Miss Adrenalin siegt und warnt

Gold-Familie: Weltmeisterin Eva und Weltmeister Matthias Walkner
Die neue Freeride-Weltmeisterin meidet zu Ostern jegliches freie hochalpine Gelände.

In Alaska wurde sie in Coffee Shops sogar vom Personal erkannt. In Österreich ging ihr Erfolg etwas unter. Und das, obwohl Eva Walkner über Felsen hinweg zu Gold ritt, womit Salzburg über die ungewöhnlichsten Sport-Geschwister verfügt.

Matthias Walkner, 28, wurde 2012 Motocross-Weltmeister und feierte nach seinem Dakar-Abenteuer zuletzt auch in Abu Dhabi einen WM-Etappensieg. Eva, 35, ist seit der Vorwoche Freeride-Weltmeisterin. Im risikoreichsten Ski-Bewerb, der selbst Adrenalin-Junkies, vor allem aber Mama Walkner zittern lässt.

KURIER: Frau Walkner, Gratulation zum WM-Titel. Wer in der Familie ist mutiger?
Eva Walkner:
Matthias sagt immer, obwohl er mit Marcel Hirscher Jugendskirennen gefahren ist, dass er sich das nie trauen würde, was ich mache. Ich wieder kann mir nicht vorstellen, mit 160 Sachen auf einem Motorrad über Dünen zu springen.

Marcel Hirscher, dessen Vater Ihren Bruder zum Motocross-Champion formte, hat sie eine "ganz wilde Henn" genannt. Wenn der ORF eine Zusammenfassung der Freeride-Saison zeigt, werden die Seher Hirscher wohl recht geben. Stimmt es, dass Sie einmal in der Intensivstation gelegen sind?
Ja. In Davos bin ich auf einem vom Schnee überdeckten Felsen aufgeklatscht. Eine der fünf gebrochenen Rippen hat sich dabei in die Lunge gebohrt. Ich habe geglaubt, ich muss sterben.

Waren Sie am Resignieren?
Gründe dafür hätte es auch andere gegeben. So hab ich vor dem Abflug in die USA, wo vom ÖSV mein Weltcup-Debüt vorgesehen war, einen Kreuzbandriss erlitten. Und aus war’s mit der Slalom-Karriere. Es folgten weitere Kreuzbandrisse. Und als ich gleich drei Mal in einem halben Jahr unters Messer musste, war mir zum Heulen. Umso unfassbarer ist daher für mich, dass ich nach zwei Saisonen Pause im Comeback-Winter Weltmeisterin geworden bin.

Haben Sie eine Erklärung für diese Überraschung?
Gleich den ersten Contest hab ich gewonnen. Dabei wollte ich es nach der langen Pause smart angehen und habe nur 90 Prozent riskiert. Das war der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du 100 Prozent riskierst, musst du mit einem Ausfall rechnen. Damit bist du in der Gesamtwertung gleich weg vom Fenster.

Und Sie fielen nie aus?
Schon. Aber mein WM-Titelgewinn, den ich in Alaska trotz Fieber fixiert habe, ist zu diesem Zeitpunkt schon festgestanden. Beim Finale in Verbier habe ich einen Stein erwischt und danach Purzelbäume geschlagen.

Sie erzählen so, als wären solche Stürze in fast senkrechtem, hochalpinen Gelände das Selbstverständlichste der Bergwelt. Kennen Sie denn keine Angst vor den Naturgewalten, zumal gerade in der Osterwoche so oft von Lawinen-Tragödien zu hören ist?
Um eines klarzustellen: Bei der derzeitigen Wetterlage würde ich mich auf keinen Fall ins freie Gelände wagen, sondern maximal im Wald Ski fahren. Wenn wir einen Freeride-Bewerb haben, dann bereiten wir uns extrem akribisch vor. Tagelang werden Videos und Fotos angeschaut, alle Tücken des Geländes erforscht, analysiert.

Gehen Ihnen denn angesichts des Aufwands, dieser Mühen und Gefahren nicht die Konkurrentinnen aus?
Keineswegs. Es gibt über 100 Mädels, die sich in jeder Saison um ein Reinrutschen in die Pro-Tour bemühen. Nur 15 weltweit schaffen das, weil aus Zeit- und Sicherheitsgründen nicht mehr Damen starten dürfen. Daher bin ich ein bissel stolz, dass mir nach der langen Pause der WM-Sieg gelungen ist. Nebenbei bin ich die, die von allen Mädels die längsten Skier anschnallt: 1,90er made in Great Britain. Ich fahre wirklich englische Skier.

Sie suchten auch abseits der Freeride-Pro-Tour stets das Abenteuer, wagten sich mit Skiern in die politisch brisante Kaschmir-Region, haben im Iran unberührte Steilhänge befahren, wurde festgenommen, weil sie an einer Tankstelle statt einem Kopftuch noch die Skimütze trugen. Und Sie brachten von überall spektakuläre Videos mit. Sie sind Sportjournalistin. Frau Kollegin, werden Sie sich nach dem WM-Sieg ganz auf Filmreportagen und Fotografieren konzentrieren und auf eine Titelverteidigung verzichten?
Das hätte die Mama gern. Aber das wird’s nicht spielen. Als der Matthias in der südamerikanischen Wüste ausgefallen ist, das Satelliten-Telefon streikte und wir zunächst nur erfahren haben, dass er eine Lebensmittelvergiftung hat und irgendwo am Streckenrand liegt – da war ich es, die die Mutti trösten musste.

Eva Walkner

Das 35-jährige, ehemalige ÖSV-Slalomtalent aus Kuchl ist neue Weltmeisterin im Freeriden. Eine Ski-Disziplin, bei der perfektes Tiefschneefahren und Lawinenkunde die Grundvoraussetzung sind. Eine Jury bewertet, ob und wie die Teilnehmer die schwierigen Routen, die zu extremen Sprüngen zwingen, beherrschen. Der schwedische Quereinsteiger Mattias Hargin (er hatte heuer den Slalom von Kitzbühel gewonnen) landete bei der in Verbier auf dem achten Rang. Der Streif-Abfahrtssieger von 2003, Daron Rahlves aus den USA, stürzte. Freeride-Weltmeister der Herren wurde sein Landsmann George Rodney.

Matthias Walkner

Der 28-Jährige wurde 2012, trainiert von Ferdinand Hirscher, Motocross-Weltmeister in der MX3-Klasse. Heuer im Jänner gelang ihm beim Debüt bei der Rallye Dakar am dritten Tag ein sensationeller Etappensieg. Diese Woche gewann Evas jüngerer Bruder auch bei der WM-Rallye in Abu Dhabi eine Etappe.

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