Die Zeichen stehen auf Privatteam Fenninger

Mit aller Kraft: Olympiasiegerin Anna Fenninger weiß große Teile der Öffentlichkeit auf ihrer Seite.
ÖSV soll Sitzungsprotokolle nachträglich geändert haben. Chef Schröcksnadel spricht am Donnerstag.

Das Duell zwischen Anna Fenninger und dem Österreichischen Skiverband hat am Dienstagabend mit dem Facebook-Posting der Olympiasiegerin die höchste Eskalationsstufe erreicht. Speziell folgende Passage dürfte dem Präsidenten des Skiverbandes, Peter Schröcksnadel, nicht gefallen haben: "Wenn man an einem Punkt angelangt ist und merkt, dass man jahrelang hintergangen wird, Versprechen nicht eingehalten worden sind, sich fügen ohne Argumentation täglich Brot ist, Wertschätzung gegenüber Frauen an frühere Zeiten erinnert, dass alle nach der Pfeife von nur einem einzigen tanzen müssen, ist man erfolgreich – muss man geben – man wird hin- und hergereicht – und am Ende des Tages? Das Ergebnis? Ein stolzer Tiroler, der die Hände nicht mehr runterbekommt."

Dem nicht genug: Mittwochabend zitierte das "Wirtschaftsblatt" aus den Protokollen der Sitzung vom 10. Juni zwischen Fenninger, ihrem Management sowie dem ÖSV. Die Mitschrift soll bestätigen, dass die Mercedes-Kampagne von Anna Fenninger mit dem ÖSV besprochen war. „Der ÖSV änderte dieses nachträglich“, berichtete die Zeitung.

In der Mitschrift von Fenningers Seite findet sich laut „Wirtschaftsblatt“ der entscheidende Satz: „Dem Verband wird mitgeteilt, dass aufgrund der Vorgänge von, um und mit Audi ein unüberwindbarer Vertrauensverlust eingetreten ist und AF (Anna Fenninger, Anmerkung der Redaktion) künftig mit MBÖ (Mercedes-Benz Österreich, Anm.) und Laureus zusammenarbeiten wird. Im Rahmen dieser Kooperation zugunsten der sozialen Projekte von AF werden auch Anzeigenkampagnen geschaltet.“
Im Protokoll des ÖSV findet sich danach der Zusatz: „Das entspricht nicht dem Gesprächsinhalt. Vom Verband wird auf die bestehenden Reglements und das entsprechende Offizialisierungserfordernis hingewiesen.“

Die Öffentlichkeit ist gespalten. Die Salzburgerin muss sich viel Kritik gefallen lassen, erfährt aber auf den sozialen Medien auch viel Zuspruch: Ihr Posting auf Facebook überschritt am Mittwoch die Marke von 100.000 "Likes".

Die Ereignisse vom Dienstag im Überblick

Wie geht es nun weiter im Ski-Streit? Der KURIER liefert zum 26. Geburtstag von Anna Fenninger (am Donnerstag) Fragen – und Antworten.

Ist das Verhältnis Fenninger – ÖSV noch zu kitten?

Eher würden wohl die Autoren dieser Zeilen durch ein Nadelöhr gehen. Am Donnerstagvormittag geben Peter Schröcksnadel und ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner (der Teil der ÖSV-Delegation beim Versöhnungsgespräch in der vergangenen Woche war) eine Pressekonferenz in Wien. Zu erwarten ist, dass Fenninger aus dem Nationalkader fliegt und künftig auf sich allein gestellt ist.

Ohne ÖSV – wie soll sie dann weiterfahren?

Voraussetzung für Rennstarts ist eine Lizenz. Diese wird ihr der Skiverband wohl (oder übel) geben müssen; ansonsten würde er sich wohl einer Schadenersatzklage gegenübersehen, denn die Verweigerung der Arbeitserlaubnis für die Nummer eins der Welt in Riesenslalom und Super-G sowie die Nummer zwei in Abfahrt (hinter Lindsey Vonn) und Superkombination (hinter Tina Maze) könnte extrem teuer werden. Insider schätzen Fenningers Werbewert nach den Erfolgen der letzten Saison auf 1,5 bis zwei Millionen Euro. Pro Jahr. In dieser Höhe würde dann auch der Streitwert liegen.

Und wie wird dann das Training aussehen?

Privatteams sind nichts Neues im Skisport, die Slowenin Tina Maze hat(te) das wohl prominenteste und erfolgreichste. Auch Fenningers Schweizer Freundin Lara Gut oder die Liechtensteinerin Tina Weirather machen viel auf eigene Faust. Zu erwarten ist, dass Fenningers Vertrauenstrainer Meinhard Tatschl und ihr Konditionstrainer und Physiotherapeut Peter Meliessnig bei ihr bleiben, dazu kommt ein Servicemann, den aber ebenso wie das Material ihr Ausrüster Head bezahlt. Das Techniktraining kann in dieser Kleingruppe organisiert werden; für das aufwendigere Speed-Training könnte die Salzburgerin bei anderen Teams andocken. Auch nichts Neues – Norweger, Schweden und Kanadier trainieren beispielsweise oft gemeinsam.

Was würde das kosten?

Mit rund 350.000 Euro pro Jahr sollten Reisen, Gehälter, Steuern und Nebenkosten abzudecken sein. Die Quartiere bei Weltcuprennen werden ohnehin von den Veranstaltern gestellt. Sponsoren von Anna Fenninger haben schon angedeutet, sich an den Kosten beteiligen zu wollen. Und ob das Team dann in Autos mit Ringen oder Sternen unterwegs ist – diese werden in jedem Fall zur Verfügung gestellt.

Und wird dann bei Siegerehrungen die österreichische Hymne gespielt, wenn Anna Fenninger gewinnt?

Selbstverständlich. Denn einen Nationenwechsel hat die Salzburgerin stets dezidiert ausgeschlossen.

Und wie kommt sie zu einem Startplatz?

Der ÖSV könnte ihr einen Platz innerhalb seines Kontingents (in der Regel neun Läuferinnen je Bewerb) verweigern. So lange Fenninger aber ihre Form halten kann und ihre Leistung bringt, wäre das ein gewaltiger Schuss ins Knie.

Am 26. Juni ist die Präsidentenkonferenz des Skiverbandes in Innsbruck. Dort sollte Anna Fenninger – wie alle anderen Medaillengewinner und Würdenträger des vergangenen Jahres geehrt werden. Und dort wäre eigentlich auch noch ein weiteres brisantes Thema auf der Tagesordnung gestanden: die Entscheidung nämlich, welcher österreichische Ort sich für die alpine Ski-WM 2023 bewirbt. Ein Thema mit Brisanz, das innerhalb des Verbandes seit Monaten für Diskussionsstoff sorgt.

Zunächst schien Saalbach-Hinterglemm nach dem geglückten Comeback im Skiweltcup in der Poleposition, längst aber steht es zumindest unentschieden zwischen den Salzburgern und der Konkurrenz von St. Anton und Lech am Arlberg. Beide Seiten haben sich zwischendurch bereits befetzt, die Salzburger wähnten sich zunächst siegessicher, hinter vorgehaltener Hand wurde aber auch über die Machenschaften der Tiroler Rivalen getuschelt.

Wie auch immer: Inzwischen sickerte aus ÖSV-Kreisen durch, dass der Verband die Entscheidung vorsorglich vertagen wird. Wahrscheinlich sogar auf das nächste Jahr. Denn wenn der ÖSV im Moment etwas überhaupt nicht brauchen kann, dann ist es ein weiterer Unruheherd – und eine Streiterei unter den Landespräsidenten.

Anna Fenninger feiert am heutigen 18. Juni Geburtstag. Nicht nur deshalb werden ihr gefühlte 80 Prozent der Öffentlichkeit wünschen, dass sie im Zwist mit dem Skiverband den längeren Atem hat.

Ein junger Sieger wird, vor allem, wenn er über so viele optische Vorteile verfügt, stets einen Sympathie-Bonus haben. Und ein Verbandspräsident wird, vor allem, wenn er sich im Seniorenalter befindet, für die Mehrheit der Sportfans immer der Böse sein. Das war schon so, als Skispringer-Liebling Andi Goldberger mit dem ÖSV im Clinch lag. Nur: Damals ging’s auch um bisserl Koks, diesmal geht’s um viel mehr Kohle.

Fenninger und ihr deutscher Manager fahren auf Mercedes ab. Der ÖSV hat Audi als Sponsor. Doch nicht allein deshalb scheinen die Karren verfahren, zumal Sturköpfe am Steuer sitzen.

Einerseits ist’s legitim, dass ein Manager exklusive Verträge für seinen Schützling bevorzugt, weil er so fettere Provisionen kassieren kann. Andrerseits ist nachvollziehbar, dass ein Verband, der seine Athleten von Jugend an kostenintensiv aufgepäppelt hat, darauf achtet, dass das Talent sich auch noch als Star an die Verbands- und Werberegeln hält.

Dass seine beste Läuferin das System infrage stellt, das bei Benjamin Raich, Hermann Maier, Marcel Hirscher und Marlies Schild erfolgreich funktioniert hat, erzürnt ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel. Doch er würde von Österreichs Funktionär Nummer 1 zum Buhmann werden, sollte Fenninger seinetwegen ins Ausland flüchten. Klüger ist es, die Aufmüpfige weiter für Österreich starten und dennoch aus dem ÖSV ausscheren zu lassen.

Als One-Woman-Show könnte Anna werben, so viel und für wen sie will. Aber sie müsste Betreuerteam und Reisen nicht nur selbst finanzieren, sondern andere Teams bitten, sie als Trainingsgast aufzunehmen. Denn für ein Speedtraining bedarf es genauso abgesperrter, abgesicherter, gut präparierter Pisten wie in einem Weltcup-Rennen.

Der Mehraufwand für Solisten im Skirennlauf ist enorm. Das wird Anna wissen. Schließlich ist sie kein naives Mädl von der Alm und alt genug. Heute wird sie 26.

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