Julia Dujmovits sucht nach neuen Träumen

Julia Dujmovits erfüllte sich in Sotschi ihren großen Traum.
Die Snowboard-Olympiasiegerin spricht über die kleine Sinnkrise nach ihrem großen Erfolg.

Die Wiederholung ist für Julia Dujmovits zur Gewohnheit geworden. Nicht nur auf der Piste zwischen roten oder blauen Toren oder im Training bei der Vorbereitung auf die neue Snowboard-Saison, sondern auch in Interviews. "Jetzt löst sich mal die ’Wie-kommt-man-als-Burgenländer-zum-Snowboarden-Frage‘ ab", sagt die Olympiasiegerin auf die obligatorische Frage, wie sich denn ihr Leben seit dem Erfolg in Sotschi verändert habe.

Sie lacht. Ihre Antwort ist philosophisch: "Einerseits hat sich alles, andererseits auch gar nichts verändert", sagt die 27-jährige Goldmedaillen-Gewinnerin im Parallel-Slalom. Mitte Dezember startet die Güssingerin in Carezza in die neue Saison. Die erste nach der Erfüllung ihres großen Traums.

KURIER: Im Februar haben Sie in Sotschi ihr größtes Karriereziel erreicht. Wie lange dauert es, so etwas zu verarbeiten?

Julia Dujmovits: Schon ein bisschen. Olympia war immer das große Ziel. Das ist erreicht. Gerade in der ersten Zeit, wo der Hype vor allem im Burgenland am größten war, habe ich gemerkt, dass ich es auch vermisse, den Traum zu haben für Olympia zu trainieren. Wenn man Zweiter wird, hat man sofort den Gedanken: So, beim nächsten Mal möchte ich gewinnen. Aber bei einer Goldmedaille gibt es einfach nichts Höheres.

Hat es Sie überrascht, dass ein Olympiasieg auch so etwas wie negative Gefühle auslösen kann?

Ja, das war schon eine Überraschung. Auf das ist man nicht so vorbereitet. Man trainiert jahrelang darauf hin, dass man dieses eine Rennen gewinnen kann und dann gewinnt man es. Alles ist voll perfekt und dann beginnt man sich Gedanken zu machen: Was ist mir jetzt wichtig? Was ist der nächste große Traum? Kann ich diesen Erfolg noch toppen? Muss ich etwas toppen?

Und?

Ich bin draufgekommen, dass es okay ist, wie es ist. In Wahrheit sagt ja keiner, dass ich Olympia-Gold toppen muss. Das ist so ein Reflex-Denken im Sport. Es gibt vielleicht jetzt nicht mehr den Über-drüber-Traum, aber es gibt ja auch andere Lebensbereiche als den Sport. Weil es hat mich schon gestresst, dass ich so ziellos war.

Ist es im Raum gestanden mit dem Snowboarden aufzuhören, weil Sie alles erreicht haben?

Ich habe nicht deshalb etwas Abstand gebraucht, weil ich alles erreicht habe – das habe ich ja auch noch nicht. Sondern um festzustellen, was mir wichtig ist. In dieser Zeit habe ich aber auch gemerkt, dass mir der Sport so viel zurückgibt. Immer wenn ich voll leer war, bin ich eine Stunde laufen gegangen, um wieder neue Energie zu bekommen.

Im Sommer haben Sie auf alternative Trainingsinhalte gesetzt. Ist das etwas, das man sich als Olympiasiegerin erlauben kann?

Klar. Es stimmt, ich habe im Sommer ganz anders trainiert. Letztes Jahr vor den Spielen habe ich so hart trainiert, wie nie zuvor. Heuer habe ich zu meinem Konditionstrainer gesagt: ’Es tut mir leid, aber ich gehe nicht ins Fitnesscenter.‘ Da war ich dann zwei Monate lang auch kein einziges Mal. Ich war stattdessen Standup-Paddeln, Kiten, habe viel Yoga gemacht oder auf Hawaii den Halb-Ironman bestritten. Ich bin immer wieder körperlich ans Limit gegangen, nur halt mit neuen Trainingsreizen. Ich traue mich zu sagen, dass ich jetzt gleich gut am Slalom-Board stehe, wie vor den Olympischen Spielen.

Ist das auch etwas, das Sie durch den Erfolg gelernt haben: Ihre eigenen Wege zu gehen?

Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass ich noch mehr auf mein Gefühl vertraue. Wenn ich das Gefühl habe, Alternativen tun mir gut, ändere ich einfach mein Training. Ich versuche, dem Körper und der Psyche das zu geben, was sie wirklich brauchen. So bleibe ich auch hungrig: Für mich ist jedes Training eine Herausforderung.

Wo liegt denn der Fokus für die nächste Saison?

Ich habe immer gesagt, es ist die Heim-WM am Kreischberg. Das stimmt auch. Aber ich will einfach ab dem ersten Rennen schnell Snowboard-Fahren. In den letzten Jahren war der Fokus immer auf Olympia, weniger auf dem Weltcup.

Die Weltcup-Bewerbe im Snowboard sind in den vergangenen Jahren immer weniger geworden. Fürchten Sie um die Zukunft Ihres Sports?

Nein. Im Gegenteil, wir haben jetzt wieder mehr Rennen. Letztes Jahr waren es sechs Weltcuprennen, heuer sind es elf plus die WM. Da komme ich auf über 20 Rennen, das reicht auch. Man muss auch sehen, dass wir, ja immer mehrere Läufe haben. Das heißt, wir können auch gar nicht so viele Rennen in Serie fahren. Wir sind diesmal wieder in Japan und der komplette Weltcup wird im ORF übertragen. Es geht also wieder richtig stark bergauf.

Hat der Aufschwung mit Ihrem Erfolg und der Bronzemedaille von Benjamin Karl zu tun?

Ich sehe das schon so, dass die Spiele etwas ausgelöst haben. Klar, es fährt deshalb nicht jeder Zweite Alpin-Snowboard. Aber es springt auch nicht jeder Zweite von irgendwelchen Skisprung-Schanzen.

Julia Dujmovits - ein Porträt

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