IOC schließt Russland nicht von Olympischen Spielen aus

Symbolbild
Die Entscheidung, ob Athleten in den jeweiligen Sportarten in Rio antreten dürften, liege bei den internationalen Fachverbänden.

Wenige Tage vor Beginn der Sommerspiele in Rio hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf einen historischen Komplett-Bann Russlands verzichtet. Russische Sportler dürfen sich für einen Start bewerben, wenn auch unter strengen Auflagen. "Wir haben eine Reihe strikter Kriterien aufgestellt, die jeder russische Athlet erfüllen muss", sagte der deutsche IOC-Chef Thomas Bach am Sonntag.

Die internationalen Sommersportverbände sollen nun alle Einzelfälle prüfen und dann in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) darüber befinden, welche russische Athleten in welchen Sportarten antreten dürfen.

Sportler, denen schon einmal Doping nachgewiesen werden konnte, sind von vornherein raus. "In diesem Sinne schützen wir saubere Athleten, weil wir strenge Kriterien für russische Sportler festgelegt haben", sagte Bach. Russlands Sportminister Witali Mutko zeigte sich sicher, dass die meisten Athleten beim Ringe-Spektakel in Brasilien dabei sein werden. "Die Kriterien sind sehr hart, aber ich bin überzeugt, dass die meisten Athleten sie erfüllen", befand er.

Ein noch nie da gewesener kompletter Ausschluss eines Landes allein aufgrund von Doping-Vorwürfen blieb somit aus. Das Ergebnis respektiere "die Regeln des Rechts und das Recht aller sauberen Athleten weltweit", kommentierte der IOC-Chef, der zuvor bei einer Telefonkonferenz mit seinen Kollegen aus der IOC-Exekutive mehrere Stunden verhandelt hatte. Bach verwahrte sich davor, das IOC sei gegenüber Russland eingeknickt: "Hier ging es darum, Gerechtigkeit gegenüber sauberen Athleten überall auf der Welt zu üben."

Staatsdoping

Ausgelöst hatte die Debatte ein Report der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), bei dem staatlich angeordnetes systematisches Doping in Russland nicht nur in der Leichtathletik, sondern auch bei den Winterspielen in Sotschi 2014 festgestellt worden war.

"Die Entscheidung ist, nur zwölf Tage vor Beginn der Spiele in Rio, schwierig genug, auch, weil die Rechtslage nicht eindeutig ist. Wir glauben, dass der getroffene Kompromiss, nicht alle russischen Athleten kollektiv zu sperren, sondern diverse Auflagen für etwaige Starts zu definieren, Sinn macht. Es wäre ungerecht jenen Athleten gegenüber, die entsprechende internationale Tests vorweisen können und keine Auffälligkeiten in der Vergangenheit hatten", sagte ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel auf Anfrage der APA - Austria Presse Agentur.

Russland zeigte sich zufrieden. "Das ist eine rechtmäßige Lösung", sagte der Chef des Sportausschusses im russischen Parlament, Dmitri Swischtschjow. "Aber solche Entscheidungen sollten nicht nur in Bezug auf russische Athleten, sondern auf Sportler in der ganzen Welt getroffen werden." Stabhochsprung-Star Jelena Isinbajewa sprach von einem richtigen Schritt. "Die komplette russische Mannschaft nicht zuzulassen, wäre ein riesiger Fehler und ein internationaler Sportskandal gewesen", sagte die zweifache Olympiasiegerin.

Auch die Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) bewertete die Entscheidung als gut. Bei einem Bann Russlands wären "zu viele saubere Athleten betroffen gewesen wären", kommentierte ANOC-Chef Sheikh Ahmad Al-Fahad Al-Sabah.

Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur Österreichs, fehlte gegenüber der APA jedes Verständnis für diese Entscheidung: "Wir sind maßlos enttäuscht vom IOC. Weil natürlich hätte es unschuldige Sportler getroffen. Aber in erster Linie geht es um die restlichen 9.500 oder 10.000, die sich alles in allem einem normalen Anti-Doping-Regime unterwerfen und in Rio teilnehmen. Die schützt man mit dieser Nachricht ganz sicherlich nicht."

"Mehr als enttäuschend, fast skandalös", nannte er die Entscheidung, dass "Whistleblowerin" Julia Stepanowa trotz ihrer Mithilfe bei der Aufklärung des umfassenden russischen Dopings nicht in Rio wird starten dürfen. Der Antrag der Leichtathletin, im August als "neutrale" Athletin unter der olympischen Flagge antreten zu dürfen, lehnte das IOC ab. Sie erfülle angesichts ihrer Doping-Vergangenheit trotz ihrer Verdienste um Aufklärung nicht die "ethischen Anforderungen", hieß es. "Das ist heftig", kommentierte Cepic.

Demonstrativ hatte Kremlchef Wladimir Putin zuletzt die Gründung einer neuen Anti-Doping-Kommission in Russland angekündigt - womöglich auch, um einem Komplett-Bann seines Landes für Rio zu entgehen. Russland werde in enger Zusammenarbeit mit dem IOC und der WADA sein komplettes Antidopingsystem umbauen, versicherte Mutko nun. "Wir werden für einen sauberen Sport kämpfen. Nur uns zu kritisieren, scheint mir nicht ganz korrekt", sagte der Sportminister.

Michael Cepic (Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur): "Wir sind maßlos enttäuscht vom IOC. Weil natürlich hätte es unschuldige Sportler getroffen, aber in erster Linie geht es um die restlichen 9.500 oder 10.000, die sich allen in allem einem normalen Anti-Doping-Regime unterwerfen und in Rio teilnehmen. Die schützt man mit dieser Nachricht ganz sicherlich nicht. Mehr als enttäuschend, fast skandalös ist, dass Frau Stepanowa nicht teilnehmen darf, das ist heftig."

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