Droht den Ölriesen ein Dino-Schicksal?

Greenpeace warnt: Kurswechsel oder Untergang?
Warum Greenpeace die OMV zum radikalen Kurswechsel drängt. Und was dagegen spricht.

Die Umweltschützer von Greenpeace sorgen sich um den heimischen Mineralölkonzern OMV. Sollte dieser weiter an der Öl- und Gasförderung festhalten, drohe ihm der wirtschaftliche Untergang. Nur eine strategische Neuausrichtung und ein schrittweiser Ausstieg aus den fossilen Energieträgern könne das Aus verhindern. Droht der OMV tatsächlich ein Dinosaurierschicksal? Der KURIER schaute sich an, welche Fakten dafür und welche dagegen sprechen.

- Totes Geschäftsmodell Das fossile Geschäftsmodell der Ölkonzerne sei tot, behauptet Greenpeace. Es beruhe darauf, dass die Ölnachfrage immer weiter steigen könne. Dies sei jedoch seit dem Klimaschutzabkommen von Paris nicht mehr möglich. Wird das Klimaziel ernst genommen, muss spätestens ab 2020 der globale Ölverbrauch sinken. Das dort festgelegte Zwei-Grad-Ziel bedeutet auch, dass 80 Prozent der fossilen Reserven im Boden bleiben müssen. "E-Mobilität wird sich durchsetzen", glaubt der deutsche Energiemarktexperte Steffen Bukold von EnergyComment, "selbst wenn jährlich nur ein Prozent des Straßenverkehrs auf den Elektromotor umsteigt, würde die Ölnachfrage stagnieren, bei zwei Prozent pro Jahr sogar dauerhaft schrumpfen.“

- De-Investitionen Investitionen in fossile Energie werden riskanter, erste große Investoren steigen zumindest in Teilbereichen aus dem Sektor aus (siehe Artikel unten). Der niedrige Ölpreis sorgt zusätzlich für rote Zahlen und vertreibt Anleger. Die Investitionen für die Suche und Förderung von Öl und Gas sind im Vorjahr um 23 Prozent zurückgegangen. Seit Jänner 2015 sind 67 größere Öl- und Gas-Förderunternehmen in die Pleite geschlittert. Das Ölkartell OPEC findet zu keiner gemeinsamen Linie mehr, Prognosen sind kaum möglich.

- Hohe Öko-Risiken Es wird immer schwieriger und teurer, neue Öl- und Gasvorkommen zu erschließen. So bohrt etwa die OMV auch in der ökologisch sensiblen Arktis, begleitet von lauten Protesten der Umweltschützer. Die Schiefergas-Förderung ist ebenfalls umstritten. Die OMV sollte daher mehr in erneuerbare Energie oder in neue Technologien etwa zur Umwandlung, Speicherung und Nutzung von Überschussstrom für die E-Mobilität investieren, rät Greenpeace-Experte Adam Pawloff.

Doch so schwarz-weiß, wie Greenpeace das sieht, ist die Realität nicht. Es gibt durchaus gute Argumente, warum Ölkonzerne wie die OMV nicht Hals über Kopf ihr Geschäftsmodell aufgeben sollten.

- Gefährlicher Radikalschnitt Das Ende der OMV wäre besiegelt, würde der Konzern seine Öl- und Gasgeschäfte (zu) rasch aufgeben. Daran hängen Tausende von Jobs und Milliarden-Investitionen. Der volkswirtschaftliche Schaden für Österreich wäre enorm.

- Öl brauchen wir noch lange Erdöl macht rund ein Drittel des Weltenergieverbrauchs aus. Der Anteil sinkt seit 15 Jahren stetig und wird wohl weiter fallen. Dennoch wird auch 2030 Öl noch gut ein Viertel des globalen Energiebedarfs ausmachen. Der Wandel hin zu mehr erneuerbaren Energien ist im Gange, allerdings geht er langsam vor sich.

- Nicht nur Autos brauchen Öl Zwar wird der bei weitem größte Teil der weltweiten Erdölförderung in Kraftwerken und Fahrzeugen "verbrannt", doch Öl ist auch in der chemischen Industrie wichtig. Rund sechs Prozent des Ölbedarfs gehen in diese Branche, die Kunststoffe daraus erzeugt. Ohne Öl müsste dies in aufwendigen und teuren chemischen Verfahren geschehen.

- Mangel an Alternativen Stromerzeugung aus erneuerbaren steigt zwar weltweit, doch sie können fossile Energien nicht ersetzen. Dazu bedarf es noch viel Forschung und Innovation. Erdgas als Übergangslösung Während der Anteil des Öls am Weltenergieverbrauch sinkt, steigt jener von Gas. Gas stößt bei der Verbrennung weniger CO2 aus als Kohle. Im Ursprungs-Konzept der Energiewende waren Gaskraftwerke als Lückenbüßer für Zeiten ohne Wind und Sonne vorgesehen. OMV-Sprecher Lechner: "Wir haben mit Gas den saubersten fossilen Energieträger." Würden alle Kohlekraftwerke Europas auf Gas umstellen, würde der CO2-Ausstoß um 15 Millionen Tonnen sinken.

Raus aus fossiler Energie, raus aus Kohle: 2015 wurde der Ausstieg aus -intensiven Branchen ein breit diskutiertes Thema der Finanzmärkte. Viele Akteure kündigten an, ihre Investitionen umzuschichten – darunter waren so klingende Namen und große Nummern wie die Banken Barclay’s, Credit Agricole und Goldman Sachs, Versicherer wie Axa und Allianz oder die riesigen kalifornischen Pensionsfonds oder Norwegens Staatsfonds. Im Fachjargon ist dabei von „Divestment“ (De-Investition) die Rede. Ein Megatrend?

Ja, aber der Teufel liegt in den Details. Oft sind lange Fristen vorgesehen, manche Unternehmen versprechen nur, gewisse Obergrenzen einzuhalten. „Natürlich, die Gefahr besteht, dass es beim Bekenntnis bleibt“, sagt Susanne Hasenhüttl von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). Der Trend sei aber nicht mehr zu leugnen. In Österreich prüft die Non-Profit-Organisation ÖGUT mittlerweile bei allen neun betrieblichen Vorsorgekassen, ob sie Kriterien nachhaltiger Veranlagung erfüllen.

Ausschlussgründe

Dabei ist der Klimawandel nur ein Faktor. Wichtige Ausschlussgründe für nachhaltige Aktien-Investments sind daneben der Handel oder die Produktion von Waffen, Atomenergie, Pornografie, Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen, Tabak, Gentechnik, Tierversuche und Korruption. Glücksspiel ist für die Hälfte der nachhaltigen Fonds ein No-go.

In Österreich ist der Markt für nachhaltige Fonds mit 6,3 Prozent Anteil zwar noch relativ klein. Er wächst aber rasch; im Vorjahr um 14 Prozent auf 10,22 Mrd. Euro, sagte Wolfgang Pinner, Chef des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), am Mittwoch. Fasst man die Definition breiter, steigt der Marktanteil auf ein Viertel: Die Fonds, die Nachhaltigkeit teilweise berücksichtigen, machen knapp 43 Mrd. Euro aus. Die häufigste Sorge der Anleger: Dass die Performance nicht stimmt. „Das sind Bedenken aus der Vergangenheit“, sagt Pinner. Bei großen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen würden nachhaltige Investments nicht weniger abwerfen als klassische. Das lasse sich mit vielen Zahlen belegen. - Hermann Sileitsch-Parzer

Kommentare