Casinos – Novomatic: Viel Kritik an Wettbewerbshütern

Casinos – Novomatic: Viel Kritik an Wettbewerbshütern
Wie eine seltsam agierende Wettbewerbsbehörde die österreichische Lösung verhinderte.

Es wäre die große Chance gewesen. Aus den teilstaatlichen Casinos Austria samt den Lotterien hätte am Standort Österreich eine Glücksspielgruppe internationalen Formats entstehen können. Unter der Flagge des niederösterreichischen Novomatic-Konzerns, einem der weltweiten Marktführer. Mit Beteiligung der tschechischen Sazka Group, Europas größtem Lotterienbetreiber.

Der Drittel-Anteil der Republik Österreich hätte an Wert kräftig zugelegt. Knapp 6000 inländische Arbeitsplätze bei Novomatic und den Casinos (Casag) wären langfristig abgesichert gewesen.

Doch vergangene Woche brach die österreichische Glücksspiellösung, um die jahrelang heftig gepokert worden war, zusammen wie ein Kartenhaus. Weil sich die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und Novomatic über die Auflagen nicht einigen konnten, untersagte das Kartellgericht den Deal.

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Das Vorgehen der BWB ist, milde ausgedrückt, ziemlich seltsam. Novomatic hatte das Vorhaben noch nicht einmal angemeldet, tönte Theodor Thanner in der ZiB1, er könne sich nicht vorstellen, dass man dieses Projekt durchwinken werde. Sein Wissen bezog Österreichs oberster Wettbewerbshüter zu diesem Zeitpunkt ausschließlich aus Medienberichten. Absolut unüblich, dass sich ein Behörden-Chef schon vor Beginn eines Verfahrens derart weit aus dem Fenster lehnt.

Zur Unterstützung holte sich die BWB den deutschen Juristen Rainer Nitsche, der seit 2006 für die Behörde begutachtet und die Übernahme von Adeg durch REWE oder von tele.ring durch T-Mobile prüfte. Dass der Glücksspielmarkt freilich ganz anderen Gesetzen folgt als der Einzelhandel oder die Telekom-Branche und es hier nicht um die Forcierung des Wettbewerbs geht, dürfte der Gutachter nicht ganz mitbekommen haben.

Gaming ist das staatlich am strengsten regulierte und kontrollierte Business. Intention des Staates ist es, zwar üppige Abgaben zu kassieren (die Casinos sind mit 575 Millionen Euro einer der größten Steuerzahler im Land), den Wettbewerb aber hintanzuhalten. Im Interesse des Spielerschutzes.

Selbiges erklärte das Finanzministerium gegenüber den Wettbewerbswächtern unmissverständlich. In der Stellungnahme des Ministeriums vom 23. Mai 2016 zum Verfahren wird darauf hingewiesen, "dass ein Wettbewerb im Glücksspielbereich kein Ziel des Gesetzgebers ist". Der Glücksspielsektor sei ein "sensibler Markt, bei dem ein erhöhter Wettbewerb nicht unbedingt nur Vorteile für Konsumenten mit sich bringt, sondern im Gegenteil die übermäßige Erhöhung der Attraktivität des Glücksspiels bzw. von Gewinnchancen zu einem erhöhten Spielsuchtrisiko führen kann und gerade dieses den Zielen des Glücksspielgesetzes entgegenläuft".Novomatic hätte außerdem die vier Casinos des Konzerns in Tschechien verkaufen müssen. Wieder argumentierte der Gutachter mit zu wenig Wettbewerb. Die grenznahen Spielstätten seien "eine der wenigen relevanten wettbewerbsrechtlichen Herausforderungen" für das Monopol der Casag. Durch den geplanten Deal "fallen diese als wichtiger Part des Wettbewerbs weg".

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Auch bemerkenswert – erstmals in der immerhin neunjährigen Amtszeit von Thanner gab es keine Einigung mit dem betroffenen Unternehmen. Die Chancen, dass Novomatic mit einer Berufung durchkommt, stehen nicht gut.

Im Finanzministerium, das nicht nur für den Staatsanteil an den Casinos zuständig ist, sondern auch als oberste Glücksspielbehörde fungiert, nimmt man die Sache offiziell zur Kenntnis. Im Hintergrund jedoch schütteln die Experten dort nur noch den Kopf über die Wettbewerbsbehörde. "Dilettantische Vorgangsweise", hört man viel Kritik.

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Die große Frage ist, wie’s jetzt weiter geht. Novomatic-Eigentümer Johann F. Graf dürfte die Sache sehr pragmatisch sehen. Nach dem Motto: Wäre schön gewesen, den Erzrivalen in Österreich zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis. Die Casag-Übernahme hätte gerade einmal fünf Prozent des weltweiten Konzernumsatzes von zuletzt knapp vier Milliarden Euro gekostet. "Unsere Bühne ist die ganze Welt", pflegt der Selfmade-Industrielle zu sagen. Allerdings wird im Headquarter in Gumpoldskirchen die Rute ins Fenster gestellt, dass mangels ausreichend großem Heimmarkt die mehr als 3500 Jobs in Österreich durch Gewinne aus dem Ausland abgesichert werden müssten. Eine klare Botschaft. Und die Lust der Novomatic, die Finanzpolizei im Kampf gegen illegales Glücksspiel personalintensiv weiterhin zu unterstützen, dürfte sich eher in Grenzen halten.

Finanzminister Hans Jörg Schelling macht sich offenbar trotzdem keine Sorgen um die österreichische Mehrheit bei der Casag. In der Himmelpfortgasse geht man davon aus, dass sich Novomatic beteiligt, halt mit weniger als 25 Prozent. Gemeinsam mit der Staatsholding Öbib und dem Bankhaus Schelhammer & Schattera wäre eine rot-weiß-rote Majorität abgesichert. Mit einer tschechischer Beteiligung. Die beiden Oligarchen,die hinter der Sazka stehen, machen bereits massiven Druck auf die nach wie vor verkaufswilligen Casag-Aktionäre, die mit Novomatic schon handelseins waren. Die UNIQA, die zu Raiffeisen gehörende Leipnik-Lundenburger (LLI) und eine Privatstiftung. Die LLI hat einen aufrechten Verkaufsvertrag mit Novomatic, der mit September 2017 befristet ist. Die Kartellentscheidung stärkt jedoch die Position der Tschechen, die kein Wettbewerbsproblem hätten, immens. Auch wenn Sazka noch so sehr beteuert, im Einvernehmen mit Novomatic und Öbib vorgehen zu wollen.

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Ob Schelling mit der vom Verwaltungsgerichtshof gekippten Ausschreibung von drei zusätzlichen Casino-Lizenzen neu an den Start geht, ist derzeit offen. Das könnte davon abhängen, ob und wann Schelling in der Regierung seinen Plan durchbringt, einen unabhängigen Glücksspiel-Regulator zu installieren. Eine solche Behörde ist angesichts der unvereinbaren Doppelrolle des Ministeriums als Casag-Miteigentümer und Gaming-Aufsicht längst überfällig.

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