Doskozil will Sportförderung umkrempeln

Doskozil: "Spitzensportler werden nicht erst mit 20 oder 21 produziert oder fallen vom Himmel."
Die Spitzensportförderung soll entpolitisiert werden und künftig in der Hand einer von Experten geführten Gesellschaft liegen.

Nach der Nullnummer von London 2012 und der Bronzemedaille in Rio will der neue Sportminister Hans Peter Doskozil die Sportförderung in Österreich radikal umkrempeln. Die Spitzensportförderung soll entpolitisiert werden und künftig in der Hand einer von Experten geführten Gesellschaft liegen. Im Breitensport muss an der Basis künftig mehr Geld ankommen, fordert Doskozil im APA-Interview.

Erst 2013 war das Bundes-Sportfördergesetz von Doskozils Vorgänger als Verteidigungs- und Sportminister, Gerald Klug, reformiert worden, mit dem Ziel, das Gießkannensystem zu beenden sowie Spitzen- und Breitensport klar zu trennen. Zudem war die Förderung transparenter geworden. Bei der Sportförderung in Österreich geht es bekanntlich um sehr viel Geld. An die 130 Millionen Euro werden 2016 aus den beiden großen Töpfen Allgemeine und Besondere Sportförderung in den heimischen Sport gepumpt.

Radikale Neuausrichtung

Das, was Doskozil jetzt vor hat, ist aber zumindest im Spitzensportbereich eine radikale Neuausrichtung. "Es geht darum, alle Fördergeldmöglichkeiten zusammenzuziehen und in einer Gesellschaft zu fokussieren", erklärte der Ressortchef.

Umsetzen soll dies künftig eine GmbH außerhalb des Ministeriums, die von Sportexperten geleitet wird und eine klare Führungsstruktur mit zwei Geschäftsführern und einem Aufsichtsrat hat. "Unser Signal ist, Parteipolitik raus aus dieser GmbH", so Doskozil. In der Gesellschaft können künftig auch Förderungen ähnlich wie das mit 20 Millionen Euro dotierte Olympia-Projekt "Rio 2016", das aber nicht das gebracht hat, was man sich erhofft hat, angesiedelt sein.

Die Umsetzung soll bereits diesen Herbst geschehen und der erst seit Jänner im Amt befindliche Minister ist zuversichtlich, dass schon in drei Wochen ein Papier vorliegen wird. "Das wird sicherlich noch diskutiert und angepasst. Aber die Grundausrichtung soll bleiben: Geld für den Spitzensport in eine Hand und nicht in eine politische Hand, sondern in die von Sportexperten."

Die Zuversicht ist groß, denn laut Doskozil wurden mit wesentlichen Vertretern des Sport schon vor Olympia in Rio Gespräche geführt und man habe bisher nur positive Rückmeldungen bekommen. "Auch vom Koalitionspartner und dem Innenministerium", versicherte Doskozil.

Sportprofis gefordert

Zudem gehe man selbst mit gutem Beispiel voran. "Ich bin bereit, auch die Gelder des Sportministeriums in diese neue Institution überzuführen. Ich lege in Zukunft keinen Wert darauf, dass ich Förderung vergebe. Vielmehr soll der Spitzensport professionell von Sportprofis organisiert und administriert werden", signalisiert der Minister, dass er bereit ist, selbst ein politisches Instrument aus der Hand zu geben.

Man habe aufgrund der Vorgespräche bereits ganz konkrete Vorschläge und die legistische Vorarbeiten in Auftrag gegeben, erklärte Doskozil. Das notwendige Gesetz soll es noch in diesem Jahr geben. "Ich glaube, dass jetzt im Sport etwas gemacht werden muss und dass die Zeit reif ist für diese Entscheidungen."

Wer die Experten in dieser neuen Gesellschaft sein könnten, ist natürlich noch offen. Doskozil: "Dazu ist es noch zu früh. Aber es gibt sehr viele österreichische Sportexperten, die auch international erfolgreich sind. Man könnte versuchen, die wieder zurückzuholen."

"Sport ist ein Thema von klein auf"

Auch im Bundesheer zeichnen sich Verbesserungen hinsichtlich Sportförderung ab. Derzeit gibt es dort etwa 190 Planstellen für Sportler, die sich dank sozialer Absicherung dem Spitzensport widmen können. Diese Planstellen werden nun auch für den Behindertensport geöffnet, außerdem sollen sie auf deutlich über 200 ausgebaut werden.

Wie der Spitzensport ist Doskozil auch der Breitensport und der Nachwuchs ein Anliegen. "Sport ist ein Thema von klein auf. Spitzensportler werden nicht erst mit 20 oder 21 produziert oder fallen vom Himmel. Sie entstehen sehr früh in den Vereinen, an der Basis. Die Eltern und das ganze Umfeld haben eine Riesenaufgabe und Verantwortung."

Deshalb werde man in einem nächsten Schritt trachten, mehr Geld in die Basisvereine und den Nachwuchs hineinzubringen. Derzeit kämen durch die Verteilung über die Dachverbände nur 40 Prozent der Gelder auch an der Basis an. "Diese Quote ist mir ein Dorn im Auge", machte Doskozil klar, dass er diese deutlich steigern möchte.

Eine Änderung der (dreifach vorhandenen, Anm.) Dachverbands-Struktur sei eher nicht möglich, glaubt Doskozil. "Das hat historische Gründe und ist auch gut so, jeder Sportverein findet sich da wieder." Es müsse aber mehr Geld bei den Basisvereinen ankommen. "Dann gibt es auch eine bessere Nachwuchsförderung oder einige Infrastrukturprojekte mehr."

Vorfreude auf "Tägliche Turnstunde"

In diesem Zusammenhang freut sich Doskozil auch, dass mit 1. September in seinem Heimatbundesland Burgenland als Projekt auch die "Tägliche Turnstunde" endlich stattfindet. 20 von den Dachverbänden kommende Sportlehrer mit einer spezifischen Ausbildung werden in den Pflichtschulen Sportunterricht realisieren. Ziel ist, dieses Projekt auf ganz Österreich auszurollen.

"Das Ganze wird ein Volumen von über 30 Millionen Euro haben und wir haben sichergestellt, dass diese Finanzierung bis 2019 funktionieren wird", betonte der Minister. Ziel sei, die tägliche Turnstunde österreichweit fix zu implementieren. Stattfinden werde die Bewegungseinheit im Rahmen der Schul-Autonomie. "Die Schulen sollen selbst entscheiden, ob sie das wollen oder nicht." Die Möglichkeiten reichten von einer echten Turnstunde bis zu einer Kombination aus Lernen und Bewegung, sagte Doskozil.

Sehr geehrter Herr Minister, schon während der olympischen Spiele in Rio de Janeiro haben Sie angekündigt, dass die Spitzensport-Förderung in Österreich umgekrempelt wird. Warum passiert das und wie konkret ist das schon?
Hans Peter Doskozil:
Wir haben schon vor Monaten mit wesentlichen Sportvertretern darüber gesprochen, wie wir hinkünftig den Spitzensport besser organisieren können. Nun haben wir schon ganz konkrete Vorschläge und legistische Vorarbeiten in Auftrag gegeben, so dass wir in den nächsten zwei bis drei Wochen konkrete Vorschläge hinsichtlich Umsetzungsmaßnahmen auf dem Tisch legen werden können.

Was konkret soll geändert werden?
Es geht darum, alle Fördergeldmöglichkeiten, die derzeit aus verschiedenen Bereichen kommen, zusammenzuziehen. Und zwar in einer Institution außerhalb des Ministeriums. Sei es in einer GmbH oder welcher Rechtsform auch immer. Auf jeden Fall mit einer klaren Führungsstruktur, zwei Geschäftsführern und einem Aufsichtsrat. Und insgesamt ganz klar strukturiert mit jenen Bereichen, die der Spitzensport benötigt.

Das hat es so in Österreich so noch nicht geben, oder?
Richtig. Und mit der neuen Struktur kommt auch das Signal: "Parteipolitik raus aus dieser GmbH." Vielmehr geht es darum, namhafte Sportexperten in die Verantwortung zu bringen.

Wer könnten die sein?
Es ist zu früh, darüber zu reden. Aber wir haben viele namhafte Sportexperten, die im Ausland erfolgreich sind. Die könnte man zurück nach Österreich holen.

Was macht Sie zuversichtlich, dass diese doch radikale Änderung tatsächlich passieren wird?
Wir haben viele Vorgespräche mit Zuständigen im sportlichen Bereich und in der Politik geführt und positive Rückmeldungen sowie Zuspruch bekommen. Auch vom Koalitionspartner und dem Innenministerium. Außerdem gehen wir mit positivem Beispiel voran. Ich bin bereit, auch die Gelder des Sportministeriums in diese Institution überzuführen und lege in Zukunft keinen Wert darauf, dass ich Förderungen vergeben darf. Und das ist ja doch ein politisches Instrument, das man da aus der Hand gibt.

Warum kommt diese Reform jetzt? Wegen London ohne Medaillen und Rio mit nur einer?
Von mir gibt es keine Vorwürfe an die Sportler. Sie haben sich bemüht und viele Junge haben gute Platzierungen erreicht. Aber es gab eben nur eine Medaille. Dessen war man sich aber schon vorher bewusst und deshalb haben wir auch schon vorher mit Gesprächen begonnen. Es ist nicht der unmittelbare Succus aus Rio, dass wir nun überlegen, wie wir Spitzensport in Hinkunft besser organisieren können. Ich glaube, es ist notwendig, dass jetzt im Sport was gemacht wird. Die Zeit ist reif.

Wie schnell kann die Reform nun passieren? Es braucht ja auch ein neues Gesetz dafür, oder?
Richtig. Auch die Rolle des Ministeriums muss neu definiert werden. Man hat eine Gesetzes- und Verordnungs-Kompetenz sowie eine Kontrollaufgabe, es geht ja um öffentliche Gelder. Alles andere soll aber von den Experten erledigt werden. Ziel ist dennoch, das alles noch in diesem Herbst umzusetzen.

Fürchten sie Hürden?
Natürlich wird es Hürden geben. Aber die Erstgespräche mit dem Koalitionspartner waren ausgezeichnet. Wir werden, wenn alles klappt, in drei Wochen ein Papier haben, das natürlich diskutiert und verfeinert wird. Aber die Grundausrichtung soll bleiben: Das Geld für den Spitzensport in eine Hand, aber nicht in eine politische Hand, sondern in die von Sportexperten.

Das war jetzt alles Spitzensport. Muss man nicht auch an der Basis und im Nachwuchs viel mehr tun?
Sport ist ein Thema von klein auf. Spitzensportler werden nicht erst mit 20 oder 21 produziert oder fallen vom Himmel. Sie entstehen sehr früh in Vereinen, an der Basis. Die Eltern, das ganze Umfeld hat eine Riesenaufgabe und eine Riesenverantwortung. Deshalb müssen wir schauen, dass wir in einem nächsten Schritt Geld in die Basisvereine und den Nachwuchs hineinbringen.

Wären da nicht auch die vorhandenen Strukturen zu überdenken?
Die Dachverbands-Strukturen wird man aber nicht ändern können. Das hat historische Gründe und ist auch gut so, jeder Sportverein findet sich da wieder. Es kommen vom ganzen Geld aber nur 40 Prozent an der Basis an, diese Quote ist mir ein Dorn im Auge. Wir müssen das in Gesprächen mit den Dachverbänden klar steigern. Wenn wir mehr Geld in die Basisvereine bekommen, dann gibt es auch bessere Nachwuchsförderung und einige Infrastrukturprojekte mehr.

Dazu passt das Thema mit der täglichen Turnstunde. Was gibt es Neues?
Es wird sie geben und zwar erstmals und als Projekt ab September im Burgenland und in Kooperation mit dem Unterrichtsministerium. Konkret werden 20 über die Dachverbände kommende Sporttrainer mit einer spezifischen Ausbildung in die Pflichtschulen kommen. Stattfinden wird es im Rahmen der Schul-Autonomie, wir stellen aber auch Equipment. Die Schulen entscheiden selbst, ob sie es wollen.

Nur die im Burgenland?
Ziel ist, das über ganz Österreich auszurollen. Das Ganze wird ein Volumen von über 30 Millionen Euro haben, die in die Förderung der täglichen Turnstunde fließt. Wir haben sichergestellt, dass diese Finanzierung bis 2019 funktionieren wird. Wir wollen das Projekt so nachhaltig verfestigen, dass wir es auch in die höchste Regierungsverhandlung tragen und fix implementieren können.

Auch der Infrastruktursektor wird von den Sportlern immer wieder kritisiert. Was kann man da tun?
Es gibt Überlegungen bei den Schulerhaltern vorzustoßen, um etwa Schulen in den Ferien oder an Wochenende zu öffnen. Das obliegt aber meist den Gemeinden. Manche machen es, manche nicht. Es sehe es im eigenen Haus. Es ist schwierig, einen Sportstättenplan zu etablieren. Auch hier lege ich deshalb einige Hoffnung in die neue Institution, sie wird auch für die Weiterentwicklung von Sportstätten verantwortlich sein.

Gibt es Neues bezüglich der Sportler-Planstellen beim Bundesheer?
Wir haben derzeit ungefähr 190 Planstellen, dank der Sportler sozial abgesichert sind und sich dem Spitzensport widmen können. Diese Planstellen sollen in den nächsten Monaten für den Behindertensport geöffnet werden und zudem noch mehr auf den Spitzensport fokussiert sein. Außerdem gibt es Überlegungen, die Planstellen auf über 200 auszudehnen.

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