Geheimes TTIP-Papier: Blaue und Grüne für Abbruch

Ein Schatten liegt über dem Freihandelsabkommen TTIP.
Wollen USA Umweltstandards aushöhlen? Blaue und Grüne im EU-Parlament für Abbruch.

Greenpeace hat am Montag um 11 Uhr bisher geheime TTIP-Dokumente ins Netz gestellt und wirft den USA vor, mit dem geplanten Handelsabkommen europäische Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards aushöhlen zu wollen.

"Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann. Dieses Geheimabkommen muss gestoppt werden", sagte der Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch am Montag bei der Präsentation der Verhandlungsdokumente bei der Digitalkonferenz "re:publica" in Berlin.

Quelle werde man "maximal schützen"

Die Texte, die die Verhandlungspositionen der USA und der EU-Kommission vor der gerade abgeschlossenen 13. Gesprächsrunde zeigten, seien den Umweltschützern zugespielt worden. Allerdings veröffentlichte Greenpeace nach eigenen Angaben nicht die Originaldokumente, sondern Abschriften. Nach gemeinsamer Prüfung mit dem Recherche-Netzwerk von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sei man sicher, dass die Papiere echt seien, erklärte Greenpeace. Die Quelle werde man nicht preisgeben und "maximal schützen".

Wie Österreichs EU-Parlamentarier reagieren

FPÖ und Grüne im Europaparlament sind selten einer Meinung - bei TTIP schon. Sowohl der FPÖ-Fraktionsführer im EU-Parlament Harald Vilimsky als auch der grüne Mandatar Michel Reimon sind für einen Abbruch der Gespräche der Europäischen Union mit den USA über ein Freihandelsabkommen.

Harald Vilimsky sagte, vom viel zitierten Feinkostladen Europas bleibe angesichts dieses aufgetauchten TTIP-Geheimpapiers de facto nichts mehr übrig. "Es geht nicht um Zollgeschichten, sondern um die Lebensmittelqualität" und da hätten die Amerikaner mit dem Einsatz von Chlor einfach einen anderen Ansatz. Die USA würden Produkte so lange am Markt erlauben, solange keine schädlichen Auswirkungen nachgewiesen seien. "Bei uns ist es umgekehrt, das muss vorher die Unschädlichkeit nachgewiesen sein."

Der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon sagte, die schlimmsten Befürchtungen hätten sich bestätigt. Es stehe die Aufweichung des EU-Verbraucherschutzes bei Lebensmitteln ebenso zur Verhandlung wie eine weitere Öffnung des europäischen Marktes für amerikanische Lebensmittel im Abtausch für Exporte der europäischen Automobilindustrie. Auch würden die USA weiter auf Schiedsgerichten beharren. "TTIP ist wie ein Vampir - im Licht stirbt es schnell." Mit jedem durchgesickerten Papier dieser Geheimverhandlungen "werden unsere Befürchtungen bestätigt."

Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas verwies darauf, dass das Europaparlament das letzte Wort habe. Das Parlament habe alle Sorgen und Ängste der Bürger aufgegriffen und unmissverständliche Bedingungen für das Abkommen gestellt. Diese Bedingungen "liegen auf dem Tisch, das Verhandlungsergebnis noch nicht. Verantwortungsvolle Politik orientiert sich am Verhandlungsmandat, nicht an Zwischenrufen und spielt nicht mit den Ängsten der Bürger."

SPÖ-Europamandatarin Karoline Graswander-Heinz sieht einen Angriff auf unsere Demokratie und die lang erkämpften europäischen Rechte für Verbraucher und Umweltschutz.

Stichwort TTIP: Hoffnungen und Ängste

Die EU und die USA verhandeln seit Juni 2013 über eine "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP). Mit rund 40 Prozent des Welthandels würde damit der bedeutendste Wirtschaftsraum der Welt entstehen. Ziel ist eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen erhoffen sich die Befürworter Wachstums- und Beschäftigungsimpulse sowie Preissenkungen für die rund 800 Millionen Verbraucher in ihrem Gebiet.

Umwelt- und Verbraucherschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften befürchten eine Angleichung von Standards auf geringerem Niveau und kritisieren zudem mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen über das Abkommen. Die TTIP-Gegner machen sich außerdem für eine öffentliche Gerichtsbarkeit, ordentliche Arbeitsrechte für alle und auch für den Erhalt der bisherigen Umweltstandards stark.

Als Blaupause für TTIP gilt das bereits ausgehandelte Abkommen CETA ("Comprehensive Economic and Trade Agreement") Europas mit Kanada.

Kommentare