" (Stadtcasinos Baden/Gauselmann-Gruppe) mit dem Palais Schwarzenberg unerwartete Konkurrenz in den Ring stieg. Worauf die Casag ernst zu nehmende Projekte in die Schlacht warf.

Im Juni 2014 entschied das Finanzministerium unter Michael Spindelegger endlich über die Konzessionen. Zwei für die Novomatic (Prater und Bruck/NÖ), eine für das Schwarzenberg. Die Casag ging leer aus. Die Bescheide waren derart schleißig, dass Stoss dagegen vor das neue Bundesverwaltungsgericht ging. Die Entscheidungen wurden im Juni des Vorjahres aufgehoben, Finanzminister Hans Jörg Schelling legte beim Verwaltungsgerichtshof außerordentliche Revision ein.Kürzlich zerriss auch der Rechnungshof die Bescheide in der Luft. Intransparente Entscheidungsfindung, sachlich nicht nachvollziehbar, befanden die Prüfer. Dass der heutige ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka in seiner damaligen Funktion als Staatssekretär im Finanzministerium auch noch um 870.000 Euro eine schwedische Beratungsfirma beauftragt hatte, stieß den Kontrolloren ebenfalls sauer auf. Die Leistungen der Berater hätten zu den behördlichen Kernaufgaben des Ministeriums gehört.

Entscheidung

Die Entscheidung des Höchstgerichtes könnte im Sommer fallen, spätestens im September. Seit Ablauf der Abgabefrist für die Angebote sind mittlerweile schon drei Jahre verstrichen. Während dieser Zeit hätte der Staat an den neuen Standorten längst Steuern lukrieren können.

Das geschlossene Novomatic-Casino im Prater warf pro Jahr rund zehn bis 12 Millionen für das Wiener Stadtbudget ab. Das altehrwürdige Palais Schwarzenberg verfällt langsam vor sich hin. Statt Glücksrittern geben sich die Ratten ein Stelldichein. Die Betreiber des "Grand Casino Wien" hatten jährlich rund acht Millionen Euro an Spielbankenabgabe kalkuliert.

Wie es weitergeht, wird von der Entscheidung der Verwaltungsrichter abhängen. Denn inzwischen hat sich bei den beiden großen Playern viel getan. Novomatic kaufte sich um rund 250 Millionen Euro zu 41 Prozent in den Erzrivalen Casag und mit 180 bis 185 Millionen in die Lotterien (21 Prozent) ein. Werden Casag und Novomatic gar nicht mehr um die neuen Konzessionen rittern? Oder lässt Schelling womöglich nicht mehr neu ausschreiben? Fragen, die noch nicht beantwortet werden. Die Republik Österreich, die derzeit über die Staatsholding ÖBIB ein Drittel an der Casag-Gruppe hält, dürfte jedenfalls nicht auf Dauer als Miteigentümer an Bord bleiben. "Der Anteil ist nicht in Stein gemeißelt. Die Republik wird sich die Frage stellen, ob man als Eigentümer im Glücksspielgeschäft bleiben soll", meint Martha Oberndorfer. Die ÖBIB-Chefin spricht von "vielen Möglichkeiten, die da offen sind". Eine Option wäre auch der Gang an die Börse.

"Rien ne va plus"

"Rien ne va plus" heißt es derzeit für die von Schelling angekündigte unabhängige Glücksspielbehörde. Österreich ist eines der wenigen Länder in der EU, das bis heute keinen Regulator für das Gaming-Business hat. Der den Markt und die Einhaltung des Spielerschutzes überwachen würde. Eine unabhängige Aufsicht ist schon deswegen notwendig, weil das Finanzministerium eine grobe Interessenskollision hat. Zuständig für das Glücksspiel und gleichzeitig Miteigentümer eines bedeutenden Players. Der Entwurf des Finanzministeriums für eine Aufsicht ist fertig für die Begutachtung. Wird aber von der SPÖ blockiert, vor allem vom linken Flügel der Partei. Der Glücksspiel-Regulator wird offenbar mit anderen Themen junktimiert. Die SPÖ reklamiert mindestens einen der zwei Geschäftsführer für sich. Ganz so, wie es im rot-schwarzen Proporz halt immer so war.

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