Ein Österreicher im Emirates-Cockpit

Ein Österreicher im Emirates-Cockpit
Im Poker mit dem Management drohen die AUA-Piloten, scharenweise zu Emirates Airline abzuwandern. Bernhard Karl ist 1999 als erster gegangen.

Bernhard Karl meldet sich via Skype aus Dubai. Kurz vor seinem nächsten New-York-Flug. Er sitzt in seinem Haus in den Emirate Hills, bei ihm ist es 15 Uhr – 12 Uhr Mittag in Wien. Im Hintergrund ist Kinderlachen zu hören. Karl entschuldigt sich kurz und schließt die Tür. Dennoch kann man bis Wien hören, dass sein Sohn Alexander gerade jede Menge Spaß hat. – Ist Dubai wirklich das Piloten- und Familien-Paradies, das die rasch wachsende Emirates Airline in ihren Lockangeboten an österreichisches Bordpersonal zeichnet? Karl, der schon 13 Jahre für Emirates fliegt, hat seinen Wechsel an den Golf nie bereut. Dennoch zeichnet er ein differenziertes Bild. In der Wüste ist nicht nur viel Licht, sondern auch Schatten. – Schon im Vorfeld unseres Gesprächs ersucht eine Airline-Sprecherin, keine Fragen nach dem Prozess gegen den österreichischen Arzt Eugen Adelsmayr zu stellen, der am Sonntag in Dubai fortgesetzt wird. Ebenso keine Fragen zur Todesstrafe. Begründung: "Das ist sehr politisch, und wir können als Emirates Airline nichts dazu sagen."

KURIER: Herr Karl, diese Woche hieß es, 200 bis 300 AUA-Piloten könnten zu anderen Airlines abwandern, falls keine Einigung über einen neuen Kollektivvertrag erzielt wird. Sie sind schon 1999 zu Emirates Airline gegangen. Was hat Sie dazu bewogen?
Bernhard Karl: Der Hauptantrieb war der finanzielle Anreiz. Ich habe damals bei Emirates wesentlich mehr verdient als bei Lauda Air.

Können Sie das beziffern?
Ungefähr das Dreifache.

Wie sieht Ihr Einkommen heute aus, verglichen mit dem österreichischer Kollegen?
Ich kenne die AUA- und Lauda-Air-Gehälter nicht mehr, ich bin schon 13 Jahre weg. Ich habe aber hier mittlerweile eine sehr hohe Seniorität und bin in einer guten Gehaltsposition.

Werden in der Luftfahrt in Zukunft vor allem diejenigen gut verdienen, die bereit sind, ins Ausland zu gehen und die dortigen Vertragsbedingungen zu akzeptieren?

Man hat wesentlich bessere Jobmöglichkeiten, wenn man flexibel ist. Und der Trend wird sich noch verstärken. Der wirtschaftliche Schwerpunkt verlagert sich zunehmend in Richtung Asien. Ich nehme an, dass es in Zukunft in Europa nicht so viele Jobs geben wird.

Heißt das, Europas alteingesessene Carrier müssen sich an neue Gegebenheiten anpassen?
Man sagt: "Change is the only constant." Ein Unternehmen, das sich nicht anpasst, ist langfristig zum Scheitern verurteilt.

AUA-Vorstand Jaan Albrecht sagte diese Woche auf die Frage, ob er Angst habe, seine Piloten zu verlieren: "Das sehen wir locker!" Aber abgesehen von den anfallenden Abfertigungen wäre wohl auch die Rekrutierung einer großen Zahl qualifizierter Piloten alles andere als locker. Wäre es für Sie denkbar, nach Österreich zu gehen, wenn ein gutes Angebot kommt?
In meiner Situation? Nein. Vor allem jetzt nicht, mit der turbulenten Situation in der österreichischen Luftfahrt. Wenn ich zurückginge, wäre das für mich ein Abstieg. Außerdem habe ich mich mittlerweile gut eingelebt in Dubai. Mich zieht’s nicht weg.

Ein Österreicher im Emirates-Cockpit

Sie sagen "mittlerweile gut eingelebt". Wie lange hat das gedauert? Die schwierige Phase der Eingewöhnung hat einige Monate gedauert. Das Alleinsein war mein größtes Problem. Ich war damals noch Single und habe meine Freunde und meine Familie sehr vermisst. Heute wäre dasanders. Kurz nach mir kamen fünf weitere Piloten von Lauda Air, mittlerweile gibt es mehr als 20 Österreicher im Cockpit bei Emirates.

Und wie war die Umstellung? Sie kamen in einen völlig anderen Kulturkreis.
Dubai ist eine relativ kosmopolitische Stadt mit vielen Expats (zugewanderten Ausländern, Anm.), da fühlt man sich nicht so fremd. Aber wir sind hier in einem muslimischen Land. Man muss sich anpassen können.

Wie spüren Sie das im täglichen Leben?
Man soll zum Beispiel nicht mit kurzen Hosen oder leicht bekleidet in die Shopping Mall gehen, das wird nicht gern gesehen.

War es schwierig, Kontakte zu knüpfen?
Nein, aber alle meine Freunde sind Expats. Ich habe keine Freunde unter der Lokalbevölkerung, der Kontakt ist nicht sehr eng.

Was erwartet einen Piloten, der nach Dubai geht? Man hört von Dienstvilla, Chauffeur zum Airport, Hauspersonal ... Sind das Märchen aus Tausendundeiner Nacht?
(Er lacht) Das ist Teil des Vertrags. Wenn man als Copilot anfängt, bekommt man ein Appartement, wenn man verheiratet ist und Kinder hat, ein Haus. Wer als Kapitän anfängt, bekommt eine Villa zur Verfügung gestellt. Auch die Betriebskosten werden gezahlt.

Kann man selbst auswählen?
Nein, man muss nehmen, was die Company anbietet. Aber es gibt die Möglichkeit, sich ein Haus oder ein Appartement zu kaufen. Dann bekommt man statt der Dienstvilla eine Allowance (Aufwandsentschädigung, Anm.).

Welche Variante haben Sie gewählt?
Ich wohne mit meiner Familie im eigenen Haus. Als vor rund sieben Jahren der Immobilienmarkt für Ausländer geöffnet wurde, habe ich ein Haus in der Emirate Hills Area gekauft. 1999, als ich zu Emirates kam, war da noch Wüste, nur Sand, sonst nichts. Dann wurde das Villenprojekt aus dem Boden gestampft. Jetzt ist es eine grüne Wohngegend.

Ein Österreicher im Emirates-Cockpit

Können Sie Ihr Haus beschreiben?
Es hat einen Garten mit Pool, drei Schlafzimmer, etwa 230 Quadratmeter Wohnfläche.

Haben Sie Hauspersonal?

Ja, wir haben eine Housemaid.

Arbeitet Ihre Frau?
Sie war Flugbegleiterin und hat ihren Job aufgegeben, als sie schwanger wurde.

Ihr Sohn wird demnächst vier. Auch den Großteil der Ausbildungskosten für bis zu drei Kinder übernimmt der Arbeitgeber?
Ja. Mein Sohn geht derzeit in den Kindergarten der Internationalen Schule.

Wie sieht die Krankenversicherung aus?

Wir sind über Emirates versichert. Die medizinische Versorgung für Angestellte und deren Familienangehörige ist kostenlos bis auf ab und zu einen kleinen Selbstbehalt. Emirates hat eine eigene Klinik hier.

Werden Sie wirklich vom Chauffeur zum Dienst und wieder nach Hause gebracht? Ja, Piloten mit einem eigenen Auto, Flugbegleiter mit einem Sammelbus.

Es gibt keine Gewerkschaft, wie werden da Konflikte gelöst?
Eine kollektive Konfliktlösung durch einen Betriebsrat gibt es hier nicht. Gewerkschaften sind gesetzlich verboten, das gilt aber für alle Companys, die hier tätig sind. Wenn es Probleme gibt, kann man zum Chefpiloten gehen und das persönlich ausreden.

Gehaltsverhandlungen gibt es nicht.
Die Gehälter setzt das Management fest, die Flugstundenregelung richtet sich nach der lokalen Gesetzgebung, da haben die Mitarbeiter kein Mitspracherecht. Wenn man hierher kommt, muss man das akzeptieren.

Könnten Sie jederzeit kündigen? Es gibt Gerüchte, wonach Emirates-Piloten langfristige Verpflichtungszeiträume eingehen müssten.
Nein, so etwas gibt es nicht. Ich habe eine dreimonatige Kündigungsfrist. Neueinsteiger haben einen dreijährige Bindungsfrist und müssen, wenn Sie während dieser Zeit weggehen wollen, den Zeitwert ihrer Ausbildung zurückzahlen. Das ist aber üblich.

Ein Österreicher im Emirates-Cockpit

Wir freuen uns hier in Wien über den Frühlingsbeginn, in Dubai ist ganzjährig Frühling oder Sommer. Kennt Ihr Sohn Schnee?
Ja, wir waren heuer im Jänner in Österreich, gerade zu der Zeit, als es so stark geschneit hat. Mein Sohn war begeistert.

Sie durften als einer der ersten Piloten den A 380 fliegen, das derzeit größte Passagierflugzeug. Macht es Sie stolz, dass Sie von Ihrem Airbus-Cockpit auf die anderen herabschauen können, oder kommt’s auf die Größe nicht an?

Naja (er lacht), die Boeing-747-Piloten sitzen etwas höher, das Cockpit ist dort höher oben. Aber der 380er ist schon ein besonderes Flugzeug. Ich bin sehr stolz, dass ich ihn fliegen darf. Das wünschen sich viele Piloten.

Wie haben Sie in Dubai den sogenannten Arabischen Frühling erlebt? Ist man da näher dran, weil geografisch näher? Oder weiter weg, weil die Berichterstattung eingeschränkt ist?
Ich lese nach wie vor österreichische Medien, aber auch die lokalen Zeitungen. Ich habe nicht sehr viel Unterschied in der Berichterstattung bemerkt. Ich sehe auch regelmäßig die "Zeit im Bild" übers Internet.

Werden Sie in Dubai bleiben oder in der Pension nach Österreich zurück gehen?
Ich werde meine Wohnung in Österreich behalten und immer wieder nach Österreich kommen. Ob ich in der Pension permanent in Österreich wohne oder das Winterhalbjahr in Malaysia verbringe, wo meine Frau herkommt, haben wir noch nicht besprochen.

Wie lange arbeitet man in den Emiraten, und was kommt dann?
Als Pilot kann ich bei Emirates bis 65 arbeiten, wenn ich mein Medical (Gesundheitscheck, Anm.) schaffe. Eine staatliche Pension, so wie in Österreich, gibt es hier nicht. Aber wir haben einen Providence Fund (Vorsorgefonds, Anm.) . Die Firma zahlt 12 Prozent des Grundgehalts in einen Fonds ein, den man sich mitnehmen kann, wenn man weggeht oder in Pension geht. Wenn man zehn Jahre dabei ist, steigt der Beitrag auf 15 Prozent des Grundgehalts.

Herr Karl, wissen Sie noch, wie viele Piloten es bei Emirates gab, als Sie 1999 herkamen?
Meine Senioritätsnummer war 406. Ich war also der 406. Pilot hier – heute gibt es rund 2000. Ich war damals auf der Boeing-777-Flotte. Wir hatten 19 Boeings, mittlerweile sind es knapp 100.

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