Österreichs Trainer das Maß der Dinge

Die besten Skispringer der Welt werden von österreichischen Trainern betreut. Was können Alex Pointner, Alexander Stöckl und Werner Schuster besser als die Konkurrenz aus dem Ausland?

Anton Innauer lächelte still in sich hinein. Dabei wirkte er fast noch seliger, als nach so manchem goldenen Triumph in seiner aktiven Ära beim Österreichischen Skiverband. Seit zwei Jahren ist der Doyen des rot-weiß-roten Skispringens nun im Ruhestand, doch die Vergangenheit holt ihn immer wieder ein.

In Oberstdorf durfte Innauer als ZDF-Experte Zeuge seines nachhaltigen Wirkens werden. Eine jahrzehntelange Pionierarbeit, die selbst in Deutschland und in Norwegen noch Spuren hinterlassen hat, wie das Siegespodest beim Tourneestart in Oberstdorf beweist.

Der norwegische Sieger Anders Jacobsen? Schützling von Alexander Stöckl.

Der Zweite Gregor Schlierenzauer? Überflieger aus der Mannschaft von Alexander Pointner.

Der drittplatzierte Deutsche Severin Freund? Weitenjäger in Diensten von Werner Schuster.

Drei Springer, drei österreichische Trainer, ein prominenter Mentor – Pointner, Stöckl und auch Schuster, die Erfolgstrainer der Gegenwart, sind seinerzeit alle durch die Schule von Anton Innauer gegangen.

Exportschlager

Das Land der Berge, es ist längst ein Land der Adler geworden. Auf den Schanzen haben die österreichischen Springer ohnehin seit Jahren schon die Lufthoheit – die Nationenwertung ist seit 2005 in rot-weiß-roter Hand – aber mittlerweile haben auch auf dem Trainerturm die Österreicher das Sagen. „Diese Trainer sind Prototypen der bestmöglichen Ausbildung“, weiß Innauer, „als frühere Springer, Stams-Lehrer und durch ihr Studium sind sie hochgradig qualifiziert.“

Der österreichische Fluglotse ist in den letzten Jahren zunehmends zum Exportschlager avanciert. In Norwegen und Tschechien, in der Schweiz und in Russland sind und waren österreichische Trainer bereits engagiert, sogar in den Niederlanden leistet mit Arthur Pauli ein Österreicher Entwicklungshilfe. „Die Nationen orientieren sich eben danach, wo die besten Skispringer herkommen“, sagt Werner Schuster, der seit 2008 den deutschen Adlern Flügel verleiht. „Im Fußball sind dafür die holländischen Trainer gefragt.“

Aufstieg

Den größten Karrieresprung hat wohl Alexander Stöckl hinter sich. Vor zwei Jahren arbeitete der 39-jährige Tiroler noch relativ unbeachtet im österreichischen Nachwuchs, heute ist er gefeierter Erfolgscoach in Norwegen, dem Mutterland des Skispringens. „Ich empfinde es als große Wertschätzung meiner Arbeit, dass der norwegische Verband mich engagiert hat“, so Stöckl, „mich hat ja keine Sau gekannt.“

Inzwischen geht Alexander Stöckl fast schon als halber Norweger durch. Binnen kürzester Zeit hat er norwegisch gelernt und vor seiner zweiten Saison als Headcoach gab der 39-Jährige bereits seine ersten Interview in der Landessprache. „Das war mir wichtig, ich will mit den Leuten kommunizieren können“, erklärt Stöckl.

Frühstarter

Mit seinen österreichischen Kollegen eint den Tiroler nicht nur die gute Ausbildung in Stams, wie Pointner (Rang 9) und Schuster (einmal Rang 2) gehörte Stöckl in seiner aktiven Zeit nicht zu den Überfliegern. Über einen 15. Platz hatte es der St.Johanner nie hinausgebracht und deshalb mit 21 die Laufbahn beendet. Im nachhinein ein Glücksfall. „So habe ich mich früher der Ausbildung widmen können. Ich bin jetzt seit 15 Jahren Trainer und habe eine klare Vorstellung, was zu machen ist.“

In Norwegen ist es dem Österreicher schon in den ersten Monaten gelungen, sein „technisches Leitbild zu verwirklichen.“ Lange Zeit galten norwegische Skispringer als Leichtgewichte und begnadete Flieger, Stöckl legt nun viel mehr Wert auf Athletik und einen kräftigen Absprung. „Die Springer waren sehr offen“, erinnert sich der 39-Jährige, „sie haben es genossen, dass ein frischer Wind weht.“

Die Ergebnisse und Erfolge sprechen für die Arbeit von Stöckl. Im Vorjahr holte einer seiner Schützlinge den Weltcup (Anders Bardal), nun liegt bei der Tournee ein Norweger voran, der eigentlich bereits im Ruhestand war (Anders Jacobsen).

Beim ÖSV sieht man den Aufschwung der Konkurrenz mit gemischten Gefühlen. „Einerseits ist das eine Auszeichnung für unsere Arbeit, dass die österreichischen Trainer so gefragt sind“, sagt ÖSV-Direktor Ernst Vettori, „andererseits wandert auch sehr viel Know-How ab.“

An Alexander Stöckl, der eben erst seinen Vertrag bis 2015 verlängert hat, ist Österreich auch ein Entertainer verloren gegangen. Der Tiroler ist ein begnadeter Musiker – die Norweger können ein Lied davon singen. Im Sommer gab Stöckl mit dem Damen-Trainer Christian Mayer in der Altstadt von Oslo ein spontanes Straßenkonzert. Der Erlös ging an die norwegische Kinderkrebshilfe.

Gregor Schlierenzauer hat am Silvestertag die Qualifikation für den zweiten Bewerb der Vierschanzen-Tournee in Garmisch-Partenkirchen beherrscht. Der dreifache Sieger flog auf die Bestweite von 138 Metern und ließ den zweitplatzierten Oberstdorf-Gewinner Anders Jacobsen (135,0) um 2,4 Punkte hinter sich. Bester der nicht fix qualifizierten Springer war der Slowene Jaka Hvala (134,5) als Dritter. Alle sieben Österreicher sind im Bewerb am Neujahrstag (14.00/live ORF eins) dabei.

Ergebnis:
1. Gregor Schlierenzauer (AUT) 133,6 (138,0)
2. Anders Jacobsen (NOR) 131,2 (135,0)
3. Jaka Hvala (SLO) 129,9 (134,5)
4. Anders Bardal (NOR) 124,7 (133,5)
5. Kamil Stoch (POL) 124,1 (130,5)
6. Dmitrij Wassilijew (RUS) 124,0 (130,5)

Weiter:
13. Wolfgang Loitzl (AUT) 117,1 (125,0)
14. Martin Koch (AUT) 116,3 (128,5)

15. Thomas Morgenstern (AUT) 116,2 (125,5)
26. Severin Freund (GER) 113,0 (126,0)
27. Michael Hayböck (AUT) 112,9 (126,5)
28. Manuel Fettner (AUT) 112,5 (125,5)
49. Andreas Kofler (AUT) 102,3 (124,0)

Die wichtigsten Paarungen für den ersten K.o.-Durchgang am Neujahrstag: Hayböck - Maciej Kot (POL), Fettner - Danny Queck (GER), Morgenstern - Taku Takeuchi (JPN), Koch - Piotr Zyla (POL), Loitzl - Maximilian Mechler (GER), Kofler - Jacobsen, Schlierenzauer - Felix Schoft (GER)

Der eine Tourneesieger ging k.o. (Thomas Morgenstern). Der andere Tourneesieger hielt sich nicht an die Kleiderordnung (Andreas Kofler). Dazu zwei weitere Springer, die sich nicht für den Finaldurchgang qualifizieren konnten (Martin Koch, Michael Hayböck) – die österreichischen Adler flogen beim Tourneeauftakt in Oberstdorf aus allen Wolken.

Vier gewinnt, das war vor dieser Tournee noch als Devise ausgegeben worden, immerhin schickten die Österreicher gleich vier ehemalige Tourneesieger ins Rennen. Vor dem Neujahrsspringen in Garmisch (14 Uhr, live in ORF1) heißt das Motto: Es kann nur einen geben. Gregor Schlierenzauer, der Zweite von Oberstdorf, ist der letzte Hoffnungsträger auf den fünften österreichischen Tourneesieg in Folge. „Mir ist bewusst, dass jetzt der Druck größer ist“, meint der 22-Jährige, „die Stimmung war ein bisschen geknickt.“

Ohrfeige

Vor allem die Disqualifikation von Andreas Kofler ist eine schallende Ohrfeige für das beste Skisprung-Team der Welt. Da verweist man im ÖSV-Adlerhorst stets auf die große Professionalität; da reist die Mannschaft im Luxusbus durch die Gegend; da leisten sich die Österreicher ein riesiges Team an Experten (Physiotherapeuten, Mediziner, Materialcrew); da wird praktisch nichts dem Zufall überlassen – und dann scheitert man an den Kleidervorschriften. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn Kofler ist ein Wiederholungstäter. In dieser Saison war der Tiroler bereits drei Mal mit einem zu großen Anzug aus dem Verkehr gezogen worden. In Oberstdorf soll Koflers Anzug gleich um 6 Zentimeter zu weit gewesen sein. „Der Andi hat das sicher nicht absichtlich gemacht“, versichert Cheftrainer Alexander Pointner. Er ist nicht der einzige Kritiker der engeren Anzüge. Zu schnell würde sich der Stoff ausdehnen, zu groß wäre die Grauzone bei den Kontrollen. „Natürlich ist da auch einiges an Subjektivität dabei“, erklärte Sepp Gratzer, der offizielle Material-Hüter der FIS, im ORF.

Für Kofler ist die Tournee damit Geschichte. „Das ist keine feine Situation, ich muss da eine Lösung finden“, erklärte der zweifache Saisonsieger. „Lieber beschäftige ich mich mit meinen Sprüngen als mit dem Anzug.“

Andreas Kofler scheint übrigens mit seinem Problem ziemlich alleine da zu stehen. In Oberstdorf wurde außer ihm nur noch ein Springer disqualifiziert. Ein Koreaner.

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