Schlierenzauer und der Reiz der Krise

Schlierenzauer und der Reiz der Krise
Der Skisprung-Star glaubt, dass er über Nacht wieder zum Siegspringer werden kann.

Es ist das erste Mal, dass Gregor Schlierenzauer nicht als Mitfavorit zu einem Großereignis fährt. Der Skispringer mit den meisten Weltcupsiegen (54) ist diese Saison erst zwei Mal in den Top 3 gelandet und befindet sich vor dem Bewerb auf der Normalschanze (Samstag) auf der Suche nach der Leichtigkeit und Sicherheit früherer Tage.

KURIER: Wissen Sie selbst überhaupt, wie es um Ihre WM-Form gerade bestellt ist?
Gregor Schlierenzauer
: Jein, würde ich sagen. Ganz genau weiß ich es auch nicht,wo ich gerade umgehe. Ich befinde mich in einem Arbeitsprozess und die letzten Ergebnisse sollte man jetzt nicht überbewerten. Ab der Tournee habe ich extrem viel getestet, jetzt haben wir einen Weg eingeschlagen, der in die richtige Richtung geht. Der letzte, der entscheidende Schritt fehlt halt noch. Damit man nicht mehr Top Ten ist, sondern auf dem Podest.

Sie springen seit dem vergangenen Sommer mit einer neuen Bindung. Warum plagen Sie Sich so damit?
Skispringen ist nun einmal ein sehr sensibler Sport. Ich vergleiche das gerne mit dem Golf. Aber wir reden jetzt nicht davon, ein paar Bälle auf der Driving Range raus zu schießen, sondern von der obersten Liga. Man muss mit 90 km/h die Kante genau treffen, da geht’s aber um zehn Zentimeter auf oder ab. Man muss das richtige Material und Setup finden. Und dann hängt alles noch viel mit Selbstvertrauen, Mut und Überwindung zusammen. Das sind alles Parameter, wenn diese Rädchen ineinander greifen, dann kannst du dich nach oben schaukeln. Aber wehe, wenn nicht. Dann steckst du im Loch und beißt dir die Zähne aus. Wenn das Radl nicht passt, dann gewinnt man nichts mehr. Und in meinem Fall redet man ja immer nur vom Gewinnen.

Aber Sie haben ja in dieser Saison schon gewonnen. Im Dezember in Lillehammer.
Ich hab’ damals im ZDF-Interview aber gleich gesagt, dass ich eigentlich gar keinen guten Sprung gemacht habe. Da war viel Rückenwind, es hat irgendwie funktioniert. Das war sicher ein Sieg, der irgendwie passiert ist. Aber dafür braucht man sich auch nicht schämen.

"Wenn ich diese Nuss knacke, dann kann ich über Jahre wieder sehr, sehr gut sein."


Wie sehr nervt es Sie, dass Sie im Moment hinterher springen? Sie sind ja anderes gewöhnt.
Im Fernsehen läuft im Moment gerade die Werbung einer deutschen Automarke, in der ein Satz vorkommt, der mir sehr gut gefällt. Nämlich: ’Es ist kein Berg, es ist das nächste Level.’ Genauso sehe ich es. Diese Erfahrungen, die ich jetzt mache, diese Dinge, die ich erlebe, die bringen mich weiter. Ich weiß ganz genau: Wenn ich diese Nuss knacke, dann kann ich über Jahre wieder sehr, sehr gut sein.

Sie haben sich mit dieser Situation also angefreundet?
Das ist eine riesige Herausforderung.Und vielleicht hat das in meinem Fall auch so sein müssen, sonst würde ich jetzt wahrscheinlich eh nicht mehr skispringen. Ich sage: Rückschläge gehören zu einer großen Karriere dazu. Ein Sebastian Vettel hat sich im letzten Jahr auch die Zähne ausgebissen, da wird jetzt auch keiner sagen, dass der das Autofahren verlernt hätte. Ich finde diese Phase meiner Karriere gerade sehr spannend.

"Siege, die leicht hergehen, sind nichts wert."


Spannend?
Ja, es ist spannend, wieder den Weg zurück zu finden. Klar, von Sieg zu Sieg zu springen, ist auch geil. Aber im Endeffekt haben diese einfachen Siege nicht den Schweiß. Sport muss aber Schweiß sein. Nur wenn du viel Schweiß vergießt, dann bist du innerlich zufrieden.

Kann es sein, dass die nächsten Siege, die nächste Medaille für Sie deshalb einen besonderen Stellenwert haben werden?
Siege, die leicht hergehen, sind meistens nichts wert. Das ist ein alter Hut. Das was schwieriger hergeht, darüber freut man sich mehr.

Apropos schwierig: Wie schwierig wird es für Sie sein, bei der WM eine Medaille zu holen?
Wenn man den Durchschnitt meiner heurigen Saisonergebnisse ausrechnet, dann bin ich Zwölfter. Aber wenn es einer schafft, über Nacht wieder Weltcupspringen zu gewinnen, dann bin sicher ich es.

Im Teambewerb muss für Sie und Ihre Kollegen eine Medaille aber wohl Pflicht sein, oder?
Wir haben heuer schon erlebt, dass man sich da bei acht Sprüngen nicht den geringsten Fehler erlauben darf. Gold ist möglich, es kann aber genauso passieren, dass wir dort leer ausgehen.

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