Arbeitsunlust und falsche Bildungswege

Irgendetwas ist da in Schieflage geraten: Trotz 386.772 Arbeitslosen (im Sommer!) können manche Wirte ihr Geschäft nicht mehr aufsperren, weil sie kein Personal finden (der KURIER berichtete). Kellner, Bauarbeiter und Schlachthof-Mitarbeiter müssen aus Nachbarländern geholt werden. Gute Leute werden fast überall gesucht – und keineswegs liegt das nur an niedrigen Löhnen oder miesen Arbeitsbedingungen. Sondern auch an steigender Arbeitsunlust, mangelnder Flexibilität sowie dramatisch sinkender Bildung (und Lebensart). Wenn zum Beispiel im Justizwachebereich von 220 Anwärtern nur 9 die Prüfung schaffen, dann ist Feuer am Dach.

Vor allem in den Städten möchte jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, maturieren, auch wenn eine Lehre aussichtsreicher wäre. Und obwohl (theoretisch) Sanktionen drohen, ist eine Kombination aus Mindestsicherung und Schwarzarbeit oft attraktiver. "Ich geh AMS" ist mittlerweile ein häufig gehörter "Berufswunsch". Was dazu führt, dass jene, die Arbeit haben, immer noch mehr leisten müssen.

Niedriglohnsektor nötig

Der Arbeitsmarkt zerfällt in viele Teile: in den noch immer erstaunlich großen privilegierten, wo 55-Jährige in Beamtenpension geschickt werden, weil man sie anders nicht los wird (Wiener Stadtwerke); in die Generation Praktikum, u. a. weil viele falsche (modische) Ausbildungswege beschritten werden. Plus in einen Arbeitsmarkt, auf dem es genügend Jobs gäbe, die sich aber (fast) keiner zu den hiesigen Bedingungen leisten kann und will.

Wenn sich die SPÖ auch weiterhin dazu bekennt, den Flüchtlingszuzug nicht ernsthaft drosseln zu wollen, dann muss sie einen neuen Niedriglohnsektor schaffen, auch wenn es den Gewerkschaften dabei den Magen umdreht. Ansonsten wird man ganz viele Leute endlos in der Mindestsicherung behalten müssen, die in der jetzigen Form dann wohl auch nicht mehr finanzierbar ist. Es ist schon absurd genug, wie sich Teile der Wiener SPÖ gegen eine Deckelung sträuben. Müssen da neue Wählerschichten bedient werden?

Kein Wunder, dass Flüchtlinge lieber nach Österreich als nach Portugal ziehen. Bei uns kriegen sie nicht nur mehr Geld als in vielen anderen europäischen Ländern. Man macht es ihnen auch sonst leichter. Warum müssen Zivildiener in Asylunterkünften niedrige Dienste leisten, statt dass dies vor Ort von den Bewohnern unter Aufsicht der Hilfsorganisationen selbst organisiert wird? Weil arabische Männer nicht putzen?

Enttäuschender Kanzler

Wer vom neuen Bundeskanzler Christian Kern einen kleinen Hauch von Pragmatismus erwartet hatte, wurde bisher enttäuscht. Keine Trendwende bei Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik in Sicht. Schade, man hätte gehofft, dass er sich zum Beispiel an seinen alten SPD-Freunden orientiert. Die haben seinerzeit Hartz IV eingeführt. Dafür wurden sie allerdings abgewählt, die Lorbeeren heimste Angela Merkel ein.

Parteitaktisch ist das nicht gerade ermutigend. Inhaltlich aber schon. "Wer keine Visionen hat, braucht bald einen Arzt", hat Kern in seiner klugen Antrittsrede gesagt. Kommt nach Maschinensteuer, Arbeitszeitverkürzung und einer patscherten Reform des Registrierkassen-Murks auch noch etwas anderes? Oder war’s das jetzt mit dem New Deal?

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