Abgang mit vielen Fragezeichen

Ferdinand Piëch hat den Poker um Macht und Einfluss verloren. Ob er die VW-Anteile behält, ist fraglich.
Der VW-Übervater schmeißt alles hin. Offen ist, ob er seine Anteile behält.

Der Machtkampf in der VW-Zentrale ist entschieden. Wie berichtet hat Ferdinand Piëch, die Galionsfigur des Unternehmens, am Samstag völlig überraschend sein Amt als Aufsichtsratschef hingeworfen. Damit hat der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche "mit sofortiger Wirkung" einen Schlussstrich unter sein Lebenswerk gezogen.

Nicht ganz freiwillig. Er hatte das Vertrauen der Aufsichtsräte verloren, die sich demonstrativ auf die Seite von VW-Boss Martin Winterkorn gestellt hatten, den Piëch als VW-Boss los werden wollte. Warum Piëch mit seinem beruflichen Ziehsohn Winterkorn plötzlich gebrochen hat, ist nach wie vor unklar. Acht Jahre nach seinem Amtsantritt weist der bestbezahlte DAX-Managers eine beeindruckende Bilanz vor: Die Auslieferungen legten um 64 Prozent zu, der Umsatz um 86 Prozent, das operative Ergebnis ist vier Mal so hoch als bei Winterkorns Amtsantritt im Jahr 2007. Der größte Autobauer Europas beschäftigt heute – dank vier neuer Marken – mit 600.000 Menschen fast doppelt so viele Mitarbeiter als noch vor der Ära Winterkorns.

Es gibt aber auch Baustellen. Die Kernmarke rund um Golf und Passat wirft zu wenig Gewinn ab, das US-Werk ist schlecht ausgelastet, zu wenige Amerikaner kaufen sich einen VW. Außerdem muss sich der Konzern, zu dem neben VW 12 Marken (darunter Audi, Seat, Bugatti, MAN, Lamborghini, Porsche, Scania) gehören, wie seine Branchenkollegen neuen Herausforderungen stellen: alternative Antriebe, strenge Abgas-Vorgaben oder der digitale Wandel hin zur vernetzen Mobilität.

"Tragisches Ende"

"Der Konzern muss sich mittelfristig strukturell neu aufstellen und dezentraler organisiert werden", sagte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach am Sonntag zur dpa. Den Rücktritt Piëchs bezeichnete er als "tragisches Ende" einer großen Lebensleistung. Bratzel: "Ein Stück weit wird er selbst Opfer seines eigenen Führungsstils." In seiner Autobiografie hatte Piëch sich selbst so beschrieben: "Wenn ich etwas erreichen will, gehe auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet." Er plane für die "innere Unvermeidlichkeit des Erfolgs" stets genau, "auf welche Schlüsselperson ich den Schlachtplan einrichte".

Diesmal ging sein Plan nicht auf. Ausgerechnet an Piëchs 78. Geburtstag , am 17. April, hatte Winterkorn im Machtpoker die besseren Karten. Piëchs Kollegen im Aufsichtsrat stellten Winterkorn statt einer Vertragsauflösung eine Verlängerung bis 2017 in Aussicht. Eine Niederlage für den Patriarchen.

Fraglich ist nach Piëchs Rücktritt, was er mit seinen Anteilen am Unternehmen machen wird. Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Uni Duisburg-Hessen, schließt nicht aus, dass Piëch seine Anteile an der Porsche-Holding – unter dieser steht rund die Hälfte des VW-Konzerns – versilbern wird. Dudenhöffer: "Piëch ist überzeugt, dass der Weg, den VW geht, der falsche ist." Aktuell hält Piëch 13 Prozent der Stammaktien.

Einstieg: 1963 startete der gelernte Maschinenbauer bei Porsche, 9 Jahre später wechselte er zu Audi, wird dort 1988 Chef.

Aufstieg: 1993 kommt Piëch inmitten einer Krise an die VW-Konzernspitze, 2002 wechselt er an die Aufsichtsratsspitze.

Privat: Piëch, geboren am 17. 3. 1937 in Wien, hat laut eigenen Angaben 12 Kinder aus 4 Beziehungen. Er gilt als technikversessen, segelt gerne und interessiert sich für fernöstliche Kultur.

Es klingt wie ein Lehrbeispiel dafür, dass man sich seiner Sache nie zu sicher sein sollte: Über Jahrzehnte war Ferdinand Piëchs Wort im VW-Konzern Gesetz. Der "VW-Gottvater", die "Galionsfigur der Automobilindustrie", war als gewiefter Taktiker gefürchtet. Besser nicht anlegen, lautete die Devise. Und dann das.

Mit seinem gewohnten Selbst- und Machtbewusstsein begann der Patriarch in aller Öffentlichkeit mit der Demontage von VW-Boss Winterkorn. Und kassierte plötzlich selbst eine Watschen nach der anderen. Widerspruch von allen Seiten. Zuerst ganz leise, dann immer lauter. Nur zwei Wochen später ist das Match entschieden und Piëch steht plötzlich als Verlierer im Machtpoker da. Es bleibt abzuwarten, ob er sich rächt.

Ein Ass hat der alte Herr noch im Ärmel: Seine Anteile am Konzern. Wenn er das Aktienpaket behält, kann er auch weiterhin im Hintergrund seine Machtspiele spielen. Es wird höchste Zeit, dass VW wieder zu dem zurückkommt, was der Konzern am besten kann: Autos bauen.

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