Berthold: "Ich hatte einfach zu wenig Zeit"

Im Unruhestand: Mathias Berthold hat das Hochjoch hinter sich und eine neue Aufgabe vor sich. Welche, das wird er in Kürze entscheiden.
Der ehemalige ÖSV-Herren-Cheftrainer Mathias Berthold über seinen Rückzug und seine Zukunft.

Am Ende wurde es alles zu viel, und Mathias Berthold spürte, dass seine Kräfte zur Neige gehen: Am späten Montagnachmittag gab der Österreichische Skiverband bekannt, dass der Vorarlberger seinen Vertrag nicht verlängern wird. Vier Jahre als Cheftrainer der Alpin-Herren haben Spuren hinterlassen: in den Erfolgsbilanzen des ÖSV, aber auch beim 48-Jährigen selbst.

"Das Herren-Team ist eine extrem große Mannschaft, und ich habe einige Sachen nicht so machen können, wie ich’s gern gemacht hätte", sagt der Vorarlberger. "Irgendwann derbläst du den Aufwand nicht mehr." Mathias Berthold blinzelt in die Montafoner Sonne an diesem Dienstagnachmittag und nimmt einen Schluck vom zuckerfreien Cola.

KURIER: Wann haben Sie gemerkt, dass sich etwas in Ihrem Leben ändern würde?
Mathias Berthold:
Ich hab’ bei den Olympischen Spielen in Russland begonnen, mich damit zu befassen. Ich war nicht happy damit, was ich mache, ich hatte zu wenig Zeit, um mich um gewisse Dinge im sportlichen Bereich zu kümmern – und ich hatte zu wenig Zeit für mein Privatleben. Nach und nach ist mir immer klarer geworden, dass mein Job nicht das ist, wo ich mich sehe. Und drei, vier Wochen später habe ich den Entschluss gefasst, den Vertrag mit dem ÖSV nicht mehr zu verlängern.

Berthold: "Ich hatte einfach zu wenig Zeit"
APA11250430-2 - 01022013 - TURRACHER HÖHE - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT SI - (v.l.) Cheftrainer Mathias Berthold und Marcel Hirscher (AUT) am Freitag, 1. Februar 2013, während eines ÖSV-Trainings auf der Turracher Höhe. APA-FOTO: EXPA/ OSKAR HOEHER
Bei den Winterspielen in Vancouver sind die ÖSV-Herren 2010 ohne Sie ohne Medaille geblieben, in Sotschi gab es zwei Mal Gold und einmal Silber. Unter Ihrer Führung holte Marcel Hirscher drei Mal den Gesamtweltcup, dazu hat Ihr Team Disziplinenwertungen gewonnen. Ist die Mission erfüllt?
Eigentlich nicht. Klar, die Erfolge stehen für sich, zudem haben wir ein junges Speed-Team aufgebaut, da ist der Erfolg für die nächsten fünf, sechs Jahre gesichert. Aber im Riesenslalom haben wir den Anschluss an die Weltspitze verloren, wenn man von Marcel Hirscher und teilweise auch Philipp Schörghofer absieht. Da haben wir es nicht geschafft, den Nachwuchs in den Weltcup zu führen. Aber ich bin überzeugt, dass mein Nachfolger eine gut vorbereitete Mannschaft vorfindet.

Was waren die Probleme?
Wir hatten drei, vier Weltcup-Gruppen, dazu die Europacup-Mannschaft und den Nachwuchs, da bleibt wenig Zeit, um sich um die sportlichen Dinge zu kümmern. Es vergehen oft eineinhalb, zwei Monate, bis man die Leute wieder sieht – das ist zu lange, um zu erkennen, wo es hakt. Ich hab’ versucht, es so gut wie möglich zu tun, aber es ging zu Lasten meines Privatlebens, das war zum Teil gar nicht mehr vorhanden – und irgendwann war ich an dem Punkt, wo ich gemerkt habe, es geht so nicht mehr weiter.

Hätten Sie nicht den Aufwand reduzieren können?
Klar, ich habe diese Möglichkeit mit ÖSV-Sportdirektor Hans Pum besprochen. Aber ich kenn’ mich – das wär’ 14 Tage gut gegangen, und dann hätt’ ich erst wieder alles selber machen wollen.

Und was kommt jetzt? Der Wechsel zum Deutschen Skiverband, dessen Damen Sie ja von 2006 bis 2010 betreut haben?
Ich hab’ mehrere Angebote. Eines, das nichts mit dem Skisport zu tun hat, aber dafür kann ich mich nicht so erwärmen. Und mehrere aus dem Ausland. In den nächsten ein, zwei Tagen werd’ ich mich entscheiden.

Nachdem auf dem Parkplatz vor dem Montafoner Hof in Tschagguns, wo wir gerade sitzen, ein Auto des DSV steht ...
Das ist ein Zufall (lacht). Es stimmt schon, es hat Gespräche mit dem DSV gegeben, aber erst lange, nachdem die Gerüchte aufgetaucht sind. Die haben mich selbst überrascht. Aber, wie gesagt, es gibt auch noch zwei, drei andere Sachen. Klar ist: Alpindirektor, wie kolportiert, mach’ ich sicher nicht. Dafür bin ich im Moment noch zu sehr in den Sport involviert. Und ich bin extrem motiviert, weiter direkt mit Athleten zu arbeiten.

Was haben eigentlich Ihre nunmehrigen Ex-Athleten zu Ihrer Entscheidung gesagt?
Ich hab’ mit vielen telefoniert, und sie bedauern, dass ich nicht weitermache. Wir hatten sehr erfolgreiche Zeiten miteinander, aber auch sehr bittere. Den Todesfall von Björn Sieber, den schweren Unfall von Hans Grugger – und es gab Momente, wo wir zwar erfolgreich waren, aber die Medien das nicht so gesehen haben. Da sind wir zusammengestanden – die Burschen liegen mir sehr am Herzen. Aber der schönste Moment ist jener, wo man auseinandergeht und sich beim Wiedersehen umarmt.

Und Ihr Nachfolger?
Der sollte ein Single-Typ sein. Einer, der unendlich viel Zeit hat für den Job und ein gutes Stehvermögen. Und einer, der mit der Mannschaft, mit den Trainern und Betreuern, die ich zusammengestellt habe, gut umgeht. Das wäre der Richtige.

Mathias Berthold (*18. Mai 1965) stammt aus dem 145-Einwohner-Dorf Gargellen. 1987 wurde er Zweiter im Weltcup-Slalom von Kitzbühel, 1991 wechselte er auf die US-Profi-Tour, wo er fünf Siege feierte und 1993 Weltmeister im Slalom wurde sowie 1991 und 1993 auch die Kombi gewann. Seit 1996 ist er Trainer (Großbritannien, Damen Österreich, Damen USA, Damen Deutschland, Herren Österreich).

Sein Sohn Frederic (Jahrgang 1991) ist Staatsmeister in Abfahrt und Kombination.

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