Raffl: "In der NHL gibt es kein Jammern"

Michael Raffl überzeugte in Philadelphia mit 21 Toren und ist Österreichs Hoffnungsträger bei der WM.

Lustig. Es reicht ein Wort, um ein Gespräch mit Michael Raffl zu beschreiben. Der 26-jährige Villacher lächelt schelmisch, wenn er im KURIER-Interview über seine 21 Tore bei den Philadelphia Flyers spricht, an die am Freitag in Prag beginnende WM denkt oder vom Konkurrenzkampf mit seinem Bruder Thomas erzählt.

KURIER: Sie haben 67 NHL-Spiele absolviert. Wie fit sind Sie?
Michael Raffl: Es zerrt, weil es kaum Pausen zwischen den Spielen gibt. Aber ich hab’ danach zwei Wochen Pause gehabt. Ich fühle mich gut.

Sie hatten eine Lungenentzündung. War das ein Alarmsignal?
Das Problem war, dass ich nicht zugeben wollte, wie weh es mir tut. Dann hat es mich richtig erwischt. Das war falscher Ehrgeiz. Ich breche mir lieber einen Knochen als so krank zu sein.

Sie haben 21 Tore erzielt. Wie erklären Sie sich den Aufschwung nach den neun Treffern in Ihrer ersten NHL-Saison?
Mehr Erfahrung, die Ruhe, man weiß wo man hingehört, man kennt seine Rolle in der Mannschaft besser. Dann kann man auch lockerer spielen.

Sie haben verschiedene Rollen übernehmen müssen – in der Star-Linie mit Claude Giroux und Jakub Voracek genauso wie in einer der Defensiv-Linien. Wie schwierig ist das?
Es ist nicht immer ein Spaß. Aber deshalb spielt man in der NHL, du bekommst dafür dein Geld. Da gibt es kein Jammern.

Die Medien in Philadelphia waren von Ihrer Leistung angetan und lobten ihre Vielseitigkeit.
Vielleicht hat mir meine Zeit in Schweden geholfen, weil ich mich dort defensiv weiterentwickelt habe. Die Offensive ist eine Talentfrage, die Defensive muss man sich erarbeiten.

Sie haben auch einmal eine Rauferei gehabt. Wollten Sie sich damit Respekt verschaffen?
Es waren zwei. In Nordamerika gehört es mehr dazu als in Europa. Bei der ersten habe recht gut ausgesehen. Dann war mein Selbstvertrauen etwas zu hoch. Zwei Tage später habe ich ein paar auf die Nuss bekommen und das Experiment war wieder beendet.

Die Flyers haben Trainer Craig Berube nach dem Verpassen der Play-offs entlassen. Was bedeutet das für Sie?
Es ist eine neue Chance. Und es gibt mir neue Energie für den Sommer. Ich darf nicht satt sein und werde richtig hart arbeiten müssen und wieder bei null beginnen. Das wird mich besser machen.

Müssen Sie nach zwei Jahren in der NHL immer noch um Ihren Platz zittern, oder haben Sie es bereits geschafft?
Dort hat man es nie geschafft. Du hast leider nie eine Ruhe. Auf das freue ich mich, wenn ich wieder zurück nach Villach kommen kann – später dann, wenn ich 34 bin.

Was machen Sie in Philadelphia, wenn Sie nicht Eishockey spielen?
Ich war früher immer wie aufgezogen und hab’ immer was machen müssen. Aber wir sind so viel unterwegs, dass ich mich richtig freue, wenn ich nach Hause komme und alleine auf der Couch sitzen kann.

Raffl: "In der NHL gibt es kein Jammern"
APA20714744_12102014 - PHILADELPHIA - USA: Michael Raffl (Flyers) am Samstag, 11. Oktober 2014, nach der Partie der Philadelphia Flyers gegen die Montreal Canadiens im Wells Fargo Center in Philadelphia (USA). Die Flyers mussten sich mit 3:4 nach Penaltyschie§en geschlagen geben. FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Werden Sie auf der Straße in Philadelphia erkannt?
Ich bin nicht so eine große Nummer. Hie und da werde ich erkannt. Aber wenn man mit einem Giroux herumläuft, dann braucht man nicht für viele Getränke zahlen. Mit den Superstars wird man überall angesprochen. Das ist aber auch nicht immer angenehm, vor allem in einer so schlechten Saison.

Sie verdienen mit ihrem Zwei-Jahres-Vertrag bis 2016 2,2 Millionen Dollar (Anm. 2 Mio. €). Was bedeutet Geld für Sie?
Ich brauch’ nicht wirklich viel. In Villach würde ich immer noch mit meinem alten Ford fahren. In Österreich habe ich jetzt nicht einmal ein Auto. Ich bin kein Sparefroh, ich zahle gerne eine Runde, meine Jungs müssen nix zahlen. Drüben habe ich mir schon ein schönes Auto gekauft (Anm. Audi RS7). Da habe ich mir selbst was geschenkt. Vielleicht baue ich mir ein Haus, wenn ich noch einen Vertrag bekommen.

Im österreichischen Nationalteam sind einige neue Spieler. Wie ist Stimmung?
Der frische Wind fühlt sich gut an. Es taugt mir auch, dass sie Christoph Brandner und Dieter Kalt ins Trainerteam eingebaut haben. Es macht Spaß. Jetzt kann ich den Jungen schon ein bisserl was zeigen. So wie ich mir früher Tipps von den Älteren geholt habe.

Die WM 2013 war Ihr Tor in die NHL. In Helsinki haben Philadelphia-Scouts beobachtet, wie Sie gegen die Top-Stars spielen und waren überzeugt.
Genau. Deswegen ist es wichtig, dass die Jungen bei uns eine Chance bekommen.

Was ist in Prag möglich?
Gewinnen werden wir die WM wahrscheinlich nicht. Unser Ziel ist es, ein, zwei Spiele zu gewinnen und erstklassig zu bleiben. Mit so einer jungen, hungrigen Mannschaft mit einem guten Torhüter wie Bernhard Starkbaum ist vieles möglich.

Wie verfolgen Sie die EBEL?
Über ServusTV, Laola1 oder Zeitungen. Wenn mein Bruder oder der VSV spielt und ich Zeit habe, bin ich live dabei.

Was haben Sie im Viertelfinale gemacht, als Villach gegen Salzburg mit Ihrem Bruder Thomas gespielt hat?
Ich habe ich mir nicht gedacht, dass ich nicht weiß, zu wem ich helfen soll. Nach dem Sieg gegen den VSV war ich ein Thomas-Fan.

Was würden Sie jungen Spielern raten, deren Karriereziel die NHL ist?
Wenn sich an der hohen Anzahl an Legionären in der Erste Bank Liga nichts ändert, wird es schwer. Da ist es schwer für einen Jungen, sich zu entwickeln, wenn er nur in der vierten Linie spielt. Ich habe schon mit 18 Jahren die Chance bekommen, mit zwei Legionären oder zwei Top-Österreichern zu spielen. Das sehe überhaupt nicht in Österreich. Aber man sollte nie aufgeben. Wenn man gut genug ist, wird man früher oder später erkannt.

Raffl: "In der NHL gibt es kein Jammern"
APA16680794-2 - 28012014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT SI - Der Eishockeyspieler Thomas Raffl am Mittwoch, 28. Jänner 2014, im Rahmen der Olympia-Einkleidung im Marriott-Hotel in Wien. Die 22. Olympischen Winterspiele finden vom 7. bis zum 23. Februar im russischen Sotschi statt. APA-FOTO: EXPA/ JFK
Hat es so etwas wie Neid in der Familie gegeben, als Sie vor zwei Jahren in die NHL gekommen sind?
Thomas (Anm. stürmt für Salzburg) und mich hat immer gesunder Ehrgeiz angetrieben. Wenn er nicht so professionell trainiert hätte, wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin. Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der im Sommer so hart arbeitet wie er. Das pusht mich jeden Tag.

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