Die seltsamen Sitten im Eisschnelllaufverband

Linus Heidegger hat sein Olympia-Ticket in der Tasche.
Obwohl Linus Heidegger im Massenstart-Weltcup auf Rang vier lag, durfte er nicht starten.

Man stelle sich einmal vor, der beste österreichische Skiläufer müsste im Weltcup zuschauen. Man stelle sich weiters vor, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel höchstpersönlich würde anordnen, dass ein anderer starten müsse. Und man stelle sich zudem noch vor, dieser Läufer wäre gar kein Österreicher.

Unmöglich? Undenkbar?

Jedenfalls nicht beim österreichischen Eisschnelllaufverband, bei dem neuerdings seltsame Sitten herrschen und sich eben dieser Fall genau so zugetragen hat. Dort wurde Linus Heidegger auf Eis gelegt, ein 19-jähriges Talent aus Tirol, das bei den ersten Saisonrennen aufgezeigt hatte und im Massenstart-Weltcup bis zum Wochenende an vierter Stelle lag. So weit vorne war seit zwei Jahrzehnten kein heimischer Eisschnellläufer mehr in den Resultatslisten zu finden.

Trotzdem fand am Sonntag das Massenstartrennen in Berlin ohne Heidegger statt. Statt ihm liefen das Talent Armin Hager, dem von der sportlichen Führung vor der Saison ein fixer Startplatz zugesichert worden war und Bram Smallenbroek, ein 27-jähriger Niederländer, der seit 2012 für Österreich seine Runden dreht, aber meist mit ausländischen Teams trainiert. „Welcher Sportverband der Welt entzieht dem viertgereihten Läufer im Weltcup die Startberechtigung“, wundert und ärgert sich Heidegger. Obendrein „in einer olympischen Sportart, in der seit Jahrzehnten bei den Männern keine Erfolge im Weltcup gefeiert wurden. Damit wird das Leistungsprinzip stark in Frage gestellt.“

Stronach lässt grüßen

Dass Linus Heidegger in Berlin zum Zusehen verdammt wurde, hat nicht der Nationaltrainer Hannes Wolf zu verantworten. Vielmehr spielt der neue österreichische Verbandschef ein eigenwilliges Spiel. Ernst Falger, der in diesem Jahr angetreten war, um mit den Packeleien der Vergangenheit aufzuräumen, wies Nationaltrainer Wolf unter Androhung von Konsequenzen an, den Niederländer Smallenbroek starten zu lassen. Ansonsten würde er seinen Job verlieren. Dem Talenteförderer Wolf, der eigentlich seine Hoffnungsträger Hager und Heidegger ins Rennen schicken wollte, blieb gar keine andere Wahl, als sich den fragwürdigen Anordnungen von Präsident Falger zu beugen.

Dass heimische Sportfunktionäre zu Wichtigtuerei neigen, ist nicht unbekannt. Doch solche Einmischungen in sportliche Belange kannte man bislang lediglich von Frank Stronach, der als Austria-Boss den Trainern auch gerne einmal gesagt hat, wer zu spielen habe.

Dabei müsste der Verband ja froh sein, mit Heidegger wieder einen heimischen Läufer in den Reihen zu haben, der in die Top Ten rennt. Die ebenfalls 19-jährige Teamkollegin Vanessa Bittner ist unter Nationalcoach Hannes Wolf sogar zur Weltklasseathletin gereift, wie ein Junioren-WM-Titel und der dritte Platz beim Weltcupauftakt in Japan beweisen. Hier scheint tatsächlich eine Generation heran zu wachsen, die den Eisschnelllaufsport hierzulande aus dem Dornröschenschlaf küsst und möglicherweise an die Erfolge früherer Zeiten (Michael Hadschieff, Emese Hunyady) anknüpfen kann.

Hoffnungsträger wie Bittner, Heidegger und Hager hat der finanzschwache österreichische Verband auch dringend nötig. Die überlebenswichtigen Förderungen gibt es vorrangig für einheimische Sportler. Ob der Niederländer Bram Smallenbroek allerdings jemals die österreichische Staatsbürgerschaft erhält, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Sportler werden hierzulande traditionell nur dann eingebürgert, wenn sie einem Talent nicht den Platz verstellen.

Umso ärgerlicher war die letzte Degradierung für Linus Heidegger. Als junger Heeressportler ist er auf jedes Weltcupergebnis angewiesen, nur durch Einsätze und Resultate in der Eliteklasse kann er sich den Status aufrechterhalten und kommt möglicherweise irgendwann in den Genuss von Sporthilfe und anderen Förderungen.

Auf den nächsten Einsatz im Weltcup muss der 19-Jährige aber warten. Auch bei der nächsten Station am Wochenende in Heerenveen ist Linus Heidegger nicht dabei. Diesmal allerdings aus eigenem Antrieb. „Ich bin beim Juniorenweltcup in Minsk. Mein großes Saisonziel ist und bleibt nämlich die Junioren-WM.“

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