Austropopquote: Ö3 verliert massiv an Reichweite

Ö3-Chef Georg Spatt zum Minus: “Sehr viel mit Auflagen zu tun“
Die deutlichen Verluste im 2. Halbjahr 2015 fallen mit der neuen Selbstverpflichtung zusammen.

Als Ende Jänner die halbjährlichen Ergebnisse des Radiotests eintrudelten, war man im Ö3-Hauptquartier in der Heiligenstädter Lände bereits gefasst: Ein deutlicher Hörerrückgang stand bevor. Senderchef Georg Spatt hatte dem Vernehmen nach intern schon davor gewarnt, dass man wohl Verluste einfahren werde und die Positionierung des Senders im Auge behalten müsse. Bei der werberelevanten Zielgruppe fiel die Reichweite quer durch Österreich unter 50 Prozent – einzig im Burgenland blieb man über der Hälfte. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres war dies noch in vier Bundesländern gelungen.

Gespenst

Warum nur? Eine Antwort drängt sich auf: Das Gespenst Austropop geht wieder um, seit ORF-Chef Alexander Wrabetz im Vorjahr auf Drängen der SPÖ eine freiwillige Selbstverpflichtung einging.

Mit Stichtag 1. Juli 2015 musste Ö3 ganze 15 Prozent Österreich-Anteil spielen. Dagegen hatten sich Spatt genauso wie sein Vorgänger Bogdan Roscic stets entschlossen gewehrt. Im Jahr vor der ORF-Wahl war der politische Druck diesmal aber offenkundig zu groß.

Also ist ein Minus zu verdauen: Der Auswertungszeitraum des Radiotests im zweiten Halbjahr 2015 fiel passenderweise mit der Einführung der Austro-Quote zusammen (1. Juli bis 31. Dezember). Verglichen mit dem zweiten Halbjahr 2014 wurde der Anteil der österreichischen Musik bei Ö3 verdoppelt.

Und der Hörermarkt gab prompt ordentlich nach, für Ö3-Verhältnisse erdrutschartig: Der Sender verlor 2,4 Punkte und liegt nun bei 43,0 Prozent bei der werberelevanten Zielgruppe. Betrachtet man die Auswertung für die Gesamtbevölkerung ab zehn Jahren, betrug das Minus 1,5 Punkte und die Reichweite liegt dort bei 34,9 Prozent. Das sind überdeutliche Verluste für den erfolgsverwöhnten Sender, der in den vergangenen Jahren stabil lag und bisher üblicherweise nur einen halben Prozentpunkt bei seinen Reichweiten verloren hatte.

"Auflagen"

Was sagt der Senderchef dazu? Spatt wird gegenüber dem KURIER recht deutlich: "Wir kennen intern die Gründe für die aktuellen Marktbewegungen sehr genau – das hat sehr viel mit inhaltlichen Auflagen zu tun, die wir im letzten Jahr neu dazubekommen haben." Er versucht die Austropopquote wiederum pragmatisch zu einem Investment in die Zukunft umzudeuten: "Diese Innovationen sollen langfristig den großen Erfolg von Ö3 absichern, kosten aber erwartungsgemäß kurzfristig Reichweite."

Mit am Verhandlungstisch zur Quotenfrage mit Politik und Wrabetz saß auch Radiodirektor Karl Amon. Er kann eine Korrelation zwischen Austro-Anteil und Ö3-Abwärtstrend seinerseits auch nicht ganz von der Hand weisen: "Man muss mit der Österreich-Quote schon sehr sensibel umgehen", so Amon auf KURIER-Anfrage. Und er räumt ein: "Man darf es auch nicht übertreiben, das könnte man aus dem Radiotest ableiten". Bleibt die Frage, wer die Verantwortung für die Verluste des ORF-Radioflaggschiffs tragen muss. "Die trage ich", meint Amon gelassen.

Ein nüchternes Fazit bietet sich an: Die österreichische Pop-Lobby hat sich zwar gegen Österreichs größten Sender mithilfe der Politik durchgesetzt, liefert für Ö3 aber offenbar Quotengift. Und die Medienpolitik hat bewiesen, dass sie den Erfolgssender stoppen kann.

Österreichische Musik ist so vielfältig wie schon lange nicht. Wahrscheinlich sind ihre Proponenten auch so angesehen wie noch nie: Wanda und alle, die in ihrem Strom in die Welt hinaus mitschwimmen, sind weitgehend von Ö3 ignoriert worden. Zumindest, bis sie ihren Durchbruch in breiten Hörerschichten geschafft haben und nicht mehr ignoriert werden konnten. Schlecht? Nicht wirklich.

Ö3 ist vor zwei Jahrzehnten ein Formatradio geworden, was bedeutet, dass ein striktes Musikprofil verfolgt wird. Austropop, worunter man noch in den 90ern Fendrich und Ambros verstand, passte da nicht mehr hinein. Für die arrivierten Künstler bedeutete das eine Bremse beim weiteren Reichwerden. Für jene, die der neue Fendrich werden wollten, einfach nur, dass da nix mehr zu holen ist.

Neues, Relevantes, bahnt sich gerade im Pop stets aus dem Untergrund seinen Weg. So war das mit Rock ’n’ Roll, so war das mit Hip-Hop. Und so ging es auch Wanda. Und echte Erneuerer brauchen kein Airplay als Standesrecht.

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