Rücktritte, Antritte: 2014, das Jahr der Umbrüche

Michael Spindelegger bei einer Pressekonferenz zur Hypo. Er wollte nicht mehr - und zog sich zurück.
Neue Köpfe im Bund und in Brüssel und eine gehörige "Watschn" für die Hypo-Verantwortlichen: 2014 im Rückblick.

Bei seinem Abtritt schwebte das Desaster dräuend über ihm: Die Hypo, mittlerweile stillschweigend zu Grabe getragen, war einer der Gründe, warum Michael Spindelegger im Sommer das Handtuch warf. Ein schwerer Schlag und vermeintlich der innenpolitische Umbruch des zu Ende gehenden Jahres: Der Republik kamen Vizekanzler, Parteichef und Finanzminister auf einmal abhanden – und damit auch jene Person, die den Scherbenhaufen aus Kärnten wieder in Ordnung bringen hätte sollen.

Bis zu 20 Milliarden waren durch Haftungsübernahmen und eine fachlich nicht zu verteidigende Verstaatlichung der Bank nämlich in den Sand gesetzt worden. „Systemisches Versagen“, nannte es Irmgard Griss. Diese heftige, beinahe unösterreichische Ohrfeige durch ihre Kommission, die den Untergang der Hypo durchleuchtete, sollte Spindelegger nicht mehr als aktiver Politiker erleben. Das Erbe Prölls, Fekters und Spindeleggers verwaltet nämlich nun Hans Jörg Schelling – ebenso wie die unfertig hinterlassene Steuerreform, die schon wieder das Neuwahlgespenst heraufbeschwört. Von neuem Wind ist am Jahresende wenig zu spüren.

Ein anderer Umbruch hat sich währenddessen in Brüssel ereignet. Der Rücktritt Spindeleggers nahmen Medien und Beobachter allerdings deutlich emotionaler wahr als den Parlamentswahl und den Antritt der neuen Kommission – wenngleich deren Entscheidungen Österreich um einiges nachhaltiger beeinflussen werden als man denkt. Zumindest in Sachen Hypo wird die EU auch im kommenden Jahr noch ein Wörtchen mitzureden haben.

Drei Umbrüche, die uns noch länger beschäftigen werden: Diese drei Momente dieses Jahres haben wir herausgegriffen, um das ablaufende Jahr innenpolitisch zu beschreiben.

"Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mit dem heutigen Tag von allen meinen Ämtern in der Partei und in der Bundesregierung zurücktrete". Mit diesen Worten löste Michael Spindelegger am 26. August ein mittleres Erdbeben in der kleinen Republik aus – denn abgesehen von Kanzler und niederösterreichischem Landeshauptmann war niemand zuvor informiert worden.

Als Grund nannte Spindelegger mangelnde Loyalität im zähen Ringen um eine Steuerreform. Querschüsse aus den schwarzen Bundesländern vermiesten Spindelegger schließlich das Regieren. Und so kamen der ÖVP mit einem Schlag Vizekanzler, Finanzminister und Parteichef abhanden. Das hätte die ohnehin stets in Umfragen grundelnde Volkspartei in die eine große Krise führen können – sie nutzte aber den „Wind of Change“.

Spindelegger, Liebling der Karikaturisten und Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, war drei Jahre lang ÖVP-Chef gewesen. Der 15. im Bunde, nachdem er 2011 die Nachfolge Josef Prölls angetreten hatte. Die Volkspartei hat lange Tradition in vielen Dingen – auch im Entsorgen von Obmännern. Im Schnitt hält man sich 4,6 Jahre an der Spitze der Partei.

2008 versus 2014

Rücktritte, Antritte: 2014, das Jahr der Umbrüche

Der Django-Effekt

Ein Ersatz war schnell gefunden: Nach der Schrecksekunde wurde Reinhold "Django" Mitterlehner ins Scheinwerferlicht der Parteispitze gehievt – noch am selben Tag. Der 58-jährige Jurist aus Oberösterreich scharrte schon lange als ewige Nachwuchshoffnung in den Startlöchern. So lange, bis er selbst fast die Hoffnung auf den Spitzenposten aufgab. Allein die Tatsache, dass er anbot, auch in heiklen Punkten zu diskutieren, ließ alle vom "Django-Effekt" sprechen.

Der Großteil der schwarzen Regierungsmannschaft blieb zwar auch unter Mitterlehner erhalten, allen voran die parteilosen Reformhoffnungen Karmasin und Brandstetter; mit Hans Jörg Schelling zog zudem ein Sanierer ins Winterpalais des Prinzen Eugen ein. Auch die SPÖ baute ihr Regierungsteam im gleichen Zug um.

Die Stimmung in der Koalition ist seither deutlich besser – doch man weiß ja nie: Der gelernte Österreicher sollte bei schon wohlbekannter Neustart-Euphorie skeptisch bleiben, denn angesichts von Steuerreform-Debatten geistert schon wieder das Neuwahl-Gespenst durch Wien.

Dieses Mal sollten die EU-Wahlen persönlicher werden, um nicht zu sagen demokratischer. Die Spitzenkandidaten gelobten das Amt des Kommissionspräsidenten besetzen zu wollen, sofern sie als Sieger hervorgingen. Und am Ende kam es dann auch so, allerdings nicht ohne Gegenwehr der europäischen Staats- und Regierungschefs.

Für die EU-Wahl in Österreich verabschiedete sich Eugen Freund von der ZiB, wechselte in die Politik und wollte für die Sozialdemokraten als erster über die Ziellinie schreiten, das schaffte er nicht. Stattdessen gewann ein alter Bekannter, ÖVP-Mann Othmar Karas.

Die Wahlen selbst blieben farblos und wurden über weite Flächen von der europäischen Bevölkerung ignoriert, was einer Wahlbeteiligung von 43 Prozent entspricht. Einzig die Rechten Europas wussten die Wahlen für sich zu nutzen. Was ihnen am Ende des Tages aber wenig brachte. Schließlich scheiterten sie an dem Wagnis eine gemeinsame Fraktion zu bilden.

Gewitter aus der Heimat

Trotz geringer Wahlbeteiligung und großer Zugewinne für die Rechten setzten sich die Konservativen (EVP) gegen die Sozialdemokraten (S&D) an der Spitze durch. Der Luxemburger EVP-Politiker Jean-Claude Juncker wurde am Ende zum nächsten Kommissionspräsidenten gekürt. Damit kehrte aber kaum Ruhe ein. Seine Kommissionskandidaten musste er erst im EU-Parlament durchboxen. Eine Kandidatin, die ehemalige slowenische Ministerpräsidentin Alenka Bratušek, verlor er ganz. Mit fertiger Kommission muss er sich jetzt einem innenpolitischen Gewitter aus seiner Heimat stellen. Lux-Leaks lässt seinen Posten derzeit zumindest leicht vibrieren.

Zurück nach Österreich: ÖVP-Politiker Johannes Hahn verlor das einflussreiche Ressort der Regionalpolitik und bekam dafür das Amt für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen. Die Grüne Ulrike Lunacek wurde Vizepräsidentin des wiedergewählten Parlamentspräsidenten Martin Schulz von der SPE. Das war es dann auch schon mit den Spitzenposten für Österreicher in Brüssel in der ersten Reihe. In den Kabinetten der 28 Kommissare findet sich nicht einmal eine Handvoll Österreicher positioniert, was nicht zuletzt Ohmar Karas und der frühere EU-Kommissar Franz Fischler kritisieren.

Das ist die neue EU-Kommission

Der am 2. Dezember veröffentlichte Endbericht der Hypo-Kommission erschütterte das Land. Nicht nur weil herauskam, dass die Protagonisten des Niedergangs komplett „strategielos“ agierten, sondern auch, weil Irmgard Griss als Vorsitzende nicht mit schonungsloser Kritik urösterreichsicher Verhältnisse sparte: fehlende Courage und systematisches Wegschauen. Die Folge: Seit 2009 mussten die Verluste der Bank im Halbjahrestakt nach oben korrigiert werden. Wieviel das Debakel den Steuerzahlern wirklich kosten wird, weiß man wenn abgerechnet ist – frühestens 2020. Im Worst Case Szenario beziffert sind 19 bis 20 Milliarden Euro.

Die Schuldenlawine kam am 10. Februar dieses Jahres ins Rollen, als klar wurde, dass die heimischen Banken sich nicht an einer Rettung beteiligen würden. Am 14. März gab die Bundesregierung bekannt, dass die Hypo über eine privatwirtschaftliche Bad Bank abgewickelt werde. Dann eine erneute Hiobsbotschaft: Bis zur Gründung der Abbaugesellschaft würden weitere 1,43 Mrd. Euro benötigt. Der Bilanzverlust für 2013 sollte sich schließlich bei 3,1 Mrd. Euro einpendeln. Die nächste Schockbilanz kam am 27. August: Der Halbjahresverlust der Noch-Krisenbank für 2014 belief sich auf 1,67 Mrd. Euro.

Seit 30. Oktober ist die Hypo offiziell Geschichte. Die Banklizenz ist erloschen, aus der alten Hypo wurde eine Abwicklungsgesellschaft namens „Heta“. Damit war das Debakel aber nicht beseitigt: Die Bank sitzt auf einem Abbauteil – faule Kredite und unverkäufliche Assets - von rund 18 Milliarden Euro. Am 28. November platzte zudem der Verkauf der maroden Balkan-Banken an den Investor „Advent“; der einstige Hypo-Eigner BayernLB pocht zudem auf die Rückzahlung seiner Millionenkredite. Laut EU-Vorgaben hat Österreich Zeit für einen unterschriebenen Kaufvertrag bis Mitte 2015. Die „Erfolgsgeschichte“ der Bank wird uns also noch länger beschäftigen.

Das erste zu untersuchende Sujet nach der U-Ausschuss-Reform wird somit die Hypo Alpe Adria sein. Eine Schlüsselrolle wird erneut jener Frau zukommen, die die Aufarbeitung des Skandals auf einen neuen Erkenntnislevel hievte: Irmgard Griss. Geht es nach Bundeskanzler Werner Faymann, könnte sie die Abwicklung der Bank "kontrollierend begleiten".

Was man mit dem Geld machen könnte

Die gesammelten Rückblicke der Ressorts finden Sie unter kurier.at/2014.

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