Russland trauert um Viktor Tichonow

Tiefer Spalt: Kapitän Wjatscheslaw Fetisow und der vom KGB eingesetzte Trainer Viktor Tichonow.
Der umstrittene, aber erfolgreiche Trainer der UdSSR ist nach langer Krankheit in Moskau verstorben.

Acht Weltmeistertitel und drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen von 1978 bis 1992: Viktor Wassiljewitsch Tichonow ging als Coach der vermutlich besten Sportmannschaft in die Geschichtsbücher ein. In der Nacht auf Montag ist der 84-Jährige in einer Klinik in Moskau nach langer Krankheit verstorben.

Unter Tichonow glänzte die Sbornaja mit Spielzügen, die es davor im Eishockey noch nicht gab. Verteidiger schalteten sich in den Angriff ein, Spieler kreuzten ihre Laufwege und übergaben den Puck immer wieder. Die gesamte Mannschaft bewegte sich als Einheit. Die Gegner hatten ihre Spielphilosophie nicht weiterentwickelt und gegen die UdSSR keine Chance mehr. Außerdem setzten die Sowjets mit ihrer Fitness neue Maßstäbe. Begünstigt aber auch durch die Diktatur, deren Regeln bis in die Trainingshallen umgesetzt wurden: Spieler waren Staatseigentum, Tichonow der Diktator. Die Hauptdarsteller auf dem Eis spielten für den von Josef Stalin gegründeten Armee-Klub ZSKA Moskau, wo Tichonow Trainer war und die Spieler elf Monate kaserniert waren.

Um Disziplin einzufordern, ließ Tichonow auch einmal in einer Drittelpause hart trainieren. Alexander Mogilny soll er 1988 vor Zeugen sogar geschlagen haben.

Rote Armee

Es war die Zeit des Umbruchs. Nicht nur politisch: Immer mehr NHL-Klubs machten den russischen Stars Angebote. Igor Larionow war einer von ihnen. Tichonow drohte ihm: "Du willst für unsere Feinde spielen? Ich schicke dich nach Sibirien, und du kommst nie wieder zurück."

Als Andrej Komutow erfuhr, dass sein Vater im Sterben lag, bat er seinen Coach um Ausgang aus dem Trainingslager. Doch Tichonow lehnte ab und sagte: "Du musst dich auf das nächste Spiel vorbereiten." Komutow sah seinen Vater nie wieder. Solche Aktionen sorgten für einen tiefen Graben zwischen Tichonow und seinen Spielern.

Welche Gefühle sie für ihren Coach entwickelten, wird im Film "Red Army" deutlich, der im Jänner 2015 in die Kinos kommen wird. Regisseur Gabe Polsky interviewte dafür den ehemaligen Teamkapitän Wjatscheslaw Fetisow. Der spätere russische Sportminister spricht in der Doku darüber, dass Tichonow ein Protegé des KGB war. Und dass Tichonow einfach in der glücklichen Lage war, das beste Team der Welt von Vorgänger Anatolij Tarasow übernommen zu haben. "Ich habe ihn als Coach respektiert. Als Person nicht. Warum spielen wir für diesen Mann, der uns nicht als menschliche Wesen respektiert?", fragte Fetisow im Film.

Kremlchef Wladimir Putin nannte den Tod des berühmten Trainers einen "großen Verlust" für den gesamten russischen Sport.

Bei der Trauerfeier am Donnerstag in der Halle von ZSKA werden aber nicht alle Gäste sehr bestürzt sein.

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