Schröcksnadel: "Ich bin kein Diktator. Das ist Leadership"

Der 73-jährige Schröcksnadel beherrscht das Spiel mit der Macht.
Der ÖSV-Präsident spricht über gierige Manager, das ÖSV-System und sein Image als Mini-Napoleon.

KURIER: Herr Schröcksnadel, kaum war Ihre Pressekonferenz zu Ende, zündelte der Manager von Anna Fenninger weiter. Klaus Kärcher meinte, er sei nicht abgesetzt. Geht das Sommertheater nun weiter?
Peter Schröcksnadel:
Das ist uns wurscht, was der sagt. Ich bin mit der Anna in Kontakt und will jetzt keinen Wirbel mehr.

Meinten nicht Sie, dass Klaus Kärcher nicht mehr Manager von Anna Fenninger ist, sondern nur mehr ihr Berater ...
Er kann ja nur Berater sein, denn der ÖSV managt Anna. Ein paar Sponsoren aufstellen ist kein Management. Er grast nur die vorhandenen Sponsoren ab und verlangt einfach noch mehr.

Dann ist aber der nächste Wickel vorprogrammiert, wenn Herr Kärcher einen Sponsor bringt, der dem ÖSV nicht passt ...
Das wird er nicht machen. Ich nehme nicht an, dass er so dumm ist.

Sie stehen im Ruf, Sklavenverträge zu machen. Wie sehen die Athletenvereinbarungen aus?
Der Verband kassiert bei jedem Vertrag zehn Prozent. Das ist aber gar nichts. Denn die Manager kassieren 20 bis 30 Prozent ab. Wenn der ÖSV den Vertrag abschließt, erspart sich der Athlet das Managerhonorar.

Das klingt wie eine Eigenwerbung, damit die Athleten die Verträge mithilfe des ÖSV abschließen.
Das ist auch schlauer, weil wir viel mehr Geld bringen als die anderen. Im Vergleich zu den anderen Ländern verdienen unsere Athleten um die Hälfte mehr. Wir sind gut, wirklich gut. Und jetzt bin ich nicht überheblich: Aber ich bin der Beste (lacht).

Wie können Sie das von sich behaupten?
Weil ich das meiste Geld bringe. Bei den Managern sind die Athleten nur Faustpfand. Ich habe die Firmen an der Hand, die ruf’ ich an und fertig. Dafür kassiere ich nichts. Ich bekomme vom ÖSV keine Spesen. Das Auto und auch die Flüge zahle ich mir selbst.

Jetzt stellen Sie sich aber selbstloser als der Papst dar ...
I bin’s aber. Das weiß jeder im Verband.

Es gibt sicher keine Umwegrentabilität für Ihre Firmen ...
Sie, meine Firma gibt es seit 50 Jahren. Da brauche ich keine Umwegrentabilität. Einzig mein sitour-Kapperl trage ich als Talisman. Weil ich es 1991 bei meiner ersten Ski-WM auch getragen habe und wir damals elf Medaillen gewonnen haben.

Anna Fenninger hat in ihrem Facebook-Posting beklagt, dass sie als Frau zurückstecken muss. Geht es hier nur um die Umgangsformen oder mehr ums Geld, weil sie weniger verdient als Marcel Hirscher?
Das ist durchaus möglich. Aber das bestimmen nicht wir, sondern der Markt.

Sind Damen schwieriger an Sponsoren zu vermitteln?
Nein, das glaub’ ich nicht. Es kommt bei einer Frau auch immer drauf an , wie attraktiv sie ist. Da hat die Anna eindeutig Vorteile. Aber wir haben auch andere hübsche Rennläuferinnen.

Sie bekamen viel Häme für Ihren Vergleich, wie Frauen und Männer unterschiedlich kommunizieren, wenn sie während einer Autofahrt die Toilette aufsuchen müssen. Sind Sie ein Macho?
Allen Feministinnen, die jetzt hämische Kommentare schreiben, sei gesagt, diesen Vergleich habe nicht ich mir ausgedacht, sondern den habe ich im Buch Die Sprache der Frau gelesen. Was ich damit sagen wollte, ist, dass die Trainer die Sprache der Frau lernen müssen. Wir haben in den letzten zwei Jahren fünf Damen im Team verloren. Ich denke auch daran, dass es in Zukunft eine Damenbeauftragte geben soll.

Hätte sich der ÖSV überhaupt leisten können, die erfolgreichste Skifahrerin zu verlieren? Die Sponsoren hätten es sicher nicht gerne gesehen ...
Das wird überschätzt. Schauen Sie, was das betrifft, habe ich alle paar Jahre ein Déjà-vu. Da gab es den Goldberger und einige andere. Wenn du von einem Tag auf den anderen Tag berühmt wirst, beginnst zu fliegen. Dann kommt ein Manager und redet dem Sportler ein: "Das ist ein Wahnsinn, wie der ÖSV dich behandelt." Aber das Problem ist, Skifahren ist ein Einzelsport in einer Mannschaft. Für Super-G und Abfahrt brauchst eine Mannschaft, um gut zu werden. Die Anna Fenninger ist ein Asset für den ÖSV, keine Frage. Aber wir bekommen nicht weniger Geld, wenn sie nicht dabei ist. Die Sponsoren setzen auf die Mannschaft, und sie wissen, dass immer ein Neuer nachkommt. Das System hätte es überlebt.

Apropos ÖSV-System: Ausbrechen ist ein Tabu. Warum?
Wir haben ja nicht nur die Skifahrer, sondern zum ÖSV gehört alles von den Nordischen bis zu den Biathleten. In diesen Sparten gibt es kaum Geld zu verdienen. Wir übernehmen für alle die Kosten. Der ÖSV zahlt das Training, die Trainer, alle Reisekosten bis zum Kaffee. Im Jahr kostet das 16 Millionen Euro. Unser System wird gerne als altmodisch kritisiert. Ich finde es modern. Denn es ist sozial gerecht, weil nicht nur die Reichen den Sport professionell betreiben können. Im ÖSV-Team gibt es nur zwei, die sich alle Nebenkosten selbst zahlen könnten: Das sind die Anna und der Marcel Hirscher.

Wie viel hätte Anna Fenninger bei einem Ausscheiden aus dem ÖSV an zusätzlichen Kosten kalkulieren müssen?
Zwischen 400.000 und 500.000 Euro pro Jahr.

Wenn Sie alles so selbstlos und sozial organisieren: Warum haben Sie den Ruf, ein Diktator zu sein?
Das weiß ich nicht. Es ist mir auch wurscht. Ich weiß, was ich tue. Ich habe noch nie Geld genommen. Trotzdem habe ich ständig die schlechte Nachrede, dass ich Geld nehme. Das ist eigentlich blöd, aber man hat eben nicht nur Freunde im Leben. Der Rest interessiert mich nicht.

Möglicherweise, weil Sie im letzten Moment die Macht demonstrieren und Anna dann doch in die Schranken weisen?
Das ist eine Frage von Leadership und hat nichts mit Diktator-Gehabe zu tun.

Peter Schröcksnadel ist keiner, der Auseinandersetzungen scheut. Nicht nur Olympiasiegerin, Gesamtweltcupsiegerin und Doppelweltmeisterin Anna Fenninger bekam schon den Zorn des mächtigen ÖSV-Präsidenten aus Tirol zu spüren.

Schröcksnadel vs. Andreas Goldberger Der Skispringer war Anfang der 1990er-Jahre einer der ersten Athleten, die mit einem eigenen Manager (Edi Federer) aufgekreuzt sind. Das sorgte seinerzeit für große Unruhe, aber der Streit eskalierte erst so richtig, als Goldberger des Kokain-Konsums überführt wurde. Der Skispringer wollte daraufhin sogar für Serbien starten und posierte mit dem Tschetnik-Gruß. Erst ein öffentlicher Krisengipfel mit Helmut Zilk brachte die Parteien wieder auf einen Nenner.

Schröcksnadel vs. Rainer Schönfelder Mit dem Ski-Exzentriker verband den Präsidenten eine Hassliebe. Einerseits imponierte Schröcksnadel der lässige Kärntner, andererseits hatte er mit ihm immer wieder Sträuße auszufechten. Vor allem, als Schönfelder 2007 nach einer verlorenen Wette in Wengen nackt über die Piste raste, ging es rund – ÖSV-Sponsoren forderten den Rausschmiss des Kärntners. Allerdings hielt Schröcksnadel Schönfelder die Stange und verdonnerte ihn nur zu einem Tag Sozialarbeit.

Schröcksnadel vs. Ötztal Vor vier Jahren lag der ÖSV-Präsident mit den Vertretern des Verbandssponsors Ötztal im Clinch. Grund: Die Ötztaler hatten sich erdreistet, das US-Skiteam finanziell zu unterstützen und den Weltcupauftakt in Sölden mit Plakaten zu bewerben, auf denen US-Läufer zu sehen waren. "Das Ötztal darf nicht Colorado werden", polterte der ÖSV-Chef und drohte, Sölden den Weltcup zu entziehen. An Sölden-Boss Jakob Falkner, einem der mächtigsten Tiroler, biss sich aber selbst Schröcksnadel die Zähne aus. Die Ötztaler unterstützten weiterhin Bode Miller – und der Weltcup startet auch heur wieder in Sölden. Dass die Deutsche Veronique Hronek 2012 mit der Aufschrift "Kärnten Mölltaler Gletscher" auf dem Helm fuhr, war indes kein Problem.

Schröcksnadel vs. Gian-Franco Kasper Der ÖSV-Präsident und der FIS-Präsident sind in der Vergangenheit schon öfter zusammengekracht. Höhepunkt der Auseinandersetzungen: 2009 rief Schröcksnadel als Gegenbewegung zur FIS kurzerhand den Europäischen Skiverband (ESF) ins Leben und ließ in der Halle in Metz eine EM durchführen. "Schröcksnadel und ich, wir sind keine Freunde", sagte FIS-Boss Kasper damals. Seither ist es ruhig geworden um den Verband – die letzte Medienmitteilung stammt vom 24. April 2014 und bewarb eine Skihalle in Litauen.

Schröcksnadel vs. Josef Strobl und Andreas Schifferer Weil ihnen Hermann Maier in der WM-Abfahrt 2003 ohne Qualifikation vorgezogen worden war, drohten Josef Strobl und Andreas Schifferer mit einem Nationenwechsel. "Ich tue mir dieses Theater nicht mehr lange an", sagte Schifferer über den Präsidenten und Hermann-Maier-Manager. Dennoch blieb er – Strobl hingegen wechselte 2004 nach Slowenien.

Money-Maker

Peter Schröcksnadel wird gerne als "Ecclestone des Skisports" bezeichnet. Der 73-jährige Tiroler ist als ÖSV-Präsident der mächtigste Sportfunktionär des Landes. Als Schröcksnadel 1990 als Präsident antrat, war der ÖSV in einem jämmerlichen Zustand. Damals hatte der Verband ein Budget von 38 Millionen Schilling. Heute sind es 40 Millionen Euro.

Millionen-Business

1964 gründete der Tiroler sitour. Die Firma ist heute als Weltmarktführer in 1000 Skigebieten in Europa, den USA, Kanada und Japan mit 60.000 Werbeflächen präsent. Sein Unternehmen Feratel liefert von mehr als 440 Kamera-Standorten Live-Panoramabilder und Wetterdaten für TV, Internet und Handy. Das Schröcksnadel-Imperium leitet mittlerweile sein Sohn Markus (50).

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