Chicago: Plastik statt Plastik

Seit 1. August sind filigrane Plastiksackerl in Supermärkten verboten. Ersetzt werden sie durch dickere.

Papier oder Plastik? An der Kasse in US-Supermärkten wird man häufig gefragt, worin man seine Einkäufe denn gern verpackt hätte. In vier von fünf Fällen fällt die Wahl auf letzteres. Freundliche Wareneinpacker oder die Kassierer selbst schlichten die Einkäufe dann in die Tragetaschen. Dabei gilt meist das Motto: Doppelt hält besser. Denn ein einziger der dünnwandigen Beutel in Größe eines Obstsackerls, wie man es aus heimischen Supermärkten kennt, trägt kaum das Gewicht einer eineinhalb Liter Orangensaft-Flasche. Darum lieber zwei. So trägt eine amerikanische Familie bei vier Einkäufen im Durchschnitt 60 Plastiksackerl nach Hause.

In Chicago werden jeden Tag 3,7 Millionen der filigranen Tragetaschen ausgegeben. In den gesamten USA sind das jährlich 100 Milliarden Plastiktüten. Damit ließe sich Hawaii bequem zudecken, aneinandergereiht könnte man damit den Äquator umspannen – mehr als 770 Mal. Jeder Amerikaner verwendet ein Sackerl im Schnitt zwölf Minuten lang.

Der Verschwendung dieser Größenordnung will Chicago nun einen Riegel vorschieben. Am 1. August trat ein Gesetz in Kraft, das das Aus für Plastiksackerl bringen soll. Vorerst sind große Supermarktketten davon betroffen, im August 2016 sollen kleinere Händler folgen. Bei Verstößen drohen 300 bis 500 Dollar Strafe.

Gesetzeslücke

Bürgermeister Rahm Emanuel sieht in dem Gesetz einen großen Schritt zu mehr Umweltbewusstsein der Millionenstadt. "Es steht für ein neues, besseres Chicago", frohlockte Stadtrat Proco Joe Moreno und nannte das Plastiksackerl bereits ein "Relikt der Vergangenheit." Doch steht dem Sackerl wohl eine rosige Zukunft bevor, denn das beschlossene Gesetz hat eine Lücke. Es gestattet den großen Handelsketten weiterhin die Gratis-Ausgabe von Plastikbeuteln. Sie müssen lediglich das Prädikat "wiederverwertbar" tragen. Dazu müssen die Tragetaschen mindestens 0,05 Millimeter dick sein, bis zu 10 Kilo tragen können und 125 Mal wiederverwendet werden können. Statt dünnen gibt es künftig also dickere Sackerl, denn Handelsriesen wie Walmart, Target oder Jewel-Osco werden künftig genau darauf setzen. Der Probebetrieb verlief prächtig, die Kunden würden die stabilere Variante gut annehmen.

Mehr Energie

Jordan Parker, Gründerin und Direktorin der Initiative "Bring Your Bag Chicago", kann darüber nur den Kopf schütteln. Die Umwelt werde gleichermaßen und durch höheren Energieverbrauch für die Erzeugung sogar mehr belastet. Und auch im Konsumverhalten werde sich nichts ändern. Wiederverwertbare Sackerl werden in den USA im Schnitt drei Mal verwendet, zeigt eine Studie der Plastikindustrie. Selbst, wenn die Sackerl zu bezahlen sind. Doch gegen eine Steuer (zwischen fünf und 25 Cent) verwehrten sich der Bürgermeister bisher. Wie man beim Verbot in anderen Städten wie Los Angeles oder San Francisco gelernt habe, hätten Gebühren nur kurzfristig positive Auswirkungen. Auf lange Sicht würden die "Konsumenten die Kosten schlucken".

Selten kommt es vor, dass Umweltschützer und Industrie am gleichen Strang ziehen, doch in diesem Fall würden auch Vertreter der Plastikindustrie und des Handels die neuen Plastiksackerl gern lieber verkaufen als verschenken. Denn so ließen sich die Produktionskosten auf die Kunden abwälzen. Vier Milliarden Dollar gibt der US-Handel jährlich für Plastikbeuteln aus.

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