Europa der zwei Geschwindigkeiten

Europa der zwei Geschwindigkeiten
Die Rezession in der Eurozone wird sich leicht verschlechtern, Wirtschaft in Österreich und Deutschland wächst

Wer sich von der Herbstprognose der EU-Kommission in Brüssel deutliche Erholungssignale für das kommende Jahr erwartet hat, wird enttäuscht sein. Die Rezession in der Eurozone vertieft sich heuer sogar auf 0,4 Prozent, nächstes Jahr wird de facto eine Stagnation erwartet oder anders ausgerückt ein „Wirtschaftswachstum“ von lediglich 0,1 Prozent. Anders schauen die Daten für Österreich und Deutschland aus. Zwar wird auch hierzulande kein brüllender Aufschwung einsetzen, aber mit 0,8 Prozent heuer und 0,9 Prozent in 2013 steht wenigstens ein sichtbares Plus vor dem Komma. Jeweils um 0,8 Prozent soll auch die deutsche Wirtschaft heuer und 2013 wachsen, sagen die deutschen Wirtschaftsweisen. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich Deutschland sogar eine Senkung der Pensionsbeiträge leisten kann.

Mehrere Jahre

Das Problem daran ist jedoch, dass die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa zunehmen, anstatt – wie von der Politik angestrebt – zu verschwinden.
Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, sagte zum KURIER: „Wir haben de facto ein zweigeteiltes Europa. Eine kleine Gruppe von Ländern, die sich rezessionsresistent zeigen, dazu gehört auch Österreich. Und eine große Gruppe von Ländern, die sich in außerordentlichen wirtschaftlichen und budgetären Kalamitäten befinden. Besonders beunruhigend ist, dass dieser Prozess schon mehrere Jahre anhält.“

Das zeigt sich bei der Defizit- und Schuldenentwicklung: 2012 hat einzig Schweden einen ausgeglichenen Staatshaushalt, alle anderen 26 EU-Länder weisen Defizite auf (Österreich: -3,2 Prozent). Bei der Staatsverschuldung werden heuer schon vier Länder die gefährliche 100-Prozent-Marke überschreiten: Griechenland, Italien, Portugal, Irland. 2013 soll die griechische Verschuldung bereits bei abenteuerlichen 188 Prozent liegen (Österreich 75,9 Prozent). Nicht viel anders ergeht es der EU bei der Arbeitslosigkeit.

Europaweit niedrigste Arbeitslosigkeit

Österreich wird mit 4,5 weiterhin die niedrigste Quote in Europa haben. In Griechenland und Spanien steigt die Arbeitslosigkeit auf besorgniserregende 23,6 beziehungsweise 25,1 Prozent. Selbst die deutschen Wirtschaftsweisen mahnen daher die Regierung in Berlin zur Haushaltsdisziplin, obwohl das Land zwei gute Jahre hinter sich hat. Die jüngsten Koalitionsbeschlüsse gingen in die falsche Richtung (Betreuungsgeld, Zuschussrente, Abschaffung der Praxisgebühr). Doch auch in Deutschland wird 2013 gewählt. Kanzlerin Merkel rudert in der Zwischenzeit bei der zentralen wirtschaftlichen Steuerung der Eurozone zurück. Der Plan eines Euro-Finanzministers dürfte also passé sein.

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