Streif 2016: Sturzorgie und Sinnfrage

Einer von vielen: Georg Streitberger stürzte als Erster auf dem Weg zur Traverse ins Netz.
Das Geschehen am Hahnenkamm sorgt für Diskussionen.

Wieder einmal ließ Petrus keine Hahnenkamm-Abfahrt in Originallänge zu.

Wieder einmal erwies sich die Streif dennoch selbst für ausgeschlafene Topathleten als (zu?) schwere Partie.

Und wieder einmal drängt sich die Frage auf, ob der Abfahrtssport in dieser dramatischen Form noch zumutbar ist. Zumal die Streif mit Aksel Lund Svindal und Hannes Reichelt auch die weltbesten Speedspezialisten abgeworfen hat.

Nach 30 (von 57) Startern wurde die Abfahrt – so wie das ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel nach 19 gefordert hatte – abgebrochen. Womit das Rennen gemäß FIS-Regel gewertet und der Südtiroler Peter Fill zum Sieger erklärt werden konnte.

Die Diskussionen aber beginnen nach dem vorzeitigen Ende erst recht.

Schwerer Vorwurf

Sind die taillierten Skier zu unlenkbaren Waffen geworden? Verwandelt Kunstschnee die Rennpisten zu Harakiri? Halten Bänder und Gelenke dem Druck nicht mehr stand? Zu den keineswegs neuen Fragen kommt aktuell ein Vorwurf dazu, der nicht erst nach den Unfällen, sondern am Vorabend erhoben wurde. Und das Weltcup-Programm betrifft.

Ein schwieriger Super-G und am längsten Arbeitstag des Winters dann auch noch der Kombi-Slalom auf einem extrem eisigen Hang – dieser Stress sei für Abfahrer so knapp vor dem schwierigsten Rennen des Winters unzumutbar. Sagte auch Svindal.

Gegenargument (u.a. von Weltcupdirektor Hannes Trinkl): Svindal hätte an der Kombi ja nicht teilnehmen müssen, sondern sich schonen können. So wie das Reichelt, der sich im Gegensatz zum Norweger nicht mit Marcel Hirscher um den Gesamtweltcup duelliert, ohnehin getan hatte.

Doch gestern wurde Co-Favorit Reichelt ebenso wie vor ihm Georg Streitberger (Kreuzbandriss) vom Hausberg weg per Hubschrauber ins Spital geflogen. Derselbe Reichelt, der täglich in einem TV-Werbesport mit Mirjam Weichselbraun auf eben diesem (sommerlichen) Hausberg zu sehen ist, wenn ÖSV-Sportchef Hans Pum zu ihm sagt: "Ja Hannes, wo bleibst’ denn schon wieder?"

Glücklicherweise muss Hannes Reichelt nicht im Krankenhaus bleiben. "Nur" eine Knieprellung, die nicht das vorzeitige Saisonende bedeutet. Auch der 18 Kilo schwerere Aksel Lund Svindal kann es wie Reichelt seiner außergewöhnlichen Fitness verdanken, dass er sich schon bald wieder mit Marcel Hirscher (er verfolgte die Abfahrt schockiert vom Hotel-Zimmer aus) matchen kann.

Ungeachtet dessen rätselt Sportdirektor Pum als dienstältester (mittlerweile auch für Springer und Langläufer zuständiger) Coach, weshalb gerade in seiner 40. Saison die Skination Nummer dermaßen deutlich in der Verletzten-Wertung führt.

Allein auf der Streif verletzten sich mit Streitberger, Florian Scheiber und Max Franz drei Österreicher (plus deren Trainer Martin Sprenger) folgenschwer. Allein die Speedgruppe hatte in diesem Winter – angeführt von Olympiasieger Matthias Mayer – bereits vor Kitzbühel fünf Opfer zu beklagen. Weil die Pechsträhne nicht nur auf die Abfahrer beschränkt ist, sondern sich mit Anna Fenninger, Nicole Schmidhofer und dem gelähmten Springer Lukas Müller dramatisch durch alle ÖSV-Lager zieht, fällt eine seriöse Ursachenforschung schwer.

Nur die Doppelmoral hat weiter Hochsaison. Nach sturzfreien Rennen wird rasch über Langeweile geklagt. Von den Gleichen, die nach der grenzwertigen Streifshow die Sinnfrage stellen werden. Wieder einmal.

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