Doch abgesandelt: Österreich verliert an Terrain

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl beim Europäischen Forum in Alpbach.
Wirtschaftskammer-Auswertung von 180 internationalen Ranglisten zeigt 2015 neuerliches Absacken.

Vor zwei Jahren ließ ein Sager von Christoph Leitl die Wogen hochgehen: Der Standort Österreich sei seit 2007 "abgesandelt", diagnostizierte der Präsident der Wirtschaftskammer beim Forum Alpbach. Und stieß mitten im Wahlkampf auf heftigen Widerspruch und Kritik.

Zwei Jahre später zeigt sich: Der damals bekrittelte Abstieg setzt sich fort. Österreich verliert an Terrain, lautet der Sukkus der Wirtschaftskammer (WKO) aus 180 Ranglisten, Standortvergleichen und Umfragen.

Doch abgesandelt: Österreich verliert an Terrain
Der jüngste"WKO Monitoring Report 2015", der 210 Seiten umfasst und dem KURIER vorliegt, zeigt: Alles in allem sind nun 35,1 Prozent aller Länder besser platziert. Im Vorjahr war Österreich erstmals aus dem Drittel der besten Nationen gerutscht (33,6 Prozent).

Noch deutlicher ist der schleichende Abstieg im Langfristvergleich: 2005 lag Österreich solide im obersten Viertel, nur 22,9 Prozent der Länder schnitten besser ab.

Deutlicher als erwartet

Das jüngste Abrutschen kommt nicht überraschend. Die Arbeitslosigkeit steigt seit zwei Jahren an, die Unternehmen wagen kaum Investitionen, die Stimmungslage ist schlecht. Das schlägt sich in den Resultaten nieder.

Dass Österreich in Sachen Arbeitsmarkt so schlecht abschneidet, überrascht dennoch. Der Grund: Hier fließen auch das niedrige Pensionsantrittsalter, die hohen Lohnnebenkosten und Steuern, der Fachkräftemangel und die restriktiven Arbeitszeitregeln ein.

Etwas verbessern konnte sich Österreich in den Bereichen Umwelt, Lebensqualität und Innovation. "Da liegen unsere Stärken", erläutert WKO-Experte Stephan Henseler. Bei der Bildung gab es keine Veränderung, dafür in sechs anderen Bereichen einen Rückfall.

Der Abstieg bei der Wettbewerbsfähigkeit sei zwar absehbar gewesen, aber deutlicher ausgefallen als erwartet: Mittlerweile haben 35,1 Prozent der Länder Österreich überrundet – im Vorjahr waren es nur 28,5 Prozent.

Hoffnungsschimmer

Einige Hoffnungsschimmer gibt es aber doch: Die Steuerreform, die Erleichterung für das Crowdfunding und ein allenfalls einsetzender Stimmungsumschwung und Investitionsschub könnten ein besseres Abschneiden bewirken. Ob sich das schon 2016 niederschlägt, sei aber fraglich, sagt Henseler: "Typischerweise gibt es hier eine zeitliche Verzögerung."

Dünger oder Dreck?

Für deftige Sager war das Forum Alpbach übrigens auch 2015 gut. "Reichtum ist wie Mist: Auf einem Haufen stinkt er, gleichmäßig verteilt bringt er Österreich zum Blühen", bemühte Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske ein Zitat von Caritas-Chef Michael Landau. Österreich sei Europameister bei der Vermögensungleichheit, aber Schlusslicht bei Vermögenssteuern.

Die Besserverdiener seien diejenigen, die den Großteil der Steuern zahlen, konterte Leitl: "Wenn der Staat statt Reformen zu machen die Bürger schröpft, dann vertreibt er die Düngerbringer. Am Zürichsee ist es auch sehr schön", warnte er.

„Mutter aller Ranglisten“

Die Schweizer Wirtschaftshochschule IMD reiht 61 Länder nach 340 Kriterien, das Ranking des Weltwirtschaftsforum (WEF) umfasst 144 Nationen mit je 114 Einzelwerten, der World Wide Fund for Nature (WWF) berechnet den ökologischen Fußabdruck für 152 Länder. Wie lassen sich 180 Ranglisten, die so unterschiedlich sind, in eine Kennzahl verdichten?

Relative Position

Die Wirtschaftskammer löst das Problem, indem sie Österreichs relative Position feststellt: Wie viele liegen in jedem Ranking weiter vorne? Diese Prozentzahl wird für zehn inhaltliche Rubriken gesondert erstellt. Der ungewichtete Durchschnitt ergibt dann den Monitoring Report Index (MRI), der Österreichs Abschneiden widerspiegelt: Aktuell liegt das Land demnach unter den besten 35,1 Prozent der Wirtschaftsstandorte.

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