Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

700 Favelas gibt es in Rio
Rios Armenviertel werde mühsam von den brutalen Gruppen befreit.

Über der Favela Penha (Fels), einem der vielen Armenviertel von Rio de Janeiro, kreist ein offener Militär-Hubschrauber. Darin sind Scharfschützen postiert. Sie machen Jagd auf einen der großen Drogenbosse der brasilianischen Metropole, der sich in dieser Gegend versteckt haben soll. Zu ebener Erde durchkämmen schwer bewaffnete Polizisten der Sondereinheit "Unidade de Policia Pacificadora" (UPP) mit schusssicheren Westen die Straßen.

"Pazifizierung", also Befriedung, nennen die Behörden diese Strategie. Ziel ist es, den drei äußerst brutal agierenden Drogenkartellen der Stadt, dem "Roten Kommando", den "Freunden der Freunde" und dem "Dritten Kommando", den Garaus zu machen.

39 Favelas von rund 700 sind bereits "pazifiziert", wie es heißt. Vor allem in der touristischen Zona Sul von Rio. Jüngst wurde die Favela Mare gestürmt, die an der für die Fußball-Weltmeisterschaft strategisch wichtigen Verbindung zwischen Flughafen und Zentrum liegt. Gleich am ersten Tag wurden 200 Kilogramm Kokain und 450 Kilogramm Marihuana beschlagnahmt.

Favela in Jacarezinho:

Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

Favela in Jacarezinho…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

UPP-Einheiten / Favela in Jacarezinho…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

Favela in Jacarezinho…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

Pater Carlos…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

Favela in Jacarezinho…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

UPP-Einheiten / Favela in Jacarezinho…
Jagd auf die Drogenkartelle in Rio

UPP-Einheiten / Favela in Jacarezinho…

"Wie Ratten"

Die Gewalt im Zusammenhang mit der Drogenmafia ist damit aber keineswegs gebannt. "Sie sind wie Ratten: Versucht man sie zu erwischen, tauchen sie unter und irgendwo anders wieder auf", erzählt der Taxifahrer Fabiano, der früher den harten Job eines Militärpolizisten ausgeübt hat. Letztendlich quittierte er den Dienst – aus purem Überlebenswillen: "Von den 50 Männern meines Jahrganges waren nach vier Jahren nur noch 34 übrig."

Die Gangs sind alles andere als zimperlich. Den missliebigen Undercover-Journalisten Jim Lopez von Globo-TV köpften sie mit einem Samurai-Schwert. Und erst jüngst erschossen Drogenbanden des "Comlexo Alemao" elf Polizisten. Dieses Konglomerat verschiedenster Favelas liegt unmittelbar neben der Armensiedlung Penha.

Dort verfolgen die Bewohner, die in ihren Flipflops durch die Gassen schlendern oder in einer der vielen Spelunken ihr Antarctica-Bier trinken, das martialische Treiben der UPP-Kräfte mit einem Mix aus Gelassenheit, Neugierde, aber auch Wut. Seit Jahr und Tag sind sie mit Gewalt und Drogenkrieg konfrontiert.

"Für mich gibt es da keinen Unterschied, früher bestimmten die Bandenführer über uns, jetzt ist es die Polizei. Sie behandelt uns respektlos", sagt einer. Und Nanko van Buuren, Chef einer niederländischen NGO, die in 68 Favelas tätig ist, meint sogar: "Wir sind besetzt."

Müllberge

Schauplatzwechsel: Das Armenviertel Jacarezinho (kleines Krokodil). Aus den Boxen an den Strommasten, die gleichsam von einem Nest aus Kabeln umsponnen sind, dringen stampfende Rhythmen. Es ist das Favela-Radio, das von Geschäftsleuten finanziert wird und neben Musik vor allem Werbung bringt. In den engen, von Schlaglöchern übersäten Gassen herrscht reges Treiben: Fliegende Händler verkaufen Seifen oder alte CDs, in den kleinen Geschäften gibt es von Gemüse über Schuhe bis Möbel alles. Und auch die Müllberge sind unübersehbar.

Alles scheint friedlich seinen Lauf zu nehmen. Doch als unsere Gruppe Fußball spielende Kinder fotografieren will, heißt es plötzlich "schnell weiter", diese Ecke sei ein heißer Drogen-Spot. Wenig später begegnen wir einem schwer bewaffneten UPP-Trupp.

"Weniger Angst"

Jacarezinho, wo geschätzt 70.000 bis 80.000 Menschen wohnen, wurde 2012 "pazifiziert". Pater Carlos von den Don-Bosco-Salesianern, die hier seit 45 Jahren neben der Pfarre auch eine Schule und ein Jugendzentrum betreuen (beides wird von der österreichischen Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" unterstützt) sieht die Entwicklung positiv. "Natürlich gibt es bei uns weiterhin Drogen, auch Gewalt, aber die Situation ist deutlich besser geworden. Die Leute haben weniger Angst und können sich freier bewegen."

Allerdings könnten die Interventionen der UPP-Truppe nur der Anfang sein. "Jetzt muss der zweite Schritt erfolgen", fordert der Geistliche, "das bedeutet: mehr staatliche Initiative hier im Bereich der Bildung, im Gesundheitswesen und in der Infrastruktur. Ansonsten war auch der erste Schritt umsonst."

Macksan Pereira ist einer von den 500 Uniformierten der UPP-Sondereinheit in Jacarezinho, darunter befinden sich auch 50 bis 60 Frauen. Der 25-Jährige räumt zwar ein, dass der Job hier noch nicht gänzlich erledigt sei, verweist aber auf Fortschritte. Ob die Arbeit gefährlich sei? "Es geht so", erwidert der junge Mann, "meine Freundin jedenfalls drängt mich schon, ihn aufzugeben."

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