26. Juli: Der „unvermeidliche“ Krieg und allerhand Ablenkungsmanöver

ÖNB/ANNO 27. Juli 1914
"Vor dem Kriege": Alle rüsten sich. Dazwischen sucht man seichte Unterhaltung.

28. Juni bis 28. Juli 1914 – ein Monat, in dem die Weichen für die Urkatastrophe des Jahrhunderts gestellt wurden. Der KURIER erinnert in seiner 31-teiligen Serie daran, was auf den Tag genau vor 100 Jahren geschah. Heute: der 26. Juli 1914, der Tag, an dem die Zeitungen den Krieg gegen Serbien als „unvermeidlich“ verkünden.

26. Juli: Der „unvermeidliche“ Krieg und allerhand Ablenkungsmanöver
ÖNB/ANNO 27. Juli 1914
Alle rüsten sich für den Krieg. Aus Serbien meldet die Arbeiterzeitung: „Die Straßen sind mit Reservisten gefüllt, die zu ihren Regimentetn einrücken.“ Die Neue Zeitung schreibt gar: „Die Belgrader Presse hat wieder ein wahrer Kriegsrausch erfaßt. Auch in der Bevölkerung spricht man von nichts anderem als von dem kommenden Krieg gegen Österreich.“

Und auf österreichischer Seite macht man sich bereit: „Wahrhaft erhebend sind die begeisterten Kundgebungen der Bevölkerung, welche ihren patriotischen Gefühlen Ausdruck gaben.“

Die Agencia Stesani meldet aus Belgrad: „Kronprinz Alexander hat im Namen des Königs ein Dekret, betreffend die Mobilisierung der gesamten Armee unterzeichnet.“ Und auch die ersten tätlichen Auseinandersetzungen finden statt: „Die Serben haben die Eisenbahnbrücke über die Donau zwischen Semlin und Belgrad in die Luft gesprengt.“

Unterdessen beschleunigt der deutsche Kaiser Wilhelm seine Heimfahrt. „Einer Extraausgabe des Berliner Tagblattes zufolge hat sich Kaiser Wilhelm unterwegs von der Jacht Hohenzollern auf den Kreuzer Rostock eingeschifft, um raschest nach Berlin zurückzukehren.“

Ablenkung

26. Juli: Der „unvermeidliche“ Krieg und allerhand Ablenkungsmanöver
ÖNB/ANNO 27. Juli 1914
Abseits der Kriegsankündigungen sorgt die Presse auch für seichte Ablenkung. So wird die Krönung des Schah von Persien (Bild) beschrieben: „Malerische Szenen von orientalischer Farbenglut und bunter Pracht entfalten sich in Teheran, wo der 17-jährige Sultan Achmed Schah Kadschar den Thron bestieg und in seiner Hauptstadt gekrönt wurde.“

Skurrile Szenen spielten sich bei einer Hochzeit in Brooklyn ab, wo eine Braut ohne Arme getraut wird. Als es um die Unterzeichnung der Heiratsurkunde geht, „zog die junge Frau den Schuh aus, ergriff mit den Zehen geschickt die Feder und unterzeichnete mit flotter Schrift die Urkunde. Sie war nämlich das Wunder ohne Arme aus einem großen amerikanischen Zirkus“.

26. Juli: Der „unvermeidliche“ Krieg und allerhand Ablenkungsmanöver
ÖNB/ANNO 27. Juli 1914
Dramatisch endet ein Tanzabend in Paris. Ein Bär, der aus einer Menagerie entkommen ist, schleicht sich unter die Gäste (Bild). „Anfangs glaubten die im Saal befindlichen Personen, daß ein verkleideter Tänzer sich einen Scherz mache.“ Panik bricht aus, beim darauffolgenden Gedränge werden mehrere Personen verletzt.

Tipp: In der Ausstellung des Wiener Leopold Museums „TROTZDEM KUNST! Österreich 1914–1918“ ist das Originaldokument der Kriegserklärung (Konzept des kaiserlichen Manifestes „An meine Völker“ anlässlich der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien) zu sehen.

Was bisher geschah

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