Zwei Weltmeister wie Tag und Nacht

Zwei Karrieren: Während Vettel bei Ferrari aufblüht, ...
Während Vettel nur noch ein Sieg auf Ayrton Senna fehlt, fährt Alonso einmal mehr hinterher.

Was muss sich Fernando Alonso denken, wenn er Sebastian Vettel sieht? Besser gesagt: Wenn er zu ihm aufsieht, wie vor zwei Wochen in Malaysia. Als der deutsche Überraschungssieger vom Podium grinste, in jener roten Ferrari-Uniform, in der sich in den vergangenen fünf Jahren noch der Spanier vergebens abgemüht hatte. Alonsos betretener Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass er wenig Positives denkt.

Die Körpersprache der beiden Formel-1-Weltmeister könnte dieser Tage in Schanghai nicht unterschiedlicher sein. Sebastian Vettel geht strahlend durchs Fahrerlager und scherzt bei der Pressekonferenz selbst dann, wenn er auf die öffentliche Kritik von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone angesprochen wird. "Ich habe Sebastian immer gesagt, dass er es so wie Lewis machen soll", hatte der Chefvermarkter gesagt und damit auf den Star-Faktor des amtierenden Mercedes-Weltmeisters Hamilton angespielt – und dessen eifrige Selbstvermarktung via Twitter. "Manche Fahrer denken, ihr Job ist es, nur Rennen zu fahren. Es ist aber mehr als das", sagte Ecclestone. Und Vettel? – Der grinst weiter und fragt mit unschuldiger Miene, ob denn etwa der 84-Jährige neuerdings auf der Online-Plattform vertreten sei.

Gute Bilanz

Überraschen lässt sich der 27-jährige Deutsche in China dann aber doch noch. Von der Frage nach dem Rekord von Ayrton Senna. Denn nach dem Sieg in Sepang fehlt Vettel nur noch ein Erfolg auf die Marke der brasilianischen Formel-1-Legende (41 Siege): "Das war mir gar nicht klar", sagte der Vierfach-Weltmeister im Vorfeld des China-Grand-Prix. "Das würde jedem Fahrer sehr viel bedeuten." Zu seiner eigenen Leistung sagt er: "Es ist schon etwas Besonderes. Schließlich hat es mich einige Mühe gekostet, ehe ich die 40er-Marke geknackt habe."

Ganz ernst nehmen kann Vettel den Senna-Vergleich dann aber doch nicht, zu sehr hat sich die Königsklasse des Motorsports in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Von sieben Grands Prix pro Jahr zu Beginn der Formel 1 wuchs der Rennkalender zu Sennas Zeiten auf 16 an. 2015 werden 19 Rennen absolviert. "Da ist es nicht ganz fair, die Zahlen zu vergleichen", sagt Vettel, der aber unabhängig von Rechnereien und Rekorden darauf hofft, dass der nächste Sieg "nicht so weit weg" ist.

Schlechtes Timing

Ganz weit weg vom Traum eines Grand-Prix-Sieges hat sich das McLaren-Team entfernt. War nach der letzten Saison noch über den großen Coup mit Honda-Unterstützung spekuliert worden, hat sich nach den desaströsen Testfahrten und den ersten beiden Rennen vieles relativiert. Zu groß ist der Rückstand, mit dem Jenson Button und Fernando Alonso dem Feld hinterherfahren.

Womit wir wieder bei jenem 34-jährigen Spanier wären, der dieser Tage mit ernster Miene durch die Boxengasse schleicht. Ausgerechnet Alonso lernt die Formel 1 nun von einer anderen Seite kennen: aus der Perspektive des Nachzüglers.

Der beste Fahrer im elitären Motorsport-Zirkus mag Alonso sein. Doch seine Entscheidungen abseits der Rennstrecke gehören zu den schlechtesten. Ende 2007 flüchtete er vor Teamkollege Hamilton von McLaren zu RenaultHamilton wurde 2008 im McLaren Weltmeister. Nach einer weiteren schwachen Saison begann Alonso 2010 bei Ferrari, um seine Karriere mit einem WM-Titel bei der Scuderia zu krönen. Mehr als elf Rennsiege in fünf Jahren schauten nicht heraus. Nun hat Alonso Ferrari verlassen – und die Roten fahren mit Vettel vorne mit.

Doch was sagt der Spanier zum Erfolg seines Ex-Teams, für das er 2014 nur einmal Zweiter und einmal Dritter wurde? "Meine Entscheidung war richtig. Doch wenn Ferrari heuer Weltmeister werden sollte, könnte sich meine Meinung ändern."

McLaren hat in China zwei Möglichkeiten, die beide nicht unbedingt dem Geist der Formel 1 entsprechen:

1. Das Team lässt die Autos mit voller Leistung fahren – was einen technisch bedingten Ausfall zur Folge hätte.

2. Man drosselt die Leistung des Antriebs deutlich (um bis zu 150 PS) und fährt hoffnungslos hinterher. Besonders auf den langen Geraden von Schanghai.

Groß waren die Hoffnungen von McLaren, 2015 ein siegfähiges Team zu werden. Mit den Millionen und dem Know-how des neuen Motorenpartners Honda; mit den enormen Ressourcen in der Fabrik in Woking; mit dem besten Formel-1-Fahrer der Welt, Fernando Alonso; mit dem braven Jenson Button, immerhin Weltmeister 2009.

Dass man nicht bereits beim ersten Rennen um das Podest mitfahren konnte, war erwartet worden. Eine sportliche Katastrophe ist allerdings, dass derart viel auf Mercedes fehlt, dass selbst Force India außer Reichweite ist.

"Die Charakteristik des Autos ist gut. Es hat eine gute Balance", sagt Fernando Alonso. "Wir machen große Schritte nach vorne", ergänzt Jenson Button. "Wir sehen eine große Zukunft."

34,5 Millionen € soll Alonso pro Jahr verdienen, 11 Millionen Button. Für McLaren sind sie das Geld wert. Zumindest ihre Aussagen sind für den Arbeitgeber Weltklasse.

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton hat das Freitagstraining zum Grand Prix von China dominiert. Nach seiner Bestzeit in der ersten Einheit drehte der Brite auf dem Shanghai International Circuit auch am Nachmittag klar die schnellste Runde. Der 30-jährige Mercedes-Pilot verwies in 1:37,219 Minuten den Finnen Kimi Räikkönen im Ferrari klar auf den zweiten Rang.

Dritter wurde Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo vor Malaysia-Sieger Sebastian Vettel (Ferrari), die beide bereits mehr als eine Sekunde auf Hamilton verloren. Direkt dahinter positionierte sich Hamiltons Stallrivale Nico Rosberg als Fünfter.

Kommentare