Was Religionen eint und trennt

Was Religionen eint und trennt
Vertreter von Christentum, Islam und Judentum über Frauenbild, Staat und Kultur.

Was können Sie tun, um die Angst vor dem Islam zu nehmen? Die Frage, die Leser Franz Hiebel der Muslimin Amina Baghajati stellte, bewegte viele der Zuhörer, die am Montag zum KURIER-Gespräch ins Raiffeisen Forum Wien gekommen waren. Das Thema des Abends: Christentum, Islam und Judentum – "Was trennt, was verbindet?" Darüber diskutierten Vertreter der Glaubensrichtungen mit KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter.

Respektvoll

Dass viele Vorbehalte gegen den Islam haben, war an den Wortmeldungen zu merken. Baghajati schien sich dessen bewusst, und man merkte ihr an, dass sie durch manche Angriffe persönlich betroffen war. "Es braucht viele Strategien für ein gutes Miteinander", meint sie. So müsse innerhalb der muslimischen Gemeinschaft vieles diskutiert werden. In der Gesellschaft sei ein Diskurs notwendig, in dem alle Seiten offen über Ängste und berechtigte Sorgen sprechen können: "Falsch verstandene Höflichkeit bringt uns nicht weiter." Einen Zuhörer hielt es bei diesem Satz nicht auf seinem Platz: "Da spricht die Richtige", ärgerte er sich. Dies war der einzige Zwischenruf an dem Abend, an dem offen, aber fair geredet wurde. "Ein großes Lob an die KURIER-Leser, die so ernsthaft und respektvoll diskutierten. Und das in Zeiten, wo es im Internet oft nur noch wüste Beschimpfungen gibt", kommentierte dies Moderator Brandstätter.

Vorbehalte

Ängste gebe es nicht nur bei Christen und Atheisten, auch unter Juden wird die Zuwanderung mit Unbehagen beobachtet: "Antizionismus und Antisemitismus gehören in vielen islamischen Ländern zur Staatsdoktrin. Darüber müssen wir reden", sagte Schlomo Hofmeister, Gemeinderabbiner in Wien. Brandstätter sieht es als Aufgabe der Österreicher, den Flüchtlingen die Geschichte des Holocausts und die Lehren daraus zu vermitteln.

Urvater Abraham

Bei allen Konflikten haben die drei Weltreligionen viel Gemeinsames. Ihre Anhänger glauben an denselben Gott, sie haben gemeinsame Vorväter wie Abraham. Einend sind Werte wie Barmherzigkeit und soziales Gewissen. Der katholische Weihbischof Franz Scharl verwies darauf, dass es in Österreich die Kirche sei, die versuche, Brücken zu Juden und Muslimen zu bauen. "Dass es in Wien an der kirchlichen pädagogischen Hochschule KPH eine Ausbildung für Religionslehrer aller drei abrahamitischen Religionen gibt, ist weltweit einmalig. "Was uns verbindet, trennt uns auch", meinte Hofmeister. "Jahrhundertelang standen wir im Kreuzfeuer. Das Christentum ist ja aus dem Judentum entstanden und wir mussten uns immer rechtfertigen."

Kriege

Trennend wirken weltpolitische Herausforderungen wie die Kriege im Nahen Osten. "Das sind politische Konflikte, die religiös aufgeladen sind. Lassen wir uns nicht von Verbrechern wie dem sogenannten Islamischen Staat instrumentalisieren", rief Baghajati auf. Der Koran erlaube nur einen Verteidigungskrieg, keinen Angriff. "Kirchen und Synagogen sind zu schützen." Wie es generell mit dem Verhältnis von Staat und Religions bestellt sei, wollte Brandstätter wissen. Weihbischof Franz Scharl meinte, dass es Situationen gibt, wo Widerstand nötig sei. Man denke an den Fall Franz Jägerstätter. Aktuelles Thema sei die Abtreibung: "Wir müssen diskutieren, wann der Mensch beginnt und was Euthanasie ist."

Vorschriften

Für Juden gelte: "Religiöse Vorschriften haben oberste Priorität. Wo sie diese nicht ausüben können, müssen sie ausreisen. Das Judentum steht aber in keinem Widerspruch zu einer Demokratie", sagte Schlomo Hofmeister. "Wo ein Muslim seine Religion ausüben kann, habe er dem gegenüber dem Staat loyal zu sein", sagte Baghajati.

Im säkularen Europa ist die Frage der Gleichberechtigung eine wesentliche. "Warum unterdrücken die Religionen die Frauen?", wollte eine Zuhörerin wissen. "Alle Menschen sind gleichwertig", antworteten die Religionsvertreter unisono.

Dass es in der islamischen Welt noch Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung gibt, weiß die Muslimin: "Immer wenn ich Auto fahre, bete ich, dass meine Schwestern in Saudi-Arabien das bald auch dürfen."

Kultur, nicht Religion

Hofmeister warnte davor, in diesen Fragen Religion mit Kultur gleichzusetzen. "Vieles, was in Europa als typisch muslimisch bewertet wird, gibt es in christlichen Ländern Afrikas ebenso, etwa die Zwangsverheiratung und die Beschneidung von Frauen." Noch lange warten können Katholiken wohl darauf, dass Frauen Priesterinnen werden können: "Das kommt nicht so schnell", stellte Scharl fest.

Im Schlafzimmer

"In der Kirche gibt es so viele homosexuelle Priester. Warum hat sie ein Problem damit?", fragte Brandstätter. "Es bleibt Sünde", antwortete Scharl. Wie man mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen umgehe, müsse "innermuslimisch weiterentwickelt werden", meinte Baghajati. Und Rabbi Hofmeister sagte dazu: "Was im Schlafzimmer passiert, ist Privatsache."

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