"Wir wissen, was im Grätzel funktioniert und was nicht"

Ahmet Dogan (re.) ist Teilhaber des „Pan“. Ins Viertel geholt hat das Restaurant die Gruppe um Peer, Stude, Mayr und Rippl (v. li.).
Die Gruppe "Lebenswerter Nordbahnhof" will bei der Gestaltung des Stadterweiterungsgebiets mitreden.

Der Mietvertrag mit einem Schönheitschirurgen war bereits so gut wie unter Dach und Fach. Der hätte aber die große Fensterfront zur Ernst-Melchior-Gasse blickdicht gemacht und wäre auch kein sozialer Treffpunkt gewesen. Darum ergriff Anrainerin Veronika Mayr die Initiative und suchte gemeinsam mit Gleichgesinnten auf eigene Faust nach Alternativen. Zahlreiche Gastronomen wurden angeschrieben. Mit Erfolg: vor einer Woche eröffnete mit dem hellen, freundlichen Restaurant "Pan" ein Ableger der "Schönen Perle" im Nordbahnviertel.

Das ist Bürgerbeteiligung, wie die Gruppe "Lebenswerter Nordbahnhof" sie sich vorstellt. "Wir wollen bei der weiteren Planung und Bebauung des Stadterweiterungsgebiets mitreden und mitgestalten", erklärt Peter Rippl. "Wir wollen als Bewohner wahrgenommen werden. Denn wir leben hier und wir wissen, was im Grätzel gebraucht wird, was funktioniert und was nicht."

Mobilisiert wird mittels sozialer Medien. Wie zum Beispiel, als es darum ging, die Baumscheiben im Grätzel zu begrünen. "Der Standard ist ja Rindenmulch oder Lavagranulat – das ist dann ein großes braunes Hundeklo", sagt Rippl. Aber über die Gebietsbetreuung (GB) und Facebook fanden einander schnell Gleichgesinnte, die die Baumscheiben in Eigeninitiative bepflanzten.

Ein Anliegen für die weitere Gestaltung des Nordbahnviertels wäre der 12-köpfigen Gruppe auch, dass Erdgeschoßflächen als Erweiterung des öffentlichen Raums begriffen werden. Sprich: Lokale und Geschäfte statt Müllräume und Fahrradständer. "Dafür müssen aber bauliche Tatsachen geschaffen werden", betont Beatrice Stude.

Nach Ansicht der jungen Stadtplanerin tut man als Gruppe den Bauträgern einen Gefallen. "Wenn die wissen, dass es hier engagierte Anrainer gibt, kann man gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. So erhärten sich Fronten gar nicht erst und niemand muss eine Bürgerinitiative gründen, um ein Projekt zu bekämpfen."

Wissen vermehren

"Damit Anrainer besser vorbereitet mitreden können", setzen die Aktivisten von "Lebenswerter Nordbahnhof" auf Weiterbildung. "Wir wollen Wissen vermehren", erläutert Mitglied Christian Peer. Dafür werden Fachleute eingeladen, die dann über Themen wie "Mobilität und Stadtgestaltung" oder über die naturräumlichen Gegebenheiten des Grätzels referieren. Zu den Vorlesungen kommen im Schnitt rund 30 Besucher. Wer will, kann bei der Gruppe auch selber mitmachen.

Information unter nordbahnhof.wordpress.com

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Das Bild, das immer wieder Schlagzeilen von Wien zeichnen, ist oft kein schönes. Walzerseligkeit, Sisi-Kult und Kutschfahrten im Fiaker haben umgekehrt aber auch wenig mit der Lebensrealität der Wienerinnen und Wiener (und der "Zuagrastn") zu tun. Sie finden ihre heile Welt oft im Kleinen. In der Familie, den eigenen vier Wänden, in ihrer Nachbarschaft, im Grätzel.

Genau mit diesen Gemeinschaften wird sich der KURIER in den kommenden Wochen beschäftigen. Bei der großen diesjährigen Sommeraktion können Handarbeitsvereine, Nachbarschaftsgärten oder Jungschargruppen zum "Wiener Grätzel-Kaiser" gewählt werden.

Jetzt bewerben

Sie sind in einem solchen Verein tätig oder kennen Menschen, die sich für die Verbesserung Ihres Grätzels einsetzen – sei es über kulturelle Veranstaltungen, soziales Engagement oder als Hobbygärtner? Dann melden Sie diese bei der Aktion "Wiener Grätzel-Kaiser" an. Ab heute, Donnerstag können interessierte Gruppen und Vereine ihre Bewerbung auf www.kurier.at/graetzel oder per eMail unter graetzel@kurier.at abgeben.

Am 29. Juni beginnt das Voting. Bis einschließlich 6. August können KURIER-Leser ihre Stimme abgeben. Der "Wiener Grätzel-Kaiser" wird am 18. August präsentiert. Der Preis: Ein großes Grätzel-Fest im eigenen Bezirk.

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